Körperliche Grenzen achten und Energien bewusst einsetzen
Die Mehrheit unserer Interviewpartner*innen berichtete, dass sie ihren beruflichen und privaten Alltag, wie sie ihn vor der SARS-CoV-2-Infektion kannten, aufgrund der langanhaltenden Symptome nicht mehr bewältigen konnten. In den Interviews schilderten sie, wie sie im Alltag mit ihren langanhaltenden Symptomen umgingen.
Über das Internet oder im Rahmen von Rehabilitationsmaßnahmen stießen sie auf verschiedene Ansätze zur besseren Akzeptanz und Achtung ihrer körperlichen Grenzen sowie der Einteilung ihrer Energien, wie z.B. das Konzept des Pacings. Pacing ist eine Strategie, die Long-/Post-COVID-Betroffenen sowie Menschen mit Myalgischer Enzephalomyelitis/Chronischem Erschöpfungssyndrom (ME/CFS) hilft, mit Fatigue und Belastungsintoleranz umzugehen. Pacing wurde in den 1980er Jahren entwickelt und zielt darauf ab, Aktivitäten an die individuell begrenzten Energiereserven anzupassen und so die Symptomlast zu verringern. Obwohl Pacing keine Therapie ist, wird es in internationalen Leitlinien als wesentlicher Bestandteil der Behandlung von ME/CFS anerkannt. Schwer Betroffene machen jedoch häufig die Erfahrung, dass selbst kleinste Anstrengungen einen „Crash“ auslösen können. Viele unserer Interviewpartner*innen berichteten, wie sie erstmals auf das Konzept des „Pacings“ aufmerksam wurden – einige durch Recherchen im Internet, andere während ihrer Rehamaßnahmen. Die Umsetzung im Alltag fiel vielen anfangs schwer. Als hilfreich empfanden sie dabei praktische Anleitungen.
Unsere Interviewpartner*innen berichteten, dass sie im Laufe der Zeit ein besseres Gespür für ihre persönlichen Grenzen entwickelten – ein Lernprozess, der oft von Rückschlägen begleitet war. Sie erzählten, wie das wiederholte Überschreiten ihrer Belastungsgrenzen häufig zu sogenannten Crashes führte. Doch aus diesen Erfahrungen lernten sie nach und nach, ihre Grenzen klarer zu erkennen und Strategien zu entwickeln, um diese zukünftig besser einzuhalten. Da die Symptome stark von der Tagesform abhingen – mit Phasen besserer und schlechterer Verfassung – beschrieben viele, wie sie genau auf ihren Körper hörten, um die jeweils mögliche Belastung bei alltäglichen Aktivitäten einzuschätzen. Einige betonten, dass das achtsame Hören auf den eigenen Körper auch in Bezug auf ihre Ernährung eine wichtige Rolle spielte.
Lena Eichner lernte, auf ihren Körper zu hören, beispielsweise in Bezug auf ihre Ernährung.