Gespräche mit Ärzt*innen

Die Interaktionen und Gespräche mit ihren Hausärzt*innen sowie anderen Fachärzt*innen beschäftigte unserer Interviewpartner*innen nachhaltig.

In den Erzählungen unserer Interviewpartner*innen spielten die Hausärzt*innen eine zentrale Rolle in ihrer Gesundheitsversorgung. Die meisten Interviewpartner*innen waren zufrieden mit der Begleitung durch ihre Ärzt*innen, wenn diese aktiv zuhörten, sie bei der Diagnose und Behandlung unterstützten und sogar bei sozialrechtlichen Anliegen Hilfestellung leisteten.

Nicole Dachner hatte einen tollen Hausarzt, der mit ihr auch Anträge ausfüllte und ihr dabei auch am Wochenende zur Seite stand.

Lothar Winkler empfand sich gut betreut von seiner Hausärztin, die schnell erkannte, dass er eine Fatigue entwickelte.

Viele Interviewpartner*innen schilderten, dass ihre Hausärzt*innen sowie andere behandelnde Ärzt*innen angesichts der vielseitigen Symptome überfordert waren. Dies motivierte unsere Interviewpartner*innen, selbst Wissen und Informationen beizutragen (mehr dazu: hier). Einige erlebten dabei Ärzt*innen, die offen für den Austausch waren und von den Erfahrungen unserer Interviewpartner*innen lernen wollten. Diese Form der Zusammenarbeit wurde von den meisten als positiv empfunden, da sie Wertschätzung und Anerkennung erfuhren. Andere wiederum erzählten von wenig offenen und eher abweisenden Gesprächen mit Ärzt*innen. Wenn unsere Interviewpartner*innen das Gefühl hatten, bei ihren Ärzt*innen weniger Verständnis zu erfahren oder keine Fortschritte zu machen, zogen sie in Erwägung, den Arzt oder die Ärztin zu wechseln.

Melanie Tietz empfand es als Zurückgewinn von Souveränität, dass Ärzt*innen auf sie zukamen und sie bzgl. Long-/Post-COVID um Rat fragten.

Theresa von Gollberg beriet mittlerweile Ärzt*innen auch beim Aufbau von Long-COVID-Praxen.

Stephan Bergmann sagte, dass er zusammen mit seiner Hausärztin seine weitere Behandlung koordinierte.

Martin Krause zog in Erwägung, seinen Hausarzt zu wechseln, da er dort nicht weiterkam.

Julia Unruh fühlte sich von ihrem Hausarzt nicht ernst genommen und wechselte den Hausarzt.

Felicitas Welter fand einen neuen Hausarzt, mit dem sie gemeinsam nach COVID-Ambulanzen suchte.

Während der langen Arzt- und Untersuchungsodyssee erzählte die Mehrheit unserer Interviewpartner*innen, dass ihnen häufig von Ärzt*innen geraten wurde, Geduld zu haben und abzuwarten, bis sich ihre Symptome von selbst besserten. Für viele war dies jedoch schwer zu akzeptieren, da sie sich nichts sehnlicher wünschten, als schnell zu genesen und wieder wie früher an ihrem gewohnten persönlichen sowie beruflichen Leben teilhaben zu können.

Der Hausarzt von Karl Metz sagte ihm, dass er Geduld haben sollte.

Auch Stella Paul hörte zunächst die Durchhalteparolen ihrer Ärztin, bis ihr klar wurde, dass auch die Ärzt*innen nicht genau wussten, wie sie ihr weiterhelfen konnten.

Unsere Interviewpartner*innen empfanden es als besonders frustrierend, wenn Hausärzt*innen oder Fachärzt*innen ihre Symptome auf psychologische oder psychosomatische Ursachen zurückführten. Sie hatten das Gefühl, dass ihre körperlichen Beschwerden nicht ernst genommen wurden und sprachen aus Angst vor einer „F-Diagnose“ (Diagnose einer psychischen Erkrankung) kaum noch ihre Gefühle in Gesprächen mit Ärzt*innen an. Sie fühlten sich missverstanden und betonten, dass ihr größter Wunsch darin bestand, wieder gesund zu werden, in ihren Beruf zurückzukehren und aktiv am Familienleben teilzuhaben.

Mara von Peter fühlte sich in ärztlichen Gesprächen nicht verstanden und beschloss, fortan ihre Gefühle nicht mehr anzusprechen.

Ruth Mahler fühlte sich von ihrem Neurologen als psychosomatisch abgestempelt.

Auch Stella Paul erlebte, dass Ärzt*innen ihrer Ehefrau gegenüber andeuteten, ihre Symptome wären psychologisch bedingt.

Vereinzelt berichteten unsere Interviewpartner*innen, dass sich ihre Sichtweise im Laufe der Zeit veränderte. Während sie anfangs skeptisch gegenüber psychosomatischen Erklärungen waren, erlebten einige später, dass Körper und Seele in ihrem Genesungsprozess auf komplexe Weise zusammenwirkten.

Tobias Egger glaubte nun, dass Körper und Geist zusammenarbeiteten: Das Eine bedingt das Andere. Früher dachte er nicht so.

Die Mehrheit unserer Interviewpartner*innen schilderte, wie schwer es ihnen fiel, ihre körperlichen Beschwerden gegenüber Ärzt*innen und anderen Menschen verständlich zu machen. Sie empfanden dies als besonders schwierig, da ihre Symptome unsichtbar und äußerlich nicht erkennbar waren (mehr dazu: hier). Viele berichteten, dass sich ihre Symptome nach Arztbesuchen, Untersuchungen oder sozialen Interaktionen häufig verschlimmerten. Sie kamen nach Hause und erlebten einen plötzlichen Zusammenbruch, fühlten sich „gecrashed“.

Helen Struch erzählte, dass sie ihr Befinden ihrer Ärztin gegenüber nicht gut vermitteln konnte und nicht krank aussah.

Unsere Interviewpartner*innen äußerten oft ihre Frustration über die fehlende Unterstützung und die Unsicherheit, die sie bei ihren Ärzt*innen erlebten. Viele wünschten sich daher, dass ihre Ärzt*innen eine zusätzliche Schulung oder Fortbildung zum Thema Long-/Post-COVID absolvieren würden (mehr unter Botschaften an das Gesundheitswesen & Ärzt*innen).

Anna Schwenke-Korac riet Ärzt*innen, Fort-und Weiterbildungen zu Long-COVID zu besuchen und Long-COVID-Betroffene ernst zu nehmen.