Gründe für (k)eine Reha

Bis zum Jahr 2024, dem Zeitpunkt der letzten Interviews in diesem Erfahrungsbereich, gab es in Deutschland noch keine standardisierte Therapie für Long-/Post-COVID. Die Behandlung erfolgte daher überwiegend in Form von Rehabilitationsmaßnahmen und symptomorientierten Maßnahmen.

Viele unserer Interviewpartner*innen berichteten, dass ihnen aufgrund der langanhaltenden Symptome oft weder die Rückkehr in den Beruf noch die Teilnahme am familiären Alltag wie vor ihrer SARS-CoV-2-Infektion möglich war (Mehr dazu: hier). Ihr größtes Anliegen war daher, sich gesundheitlich zu stabilisieren und wieder zu Kräften zu kommen, um ihren privaten und beruflichen Alltag wieder selbstständig bewältigen zu können.

Unsere Interviewpartner*innen wünschten sich schnelle und gezielte Hilfe zur Linderung sowie Besserung ihrer langanhaltenden Symptome und wollten nicht länger hören, dass sie Geduld haben und abwarten müssten. Deshalb standen die meisten von ihnen einer Rehamaßnahme sehr offen gegenüber. Sie hofften, dass ihre Beschwerden dort durch verschiedene Anwendungen gelindert werden könnten und dass sie Wege kennenlernen würden, um besser mit den Symptomen im Alltag umzugehen. Zudem erwarteten sie, fernab ihres alltäglichen Umfelds etwas Ruhe und Erholung zu finden.

Felicitas Welter stoß selber an, eine Reha zu machen, um aus dem Alltagsstress herauszukommen und etwas Ruhe zu bekommen. 

Martin Krause beschrieb die Wichtigkeit und Dringlichkeit eine Rehamöglichkeit in Anspruch zu nehmen, zum einen um wieder arbeiten zu können und zum anderen um nicht mehr hören zu müssen „Warten Sie mal ab“.

Einige Interviewpartner*innen berichteten, dass die Inanspruchnahme einer Rehamaßnahme auch als Signal an das soziale Umfeld wahrgenommen werden könnte. Da ihre Erkrankung oft auch im sozialen Umfeld nicht gesehen oder ernst genommen wurde, sahen sie die Reha als Möglichkeit, ihrem Umfeld zu zeigen, dass sie tatsächlich krank waren.

Marion Klausmann sah in der Möglichkeit der Rehabilitation eine Chance, ihrem Arbeitsumfeld zu zeigen, dass es ihr nicht gut ging, auch wenn sie nach außen oft einen anderen Eindruck vermittelte. 

Einige berichteten, dass sie von ihrer Krankenkasse zur Teilnahme an einer Rehabilitationsmaßnahme aufgefordert wurden, verbunden mit der Ankündigung, andernfalls das Krankengeld zu streichen. Viele fühlten sich dadurch unter Druck gesetzt, was ihre ohnehin belastete Verfassung weiter verschlechterte.

Melanie Tietz erzählte, dass ihre Krankenversicherung sie zu einer Reha-Maßnahme aufforderte.

Andere Interviewpartner*innen fühlten sich zu schwach für eine Reha, lehnten diese während der COVID-19-Pandemie aufgrund der geltenden Schutzmaßnahmen und Einschränkungen ab und/oder hatten von negativen Erfahrungen in nicht auf Long-/Post-COVID spezialisierten Rehabilitationseinrichtungen gehört. Letztere zögerten, eine solche Rehabilitation in Anspruch zu nehmen oder entschieden sich dagegen. Einige entwickelten ihr eigenes Rehabilitationstrainingsprogramm zu Hause.

Da Viktor Amsel keine mobile Rehabilitationsmöglichkeit fand, entwickelte er mit viel Geduld und Disziplin sein eigenes Trainingsprogramm.

Stella Paul war anfangs aufgrund negativer Erfahrungen anderer Betroffener sehr skeptisch gegenüber einer Reha-Maßnahme und stellte den Reha-Antrag erst, als sie dazu aufgefordert wurde.

Mara von Peter entschied sich aufgrund negativer Erfahrungen anderer Betroffener gegen eine Reha und absolvierte stattdessen eine „selbstverschriebene“ Reha in einem Kloster, das sie sehr schätzte. 

Einige Interviewpartner*innen erzählten, dass sie aufgrund anderer Krankheitsfälle in der Familie zunächst keine Reha absolvieren konnten. Die Pflege ihrer Angehörigen stand für sie an erster Stelle.

Die Mutter von Sina Steltner erkrankte schwer, weshalb sie sich zunächst entschied, auf eine Reha für sich zu verzichten, um sich um die Pflege ihrer Mutter zu kümmern.