Leben mit Metastasen
Von unseren Interviewpartnern hatten einige zum Zeitpunkt des Interviews einen metastasierten Prostatakrebs. Bei manchen wurden die Metastasen schon bei der Erstdiagnose festgestellt. Bei anderen wurden erst später, bis zu 10 Jahre nach Diagnosestellung, Metastasen festgestellt. Einige erzählen, dass sie aufgrund von Schmerzen direkt zu Ärzt*innen gegangen seien, bei anderen seien die Metastasen während der Nachsorge diagnostiziert worden. Bei Rolf Fuchs wurde während der Operation festgestellt, dass sein Prostatakrebs schon metastasiert war (Wege zu Ärzt*innen und Nachsorge).
Einige unserer Interviewpartner schildern, wie ein Leben mit Metastasen eine enorme Veränderung und Belastung in ihrem Alltag darstellt, jedoch empfanden nicht alle die Diagnose einer Metastasierung als belastend, sondern versuchten gelassen zu bleiben und das Leben zu genießen.
Um auszuschließen, dass der Krebs gestreut hat und sich Metastasen gebildet haben, wurden bei einigen Interviewpartnern Untersuchungen durchgeführt, wenn die Ärzte es aufgrund der Tumorklassifikation nach der Biopsie oder aufgrund eines ansteigenden PSA-Werts für notwendig erachteten (Nachsorge). Die Männer berichten von bildgebenden Verfahren, wie Skelettszintigrafien, Computertomographien (CT), Kernspintomographien (MRT) und Positronenemissionstomographien (PET-CT), die zum Nachweis von Metastasen genutzt wurden (Untersuchungen).
Ulrich Richter merkte vorher nichts, als bei ihm metastasierter Prostatakrebs festgestellt wurde.
Unsere Gesprächspartner schildern verschiedene medizinische Maßnahmen, die ihnen in ihrem metastasierten Erkrankungsstadium halfen. Dafür sei es für sie erst einmal vorrangig und wichtig, geeignete medizinische Therapieoptionen zu suchen. Unsere Interviewpartner mussten sich mit neu auftretenden Veränderungen arrangieren und ihre Krankheit „managen.“ In dem Stadium haben viele Gesprächspartner Möglichkeiten und Chancen gesucht, etwas gegen den Krebs zu tun und das weitere Wachstum hinauszuzögern. Einige Männer ließen sich bestrahlen, wenn in den Knochen, wie im Becken oder an der Wirbelsäule, Metastasen aufgetreten waren, um Schmerzen vorzubeugen oder entgegenzuwirken. Einige empfinden die durch die Metastasen hervorgerufenen Knochenschmerzen als besonders unangenehm und nehmen täglich Schmerztabletten. Wenn eine Bestrahlung nicht durchführbar war, wählten manche die Möglichkeit, die antihormonelle Therapie fortzusetzen oder an Studien teilzunehmen, um so vielleicht neue, noch nicht offiziell freigegebene Medikamente, zu testen, die ihnen helfen könnten.
Alexander Huetzing hat durch eine Bestrahlung seiner Metastasen kaum Probleme mit Schmerzen.
Viele unserer Gesprächspartner sind der Meinung, dass ein Leben mit dem Krebs auf Jahre möglich ist. Für die meisten ging es mehr darum, „mit dem Krebs zu leben“ als eine Heilung anzustreben. Dafür versuchten einige der Erzähler alle verfügbaren Optionen auszureizen um das Leben mit dem metastasierten Krebs gegebenenfalls noch über Jahre zu ermöglichen. Es sei sehr wichtig für sie, alles zu versuchen, um dem eigenen Körper die Chance zu geben sich möglichst lange gegen den Krebs zu wehren.
Neben den schulmedizinischen Optionen haben einige unserer Interviewpartner nach weiteren Wegen gesucht, ihren Körper zu unterstützen und ihre Gesundheit zu stärken. Manche machten Qi Gong, Akupunktur, Tai-Chi oder übten sich in Meditation. Auch Malerei oder Musizieren trug zur Entspannung bei, berichten einige Interviewpartner. Christian Lorenz half es, sich eine Auszeit zu nehmen und ins Kloster zu fahren, wo er eine emotionale Entlastung erlebte (Bewegung, Ernährung, Entspannung).
Einige versuchten in der Folge der Diagnose ihren Lebensstil zu verändern, aus dem Beruf auszusteigen, um mehr Zeit für die Behandlung zu haben. Andere sprechen darüber, dass sie ihren Lebensplan und -rhythmus geändert hätten, um mehr Freiräume in ihrem Alltag zu haben. Für viele sei es wichtig, selbst Dinge zu entscheiden und die Kontrolle über ihr Leben zu behalten. Dazu gehörte für manche auch der Arbeitsalltag (Beruf und Ende der Arbeitstätigkeit). Manchen tat es gut, hierfür zur Stärkung des Immunsystems mit verschiedenen Methoden beizutragen oder auch, sich in einer Reha helfen zu lassen (Rehabilitation).
Joachim Pelzer hat bestimmte Dinge verändert, um sein Immunsystem zu stärken.
Christian Lorenz geht es im Augenblick ganz gut und auch er versucht sein Immunsystem zu stärken.
Christian Lorenz möchte über sein Tun die absolute Hoheit haben und reduziert seine Arbeitszeit.
Aktueller Status - Sich gesund fühlen
Die Interviewpartner wissen, dass sich jederzeit, auch wenn sie sich gesund fühlen, die Krebszellen in Form von Metastasen bemerkbar machen können und sich ihr Zustand verschlechtern kann. Eine gute ganzheitliche Versorgung und Betreuung in dieser neuen Phase war für unsere Gesprächspartner besonders wichtig, um einen geregelten Alltag leben zu können.
Gleichzeitig bedeutet ein Leben mit Metastasen für unsere Interviewpartner auch, sich Gedanken über die Zukunft zu machen. Ein Problem, dass unsere Gesprächspartner schildern, ist, dass ihnen keiner die Frage beantworten kann, wie lange sie noch zu leben haben, ehe sich ihr Zustand verschlimmern würde. Deshalb setzten sich viele auch mit dem Tod und wie und wo sie einmal sterben möchten, auseinander (Gedanken zum Altern, Sterben und Tod).
Andere erzählen, dass das Hier und Jetzt im metastasierten Stadium umso mehr zähle, weshalb viele versuchen zum Beispiel Momente mit der Familie intensiver zu verbringen. Dazu zählten für unsere Interviewpartner, weiter Pläne zu machen, etwa für Urlaube oder Ausflüge und nicht „rund um die Uhr“ an die Krankheit zu denken.
Bei einigen Interviewpartnern wurden seit ihrer Prostatakrebsdiagnose noch andere Krebszellen und Tumore gefunden, wozu Hautkrebs, Blasenkrebs, Nierenkrebs, Magenkrebs, Darmkrebs und Leukämie zählten. Das bedeutete für die meisten eine erneute Behandlung mit Chemotherapie beziehungsweise Bestrahlung.