Bewegung, Ernährung, Entspannung
Die Diagnose Prostatakrebs war für unsere Interviewpartner eine Herausforderung, mit der sie auf verschiedene Arten umgingen und für die sie unterschiedliche Umgangsformen entwickelten. Unsere Gesprächspartner berichten, dass der Umgang mit Prostatakrebs ein Prozess sei. bei dem es für sie wichtig war, zu überlegen, was sie selbst gegen ihre Krankheit tun könnten und was ihnen im Umgang damit helfen könne. Aufgrund dieser Überlegungen haben einige starke Einschnitte in ihren Alltagsroutinen unternommen, andere punktuell Dinge überdacht und geändert.
Christian Lorenz probierte viele Dinge aus und fragte sich, was noch fehlen und ihm helfen könnte.
Ernährung
Viele Männer haben bestimmte alltägliche Verhaltensweisen hinterfragt um aktiv ihr Immunsystem zu stärken. Die Ernährung ist ein Bereich, den sie selbst beeinflussen können, berichten einige unserer Gesprächspartner, allerdings erkannten sie auch, dass es viele widersprüchliche Meinungen und letztendlich keine für alle hilfreiche „Krebsdiät“ gibt. Einige achteten deshalb hauptsächlich darauf, sich so zu ernähren, wie sie es für gesund hielten, manche beschrieben, dass sie nichts wirklich umgestellt haben, weil sie vorher auch schon relativ gesundheitsbewusst lebten. Bei anderen hingegen kam erst durch die Erkrankung ein Bewusstsein für die Ernährung auf. Manche kamen erst nach einigen Jahren dazu, ihre Ernährung zu verändern, weil sie vorher zu sehr mit ihren Behandlungen und deren Nebenwirkungen zu tun hatten und noch keinen geregelten Alltag hatten.
Viele achten auf ausreichend Vitaminzufuhr durch Obst und Gemüse, versuchen weniger Fleisch und Fett zu konsumieren, dafür eventuell mehr Fisch, oder versuchen stärker auf Zucker zu verzichten. Außerdem trinken manche Männer vermehrt Tees und Säfte. Angeregt wurden manche durch Vorträge in der Reha oder in einer Selbsthilfegruppe. Wiederum andere haben sich selbst erkundigt. Die Partnerinnen haben größtenteils das Essen zubereitet und auf eine gesunde Ernährung geachtet, viele auch schon vor der Erkrankung, schildern die Männer (Unterstützung durch Partnerin, Familie und Freund*innen).
Für Kay Hahn war der Verzicht auf Zucker schwieriger als mit dem Rauchen aufzuhören.
Aber nicht alle Interviewpartner glauben, dass Ernährung einen großen Einfluss auf Prostatakrebs hat. Andere wie der „Genussmensch“ Rolf Fuchs betonen, dass wenn man sich Jahrzehnte lang ungesund ernährt hat, eine Umstellung auch nicht mehr hilft. Andere haben sich auf bestimmte, allgemeine Diätprogramme eingelassen, betonen aber auch, dass sie die Balance zwischen Verzicht und Genießen nicht aus den Augen verlieren wollen.
Einige unserer Erzähler betonen, dass sie nicht zu viele Abstriche der Lebensqualität machen wollten. Als erstes haben viele zuerst ihre „Laster“ überdacht, wie zum Beispiel das Rauchen aufgegeben. Einigen fiel dies leicht im Zuge der Diagnose, andere sprechen von einem Einschnitt in die Lebensqualität. Auf ein Glas Wein oder Bier wollten viele nicht verzichten, da sie der Meinung waren, dass es in Maßen nicht schädlich sein könne. Einige unserer Gesprächspartner berichten, dass Alkohol für sie zur Lebensfreude und dem guten, genussvollen Leben dazugehöre, andere hatten wiederum gar keinen „Durst“ mehr. Viele hatten altersbedingt sowieso schon weniger Alkohol getrunken.
