Gedanken zu Altern, Sterben und Tod
Viele unserer Interviewpartner erzählen, dass sie im Zuge der Diagnose Prostatakrebs daran dachten, dass ihr Leben nun vorbei sei und sie sterben müssten. (Diagnosemitteilung). Gerade die erste Zeit nach der Diagnose, die bei vielen Männern mit Unsicherheit darüber verbunden war, wie es werden würde, malten einige sich auch ihren eigenen Tod aus, manche dachten sogar schon an ihre Beerdigung. Bei manchen verringerte sich diese Angst, entweder, weil sie mehr über Prostatakrebs erfuhren, was sie beruhigte oder weil ihr eigener Gesundheitszustand sich verbesserte bzw. sich die Prognosen als positiv herausstellten. Andere schildern, dass für sie alles viel zu schnell ging, um über den Tod nachzudenken. Für einige ging die Erkrankung nicht mit der Angst zu sterben einher, oder sie konnten den Tod auch als Ereignis betrachten, das zum Leben dazu gehöre und vor manchem Leid bewahren könne.
Wilhelm Berger verlor durch die Auseinandersetzung mit dem Tod immer mehr seine Angst davor.
Ernst Lehmann will nicht ständig darüber nachdenken, wann er sterben wird.
Rüdiger Schnelte blickt dem Tod realistisch entgegen.
Bei denjenigen, die in ihrem nahen sozialen und familiären Umfeld Menschen kannten, die Krebs hatten und daran verstorben waren, kamen diese Gedanken und Erinnerungen bei der eigenen Diagnose auf. Die Männer schildern, dass sie auch durch Sterbebegleitung bei ihren Eltern, Geschwistern oder Freunden zum ersten Mal eine Krebserkrankung miterlebt hatten, wodurch ihnen der Umgang mit Krebs und dem Tod nahegekommen sei. Dies beeinflusste, wie sie über ihre eigene Diagnose nachdachten und mit ihr umgingen.
Peter Engel erinnerte sich mit der Diagnose an die Situation seines an Krebs verstorbenen Vaters.
Für viele unserer Interviewpartner war der Gedanke an den Tod auch unabhängig von der Krebserkrankung mit dem zunehmenden Alter ein Thema, das für sie normal sei. Der Prostatakrebs gehöre für sie zum Altern dazu, er sei ein Begleiter und sie seien froh, „nur“ Prostatakrebs und nicht andere Tumore bekommen zu haben.
Jörg Runde verbindet das Ende seines Lebens nicht vorrangig mit dem Krebs.
Friedel Kessler sieht Krebs im Alter als unvermeidbar an.
Dennoch schildern einige Männer, dass ihnen das Sprechen und Nachdenken über den Tod auch schwerfalle und sie sich nicht ständig damit befassen wollten. Bei vielen Männern war ihre Krankheitserfahrung davon geprägt, dass sie häufig kurz vor oder nach dem Renteneintritt standen. Dies bedeutete in den Erzählungen einen großen Umbruch, der auch Nachdenken über Altern und Sterben beinhaltete.
Die Diagnose Prostatakrebs führte dann bei vielen dazu, sich noch einmal intensiver mit diesen Themen zu beschäftigen.
Für den Fall, dass sie einmal nicht mehr selbst entscheiden oder kommunizieren können, hatten manche der Interviewpartner bereits zum Zeitpunkt der Diagnosestellung vorsorglich ihren Willen bezüglich medizinischer Entscheidungen in einer Patientenverfügung festgelegt. In einer zusätzlichen Vorsorgevollmacht nutzten sie die Möglichkeit, einen Vertreter für ihre Angelegenheiten zu benennen. Manche hatten ebenso ein Testament oder einen Organspendeausweis. Sie berichten, dass sie sich schon vorher darum gekümmert hätten, weil sie aufgrund ihres Alters Dinge geklärt haben wollten. Die meisten unserer Gesprächspartner erzählen uns auch, dass es ihnen schwerfiel, zu überlegen, was sie in eine Patientenverfügung schreiben sollten, oder auch ein Testament zu erstellen sowie Fragen zur Vorsorgevollmacht zu klären. Manchen war es ein großes Bedürfnis, all diese Dinge vor der Operation geklärt zu haben, andere wiederum ließen sich Zeit oder haben für den Fall von Komplikationen oder Tod (noch) keine Formalien festgelegt.
Rainer Wolff war es wichtig, vorab eine Patientenverfügung und eine Vorsorgevollmacht zu erstellen.
Auch berichten manche Interviewpartner davon, dass sie sich aufgrund der Diagnose vermehrt wieder ihrem Glauben zugewandt hätten, andere schildern, dass für sie Religion im Umgang mit ihrer Erkrankung keine Rolle spielte.
Alfred Brandt half es, im Krankenhaus in der Kapelle zu beten.
Einige Gesprächspartner sprechen davon, weniger Angst vor dem Tod an sich zu haben, dafür umso mehr vor dem Weg und dem Prozess des Sterbens. Viele schildern, dass sie ihre Familien nicht belasten wollten, wenn sie sich nicht mehr selbst versorgen könnten oder dement würden. Pflegebedürftig zu werden sei für Juergen Hoffmann „schlimmer als der Tod“. Dementsprechend war es für manche auch wichtig, sich sehr bewusst über ihr Lebensende Gedanken zu machen und darüber nachzudenken, ob sie dieses unter Umständen auch selbst durch Suizid herbeiführen wollten. Andere dagegen haben sich bereits Gedanken dazu gemacht, ob sie einmal in einem Hospiz oder sonst palliativmedizinisch versorgt werden könnten.
Natürlich wünschen sich viele Männer für ihre Zukunft, dass sie und ihre Partnerin noch möglichst lange vital bleiben, von weiteren Erkrankungen weitestgehend verschont bleiben und keinen Rückfall erleben. Durch ihr fortgeschrittenes Alter sehen viele Erzähler die verbleibende Zeit als Geschenk an und versuchen die einzelnen Tage mit ihrer Familie und Freunden zu genießen und nicht zu häufig an den Tod zu denken.
Rückblickend schildern einige Männer, dass Prostatakrebs für sie auch eine „gute Seite“ hatte, weil sie ihr Leben nun intensiver leben, neue Erfahrungen machten und den wichtigen Dingen Vorrang geben.