Gespräche mit Ärzt*innen
Die Interaktionen und Gespräche mit ihren Hausärzt*innen sowie anderen Fachärzt*innen beschäftigte unserer Interviewpartner*innen nachhaltig.
In den Erzählungen unserer Interviewpartner*innen spielten die Hausärzt*innen eine zentrale Rolle in ihrer Gesundheitsversorgung. Die meisten Interviewpartner*innen waren zufrieden mit der Begleitung durch ihre Ärzt*innen, wenn diese aktiv zuhörten, sie bei der Diagnose und Behandlung unterstützten und sogar bei sozialrechtlichen Anliegen Hilfestellung leisteten.
Viele Interviewpartner*innen schilderten, dass ihre Hausärzt*innen sowie andere behandelnde Ärzt*innen angesichts der vielseitigen Symptome überfordert waren. Dies motivierte unsere Interviewpartner*innen, selbst Wissen und Informationen beizutragen (mehr dazu: hier). Einige erlebten dabei Ärzt*innen, die offen für den Austausch waren und von den Erfahrungen unserer Interviewpartner*innen lernen wollten. Diese Form der Zusammenarbeit wurde von den meisten als positiv empfunden, da sie Wertschätzung und Anerkennung erfuhren. Andere wiederum erzählten von wenig offenen und eher abweisenden Gesprächen mit Ärzt*innen. Wenn unsere Interviewpartner*innen das Gefühl hatten, bei ihren Ärzt*innen weniger Verständnis zu erfahren oder keine Fortschritte zu machen, zogen sie in Erwägung, den Arzt oder die Ärztin zu wechseln.
Theresa von Gollberg beriet mittlerweile Ärzt*innen auch beim Aufbau von Long-COVID-Praxen.
Martin Krause zog in Erwägung, seinen Hausarzt zu wechseln, da er dort nicht weiterkam.
Julia Unruh fühlte sich von ihrem Hausarzt nicht ernst genommen und wechselte den Hausarzt.
Felicitas Welter fand einen neuen Hausarzt, mit dem sie gemeinsam nach COVID-Ambulanzen suchte.
Während der langen Arzt- und Untersuchungsodyssee erzählte die Mehrheit unserer Interviewpartner*innen, dass ihnen häufig von Ärzt*innen geraten wurde, Geduld zu haben und abzuwarten, bis sich ihre Symptome von selbst besserten. Für viele war dies jedoch schwer zu akzeptieren, da sie sich nichts sehnlicher wünschten, als schnell zu genesen und wieder wie früher an ihrem gewohnten persönlichen sowie beruflichen Leben teilhaben zu können.
Der Hausarzt von Karl Metz sagte ihm, dass er Geduld haben sollte.
Unsere Interviewpartner*innen empfanden es als besonders frustrierend, wenn Hausärzt*innen oder Fachärzt*innen ihre Symptome auf psychologische oder psychosomatische Ursachen zurückführten. Sie hatten das Gefühl, dass ihre körperlichen Beschwerden nicht ernst genommen wurden und sprachen aus Angst vor einer „F-Diagnose“ (Diagnose einer psychischen Erkrankung) kaum noch ihre Gefühle in Gesprächen mit Ärzt*innen an. Sie fühlten sich missverstanden und betonten, dass ihr größter Wunsch darin bestand, wieder gesund zu werden, in ihren Beruf zurückzukehren und aktiv am Familienleben teilzuhaben.
Ruth Mahler fühlte sich von ihrem Neurologen als psychosomatisch abgestempelt.
Vereinzelt berichteten unsere Interviewpartner*innen, dass sich ihre Sichtweise im Laufe der Zeit veränderte. Während sie anfangs skeptisch gegenüber psychosomatischen Erklärungen waren, erlebten einige später, dass Körper und Seele in ihrem Genesungsprozess auf komplexe Weise zusammenwirkten.
Die Mehrheit unserer Interviewpartner*innen schilderte, wie schwer es ihnen fiel, ihre körperlichen Beschwerden gegenüber Ärzt*innen und anderen Menschen verständlich zu machen. Sie empfanden dies als besonders schwierig, da ihre Symptome unsichtbar und äußerlich nicht erkennbar waren (mehr dazu: hier). Viele berichteten, dass sich ihre Symptome nach Arztbesuchen, Untersuchungen oder sozialen Interaktionen häufig verschlimmerten. Sie kamen nach Hause und erlebten einen plötzlichen Zusammenbruch, fühlten sich „gecrashed“.
Unsere Interviewpartner*innen äußerten oft ihre Frustration über die fehlende Unterstützung und die Unsicherheit, die sie bei ihren Ärzt*innen erlebten. Viele wünschten sich daher, dass ihre Ärzt*innen eine zusätzliche Schulung oder Fortbildung zum Thema Long-/Post-COVID absolvieren würden (mehr unter Botschaften an das Gesundheitswesen & Ärzt*innen).