Diagnosemitteilung
Die Diagnosemitteilung stellte für alle unsere Gesprächspartner ein einschneidendes Erlebnis in ihrem Leben dar, an das sie sich sehr gut erinnern konnten, so dass sie uns ihre ersten Gedanken und Handlungen sehr detailliert schildern konnten.
Die meisten Männer sprechen von einem Schock, der durch die Konfrontation mit der Diagnose Krebs ausgelöst wurde. Unsere Interviewpartner nutzen für die Beschreibung des Schocks Metaphern wie KO Schlag, Schlag ins Gesicht, Volltreffer, Keule, Knalleffekt, Hammer, Urangst oder schwerer Autounfall. Damit verbunden wurde der Gedanke ans Sterben und an eine Todesangst, weil für viele Krebs zum Zeitpunkt ihrer Diagnose gleich Tod bedeutete.
Detlev Winter war berührt und geschockt, weil für ihn Krebs gleich Tod war.
Für Holger Andres war Krebs eine Blackbox und die Todesbedrohung wurde ihm bewusst.
Einige berichten, dass sie nach der Diagnose im Arztgespräch abgeschaltet haben und nichts mehr aufnehmen konnten. Manche brauchten erst einmal Abstand, um ihre Krebsdiagnose zu realisieren.
Juergen Hoffmann hat sich am nächsten Tag die Diagnose noch einmal erklären lassen.
Kay Hahn fühlte sich wie im Film.
Die Diagnose Prostatakrebs kam für die meisten unserer Männer überraschend, weil sie vorher nichts davon gespürt hatten. Einige fühlten sich gesund und hatten ein Bild von sich, in dem Krebs nicht vorkam. So wurden viele völlig unvorbereitet von der Diagnose Krebs getroffen.
Christian Lorenz meinte gesund zu leben, umso überraschender war für ihn die Diagnose.
Alexander Huetzing dachte, er sei zu jung und fragte sich, ob er etwas falsch gemacht habe.
Einige Männer machten sich bei der Diagnosemitteilung nicht allzu große Sorgen, weil sie schon Erfahrung mit anderen Krankheiten hatten und andere Krebsarten ihnen mehr Angst gemacht hätten. Ein Interviewpartner sagte, dass er keine Angst bei der Übermittlung verspürte und einen klaren Kopf behielt, um weitere Entscheidungen zu treffen.
Andere reagierten zuversichtlich im Hinblick auf die Behandelbarkeit von Prostatakrebs, weil sie sich durch ihre Ärzt*innen gut betreut fühlten. Sie sprechen davon, dass ihnen eher eine Lösung des Problems wichtig war und die Diagnose selbst sie nicht sehr berührt hätte, so dass sie sich nicht haben verrückt machen lassen.
Für Helmut Wurm galt das Motto: Das Leben geht weiter, es ist wie es ist.
Lothar Weber verkraftete die Diagnose schnell und fiel nicht in ein Loch.
Manchen unserer Interviewpartner wurde neben der Diagnose auch gleich eine Behandlung empfohlen bzw. es wurde mit ihnen das weitere Vorgehen besprochen. So wussten sie, dass man etwas unternehmen kann, was auch zur Beruhigung beigetragen und Mut gemacht hat. Vereinzelt geben Interviewpartner an, dass äußere Umstände oder Begleiterkrankungen sie soweit ablenkten, dass sie keine Zeit zum Grübeln hatten. Die unmittelbare Planung des weiteren Vorgehens hat aber auch Überforderung bei einem unserer Interviewpartner ausgelöst.
Bei anderen Männern hingegen wurden Schuldgefühle ausgelöst, die mit Gefühlen wie Wut und Hilflosigkeit verknüpft waren. Sie berichten, in ein Loch gefallen zu sein und sprechen von dem schlimmsten Moment ihres Lebens (Mit der Erkrankung umgehen lernen).
Peter Engel spricht von einem traumatischen Erlebnis, was danach eine Depression auslöste.
Bei fast allen Männern gab es einen Vorlauf von der Entnahme der Probe bis zur Feststellung des Befundes. Viele empfanden dieses Warten mit der Ungewissheit als Qual und einige unserer Interviewpartner haben sich nächtelang den Kopf zerbrochen. Manche Männer ergriffen selbst die Initiative und fragten ihren Arzt gezielt nach dem Ergebnis, da sie nicht länger im Unklaren bleiben wollten.
Während der Übermittlung fühlten sich viele der Männer vom Arzt alleine gelassen und völlig unvorbereitet. Es war für einige auch überraschend, mit welcher Nüchternheit die Ärzt*innen den Befund übermittelten. Andere wiederum erzählen, dass die sachliche Darlegung des Befunds ohne „Schönfärberei“ für sie hilfreich gewesen sei.
Manchen unserer Gesprächspartner wurde die Diagnose am Telefon übermittelt, ohne dass sie dies wollten. Vereinzelt haben sie aber auch selbst darauf bestanden, die Diagnose am Telefon mitgeteilt zu bekommen.
Ernst Lehmann wurde die Diagnose auf Wunsch am Telefon übermittelt.
Einige unserer Interviewpartner wissen noch genau, was sie am Tag der Diagnosemitteilung gemacht haben, wobei die Partnerin hierbei für viele eine wichtige Rolle spielte. Viele Männer waren glücklich, dass ihre Partnerin während dieses als schlimm empfundenen Moments dabei sein konnte beziehungsweise sie diese anrufen konnten.
Thomas Lange war erleichtert, seine Frau anrufen zu können.
Kay Hahn bekam erst beim Telefonat mit seiner Freundin Angst.
Ein Interviewpartner erzählt, dass seine Frau anfangs dachte, er mache Witze. Einige Männer berichten, dass die Partnerin einerseits sehr geschockt war, andererseits auch eine Stütze sein konnte und es übernommen hat, Familie und Freunde zu informieren. (Unterstützung durch Partnerin, Familie und Freund*innen). Andere Interviewpartner beschreiben, dass sie anfangs niemandem von der Diagnose erzählen wollten, beziehungsweise die Ernsthaftigkeit oder düstere Prognose gegenüber Anderen heruntergespielt haben.
Manchen Gesprächspartnern wurde die Diagnose kurz vor Feiertagen mitgeteilt, was dann zusätzlich für eine schlechte Stimmung sorgte. Ein Interviewpartner berichtet hingegen, dass es auch einen Vorteil hatte, weil dann die gesamte Familie zusammen war.