Wohlbefinden/Entspannen
Viele unserer Interviewpartner wollten sich und ihrem Körper Gutes tun, Kraft tanken und sich entspannen. Dieses Verhalten wird natürlich durch den Ruhestand leichter möglich, sagt etwa Alfred Brandt. Manche erzählten davon, zur Kur zu fahren, regelmäßig in die Sauna zu gehen oder in die Natur zu fahren. Zum Genießen gehört für einige auch künstlerische und kreative Betätigung wie Malerei, Literatur oder Musik dazu. Manche hören nicht nur Musik zur Entspannung, sondern musizieren selbst bzw. fingen damit wieder an.
Rainer Wolff versucht sich regelmäßig durch ein warmes Bad oder einen Mittagsschlaf zu entspannen.
Bewegung/Aktivität
Viele Interviewpartner wollten durch Bewegung und Sport bzw. körperliche Aktivitäten ihren körperlichen Zustand verbessern. Einige gingen joggen, wandern oder spazieren. So konnte ein Interviewpartner beispielsweise gut abschalten, wenn er alleine mit seinem Hund oder mit dem Motorrad in die Natur hinausfuhr. Andere besuchten ein Fitnessstudio oder kauften sich wegen ihrer Inkontinenz einen Hometrainer. Manche bevorzugten es sich mit ihrer Partnerin oder mit anderen in Vereinen oder Gymnastik- und Turngruppen sportlich zu betätigen. Dabei entdeckten einige Qi-Gong, Yoga oder Tai-Chi für sich. Hier erwähnt ein Interviewpartner auch das Konzept der Achtsamkeit, das er sehr zu schätzen gelernt hat. Für einige unserer Interviewpartner war Sport schon sehr lange fester Bestandteil ihres Alltags, andere brauchten Ausdauer bis sie das fanden, was ihnen auch Spaß machte. Auf jeden Fall war es vielen Männern wichtig, regelmäßig ein gewisses Maß an Bewegung zu bekommen.
Martin Pels kann durch Atemübungen viel besser einschlafen.
Manche versuchten sich zu schonen und sich gemäß ihres Alters zu belasten, andere intensivierten sogar Bewegung und sportliche Betätigung. Einige Männer nutzen die sportliche Betätigung als Bewältigungsstrategie und versicherten sich damit, dass wieder alles in Ordnung ist und ihr Immunsystem intakt sei.
Alexander Huetzing läuft gerne um zu meditieren und etwas für sich zu tun.
Anstatt zu joggen, gehen einige eher schwimmen oder machen Wassergymnastik. Die Hauptsache ist, dass sie etwas für ihren Körper tun konnten. So berichtet zum Beispiel Rolf Fuchs, dass er sich nach der Operation mit einem Tretroller „auf Vordermann“ gebracht habe.
Einige Interviewpartner, die nie sportlich aktiv waren, hatten durch ihren Garten eine ausreichende Betätigung oder versuchten mehr Bewegung in ihren Alltag zu integrieren indem sie aufs Auto oder den Fahrstuhl verzichteten.
Komplementäre Medizin
Manche haben sich auch nach komplementären Behandlungsformen in der traditionellen chinesischen Medizin oder der Homöopathie umgeschaut. Einige nahmen Weihrauch, Selen, zusätzliche Vitamine oder spritzen sich Mistel, andere nahmen Nahrungsergänzungsmittel oder auch pflanzliche Mittel zur Prostataverkleinerung. Andere dagegen hielten davon nichts und fanden die schulmedizinische Versorgung für sich ausreichend.
Einige betonen, dass jeder für sich selbst entscheiden müsse, was ihm helfe. Schließlich wirke auch der psychische Effekt. Gerade zu Beginn der Erkrankung war es vielen wichtig, nichts unversucht zu lassen.
Kay Hahn ist es wichtig, seine Immunabwehr zu stärken.
Christian Lorenz versuchte gerade am Anfang seiner Erkrankung jeden Strohhalm zu ergreifen.