Akzeptanz und Selbstbestimmung
Viele unserer Interviewpartner*innen berichteten, dass sie im Laufe der Zeit lernten, ihre Erkrankung anzunehmen. Um ihren Alltag so selbst bestimmt wie möglich zu gestalten, suchten sie nach weiteren Wegen, mit den langanhaltenden Symptomen umzugehen. Sie beschrieben unterschiedliche Strategien, die ihnen halfen, besser mit den Symptomen umzugehen. Dazu gehörte das Erkennen körperlicher Grenzen und das bewusste Einteilen ihrer Energien. Viele nutzten auch eine Vielzahl an Therapie- und Behandlungsmöglichkeiten oder ergänzten ihren Alltag mit Hilfsmitteln wie Rollstühlen oder Hockern, um ihre Lebensqualität zu verbessern.
Viele der Interviewpartner*innen stellten ihr eigenes, maßgeschneidertes Behandlungsprogramm zusammen. Die Programme und Ansätze variierten je nach Person und basierten ausschließlich auf persönlichen Erfahrungen. Anders als bei vielen anderen Erkrankungen, bei denen klare Empfehlungen von Behandler*innen ausgesprochen werden, entschieden die Betroffenen selbst, welche Anwendungen oder Therapien für sie am hilfreichsten waren. Einige berichteten, dass sie durch diese individuellen Programme spürbar mehr Energie und Kraft zurückgewinnen konnten. Allerdings mussten sie für bestimmte Anwendungen oder Therapien die Kosten selbst tragen
Ruth Großer erstellte ihren eigenen Rehaplan, manche Anwendungen zahlte sie selbst.
Einige unserer Interviewpartner*innen versuchten, ihre Kondition durch Bewegung zu verbessern und wieder zu Kräften zu kommen. Für diejenigen, die besonders von Myalgischer Enzephalomyelitis/Chronischem Fatigue-Syndrom (ME/CFS) oder von Post-Exertional Malaise (PEM) betroffen waren, gestalteten sich körperliche Aktivitäten aufgrund ihrer begrenzten Energieressourcen als herausfordernd und sie brachen zusammen bzw. crashten (siehe auch Zusammenbrüche/Crashes) oftmals. Sie berichteten, dass sie sich entweder sehr behutsam an die Bewegung heranwagten oder sie ganz vermieden.
Malte Steiner stellte nach einigen Monaten fest, dass er durch sein zunehmendes Wissen über seine ME-/CFS-Erkrankung und seine eigenen Grenzen kleine Fortschritte erzielte, darunter die Fähigkeit, langsam zwei Kilometer Fahrrad zu fahren.
Andere Interviewpartner*innen betonten, wie wichtig für sie Bewegung an der frischen Luft war. Spaziergänge im eigenen Tempo empfanden sie als wohltuend, und sie genossen die Zeit in der Natur für sich. Ab und an beschrieben einige, dass sich ihre Kondition in kleinen Schritten verbesserte und langanhaltende Symptome mit der Zeit immer weniger wurde.
Einige unserer Interviewpartner*innen nutzen im Alltag Hilfsmittel wie Hocker, Rollstühle oder Lasten-Dreiräder, um ihren Tagesablauf besser zu meistern und ihre Energien gezielt einzuteilen. Für viele bedeuten diese Hilfsmittel eine große Erleichterung, da sie ihnen ermöglichten, ihren Alltag oder bestimmte Aktivitäten wieder aktiv und selbst bestimmt zu gestalten. So war der Rollstuhl von Mara von Peter eine so große Unterstützung in ihrem Alltag, dass sie ihm sogar liebevoll einen Namen gab.