Die Erfahrungen von Nadine Baumann
Nadine Baumann ist zum Zeitpunkt des Interviews 37 Jahre alt, verheiratet und Mutter eines vierjährigen Sohnes. Sie arbeitet als Verwalterin in einem Pflegeheim. Nach ihrer OP, bei der ein Darmkrebs entfernt wurde, trug Nadine Baumann ein Stoma, das mittlerweile jedoch wieder rückverlegt wurde. Nachdem sie von ihrer Krankenkasse dazu aufgefordert wurde, trat sie eine gastroenterologische Reha an, die sie nach zwei Wochen wegen großer Unzufriedenheit mit der Klinik wieder abbrach.
Nadine Baumann erzählt, dass es für sie eine große psychische Belastung war, als ihre Krankenkasse sie aufforderte eine gastroenterologische Reha anzutreten, denn bei einer Verweigerung wäre ihr das Krankengeld gestrichen worden. Jedoch war für Nadine Baumann im Vorhinein klar, dass sie aus einer Reha für sich keinen Nutzen würde ziehen können, da sie aufgrund ihrer gastroenterologischen Beschwerden zeitlich und räumlich an die Toilette gebunden wäre und deshalb viele Angebote nicht wahrnehmen könnte.
In der Reha angekommen war sie zunächst positiv überrascht, was aber nicht lange anhielt. In der Küche war man nicht auf ihre Nahrungsunverträglichkeiten eingestellt, obwohl sie die Klinik schon vor ihrer Ankunft darüber in Kenntnis gesetzt hatte. Auf ihre Bemühungen, die Ärzte und das Personal darauf hinzuweisen, dass eine genau festgelegte Schonkost für sie von großer Wichtigkeit ist, wurde erst nach einer Woche reagiert. Entgegengesetzt zu ihrem obersten Reha-Ziel, Gewicht zuzunehmen, nahm Nadine Baumann sogar ab. Nach der Reha musste sie sich im Krankenhaus wegen Magenschleimhautentzündung behandeln lassen, die sie auf die Fehlernährung in der Reha-Klinik zurückführt. Nadine Baumann war angesichts der schlechten Kommunikation in der Klinik sehr schockiert und fühlte sich mit ihren Anliegen nicht richtig ernstgenommen. Da sie aufgrund der Ernährungssituation kraftlos war, konnte sie auch vom Therapieprogramm wenig profitieren und fühlte sich eher unter Druck und gestresst. In der Reha wurde zum ersten Mal die Möglichkeit einer Erwerbsminderungsrente thematisiert. Nadine Baumann erzählt, dass die Sozialberatung in der Klinik ihre Zukunftssorgen aber eher noch verstärkt hat.
Auf das Angebot, psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen, ging Nadine Baumann ein. Allerdings empfand sie die Sitzungen zum Großteil nicht als hilfreich. Sie erzählt, dass sie den Eindruck hatte, dass ihre Psychologin selbst nicht stabil genug gewesen sei, um ihr den Rücken zu stärken. Vom Arzt fühlte sie sich als psychisch labil abgestempelt. Lediglich der Austausch mit den Mitpatienten war für sie gut, angenehm ablenkend und unterstützend. Nachdem ihr Reha-Aufenthalt nach zwei Wochen keine neuen Informationen oder Erkenntnisse gebracht hatte, brach Nadine Baumann die Reha ab.
Nadine Baumann berichtet, dass sie ihre eigene Expertin geworden ist. So versorgt sie sich selbst mit dem, was sie braucht. Information und Aufklärung sind für sie von enormer Wichtigkeit. Beispielsweise konnte sie durch eine Freundin, die bei der Rentenversicherung arbeitet mehr, Informationen bekommen als durch den Sozialdienst in der Reha-Klinik. Zudem geht sie einer ehrenamtlichen Tätigkeit nach, bei der sie für Menschen, die an Darmkrebs erkrankt sind, als Ansprechpartnerin zu Verfügung steht.
Für Nadine Baumann ist klar, dass sie nie wieder eine Reha antreten möchte. Sie empfiehlt jedem, sich über seine eigenen Ziele und Erwartungen im Klaren zu sein und sich vor einem möglichen Reha-Antritt durch Erfahrungsberichte genau zu informieren, ob eine Reha die eigenen Erwartungen erfüllen kann.
Das Interview wurde im Herbst 2014 geführt.
Nadine Baumann wurde nach der Stomarückverlegung von der Krankenkasse zur Reha aufgefordert.
Für Nadine Baumann war es kein Problem, den Rehaantrag auszufüllen.
Nadine Baumann konnte viele Anwendungen aufgrund ihrer Beschwerden nicht mehr mitmachen.
Die, durch die Krankenkasse erzwungene, Reha belastete auch Nadine Baumanns Familie.