Wege zu (k)einer Diagnose
Viele unserer Interviewpartner*innen empfanden es als eine große Herausforderung, nicht zu wissen, warum sie sich nach der Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 nicht erholt hatten. Sie berichteten, dass ihre Hausärzt*innen ihre erste Anlaufstelle waren, um ihre langanhaltenden Symptome abzuklären. Da sie häufig mit einer Vielzahl unterschiedlicher Symptome (mehr dazu unter: langanhaltende Symptome), wie z.B. Konzentrationsstörungen, Atemschwierigkeiten oder Schmerzen, konfrontiert waren, wurden sie von ihren Hausärzt*innen zur weiteren Abklärung an verschiedene Fachärzt*innen, Universitätskliniken oder Long-/Post-COVID-Ambulanzen überwiesen. Dort wurden zahlreiche Tests und Untersuchungen durchgeführt. In ihren Erzählungen schilderten sie die zum Teil langwierigen und vielfältigen Erfahrungen auf dem Weg zu (k)einer Diagnose.
Die Mehrheit unserer Interviewpartner*innen kam selbstständig zu der Diagnose Long-/Post-COVID. Sie setzten sich intensiv mit ihren Symptomen auseinander und informierten sich im Internet, um ihre langanhaltenden Symptome zu verstehen. Wer die Diagnose schließlich offiziell stellte, war sehr unterschiedlich. Manche schilderten auch, dass sie noch keine offizielle Diagnose zum Zeitpunkt des Interviews erhalten hatten. Einige Interviewpartner*innen erhielten den Verdacht auf Long-/Post-COVID bereits von ihren Hausärzt*innen, während andere die Diagnose von verschiedenen Fachärzt*innen oder während eines Besuchs in einer Long-/Post-COVID-Ambulanz erhielten.
Die Hausärztin von Mara von Peter hatte ihr die Diagnosen Long-COVID und ME/CFS attestiert.
Neben der Diagnose Long-/Post-COVID erhielten einige Interviewpartner*innen im Rahmen zahlreicher Untersuchungen zusätzliche Diagnosen, darunter Myalgische Enzephalomyelitis (ME)/Chronisches Fatigue-Syndrom (CFS), Post-Exertional Malaise (PEM), Konzentrationsstörungen sowie Hinweise auf Herz- oder Lungenschäden und/oder Autoimmunerkrankungen, die bei Blutuntersuchungen festgestellt wurden. Obwohl diese Diagnosen zunächst ein Schock waren, verspürten unsere Interviewpartner*innen zunächst eine gewisse Erleichterung, da sie nun endlich die Ursachen ihrer langanhaltenden Symptome identifizieren konnten. Diagnosen wie ME/CFS und PEM führten jedoch zu neuen Herausforderungen: Die Betroffenen sahen sich mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung konfrontiert, für die es - ähnlich wie bei Post-COVID - keine Versorgungs- und Behandlungsstrukturen gab. Dies verunsicherte sie sehr.
Regina Kopp sagte, dass der Neurologe das Fatigue-Syndrom diagnostizierte.
Bei Ruth Großer wurden Atemaussetzer und eine niedrige Sauerstoffsättigung nachts festgestellt.
Im Verlauf ihrer Arzt- und Untersuchungsodyssee berichteten einige Interviewpartner*innen von vorläufigen Diagnosen wie Leukämie oder Schlaganfall, die zwar im Krankenhaus abgeklärt, aber nicht bestätigt werden konnten.
Einige Interviewpartner*innen schilderten, dass ihre Tests sowie Untersuchungen bei Fachärzt*innen oder in Long-/Post-COVID-Ambulanzen keine auffälligen Ergebnisse lieferten. Dies brachte einerseits Erleichterung, da schwerwiegende Erkrankungen ausgeschlossen wurden. Andererseits führte es zu größerer Unsicherheit und Frustration, da die Beschwerden weiterhin ohne klaren Behandlungsansatz oder Linderung blieben. Einige erzählten, dass sie begannen, an sich selbst zu zweifeln. Sie fragten sich, ob sie sich ihre Symptome nur einbildeten.
Martin Krause fragte sich, ob er sich alles einbildete und sagte, dass man Long-COVID nicht sieht.
Ruth Großer ging von Arzt zu Arzt, aber es konnte nichts festgestellt werden.