Die Erfahrungen von Theresa von Gollberg
Zum Zeitpunkt des Interviews im August 2023 war Theresa von Gollberg 45 Jahre alt und lebte mit ihrem Ehemann und ihren zwei Kindern in einem Haus in einer Großstadt. Im Jahr 2017 wurde bei ihr Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Erschöpfungssyndrom (ME/CFS) diagnostiziert, was durch eine Infektion im Jahr 2005 ausgelöst wurde. Vor ihrer ersten COVID-Infektion im April 2022 hatte sie sich dreifach mit dem COVID-Schutzimpfstoff impfen lassen. Nach der Impfung entwickelte sie einen Tremor, und ihr Gesundheitszustand verschlechterte sich nach der COVID-Erkrankung noch weiter. Im März 2023 infizierte sie sich erneut mit Covid-19. Theresa von Gollberg hatte Erwerbsminderungsrente beantragt.
Das Leben von Theresa von Gollberg veränderte sich im Jahr 2005 durch eine Infektionserkrankung unbekannter Ursache. Vorher war sie eine Triathletin, danach war sie kaum noch leistungsfähig. Sie durchlief einen zwölfjährigen Ärztemarathon, fühlte sich oft nicht ernstgenommen und erhielt schließlich 2017 die Diagnose Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Erschöpfungssyndrom (ME/CFS). Trotz dieser Diagnose wurden ihre Anträge auf Schwerbehinderten- und Rentenstatus abgelehnt, da ME/CFS noch nicht anerkannt war. Seit ihrer Diagnose hatte sie intensiv im Internet über ihre Erkrankung recherchiert und verschiedene Therapien ausprobiert, darunter auch Blutwäschen, die sie selbst bezahlen musste, da diese Therapieform noch nicht von den Krankenkassen anerkannt wird.
Durch die COVID-19-Pandemie änderte sich ihre Situation schlagartig, da plötzlich von ME/CFS und Long-Covid die Rede war. Theresa von Gollberg stand der COVID-Impfung zunächst skeptisch gegenüber, da sie bereits negative Erfahrungen mit anderen Impfstoffen gemacht hatte. Aus Angst vor dem Virus und zum Schutz ihrer Kinder entschied sie sich dennoch für die Impfung im Jahr 2021. Nach der ersten COVID-Impfung entwickelte sie einen Tremor, der mehrere Wochen anhielt und ihre Konzentrationsfähigkeit beeinträchtigte. Auch nach der zweiten Impfung und einer Auffrischungsimpfung verschlechterte sich ihr Gesundheitszustand, so dass sie nicht mehr in der Lage war, einfache Alltagsaufgaben zu bewältigen. Im April 2022 bemerkte sie, dass sich ihr Zustand weiter verschlechterte. Sie ließ sofort einen PCR-Test auf das Coronavirus SARS-CoV-2 durchführen, der positiv ausfiel. Während der akuten Krankheitsphase lag sie zehn Tage lang in einem abgedunkelten Raum und konnte auch nicht sprechen. Ihre Familie machte sich große Sorgen. Mit Hilfe verschiedener Nahrungsergänzungsmittel konnte sie sich relativ gut stabilisieren. Es dauerte drei bis vier Monate, bis sie sich etwas erholt hatte und wieder auf ihrem Ausgangsniveau war.
In diesen Monaten wandte sich Theresa von Gollberg an den Sozialverband, der ihr empfahl, auf der Grundlage eines möglichen Long-Covid-Status sechs Monate nach der Erstinfektion erneut Anträge auf Rente und Pflegegeld zu stellen. Alle notwendigen Untersuchungen, wie z.B. die Long-Covid-Diagnose, bezahlte sie selbst. Sie meldete sich bei zahlreichen Long-Covid-Ambulanzen in Deutschland an und erhielt erst nach 24 Anfragen einen Termin, der jedoch keinerlei Unterstützung oder Hilfe brachte. Auch die Diagnostik bei einem empfohlenen Angiologen mit Long-Covid-Spezialambulanz finanzierte Theresa von Gollberg selbst. Das Ergebnis: Sie hatte irreparable Gefäßschäden, die seit 18 Jahren bestanden und zu einer venösen Sauerstoffsättigung von nur noch 30 Prozent führten.
Theresa von Gollberg entwickelte ihre eigenen Strategien, um mit der Krankheit umzugehen. Sie versuchte, das Pacing anzuwenden, begann morgens mit Ölziehen, ernährte sich von nur wenigen Nahrungsmitteln (z.B. Brokkoli, Blumenkohl, Mandeln, Öle, Schafskäse) und praktizierte Eis- und Kältetherapie. Doch spätestens nach der zweiten Infektion mit dem Coronavirus im Jahr 2023 verschlechterte sich ihr Zustand zunehmend. Als hilfreich empfand sie auch die Blutwäsche, die sie nach ihren beiden COVID-Infektionen ebenfalls durchführte. Da diese Therapie aber noch nicht von den Krankenkassen anerkannt war, bezahlte sie die Blutwäschen selbst. Die finanzielle Belastung durch die selbstfinanzierten Blutwäschen und andere Therapien, wie die Druckkammertherapie, war für sie enorm.
Theresa von Gollberg engagierte sich bundesweit in der Beratung von Ärzt*innen bei der Diagnosestellung und in der politischen Arbeit, um auf die Krankheit aufmerksam zu machen. Aus der Selbsthilfe hatte sie sich weitgehend zurückgezogen, begleitete aber immer noch Kinder, die von ME/CFS betroffen waren. Theresa von Gollberg schwankte in ihren Gedanken zwischen Verzweiflung und Hoffnung. Es gab Zeiten, in denen sie Suizidgedanken hatte und sich sogar mit dem Thema Sterbehilfe beschäftigte. In diesen Zeiten half ihr vor allem die Begleitung ihrer Psychotherapeutin. [Wenn Sie selbst depressiv sind, wenn sie Suizid-Gedanken plagen, dann kontaktieren Sie bitte die Telefonseelsorge im Internet oder über die kostenlose Hotlines 0800/111 0 111 oder 0800/111 0 222 oder 116 123. Die Deutsche Depressionshilfe ist in der Woche tagsüber unter 0800 / 33 44 533 zu erreichen.]
Zum Zeitpunkt des Interviews im August 2023 erlebte sie täglich Symptome, die ihr einfache Dinge wie das Frühstücken mit ihren Kindern erschwerten und sie schnell erschöpfen ließen. Sie empfand es als enttäuschend, dass sie in Deutschland seit 18 Jahren unbehandelt war und sich oft nicht ernst genommen fühlte. Sie hoffte auf Fortschritte in der Post-Covid- und ME/CFS-Forschung, um ihre Situation zu verbessern. Durch die COVID-Pandemie und den Austausch mit anderen Betroffenen fühlte sie sich weniger allein, sprach offen über ihre Situation und engagierte sich weiterhin stark für die Aufklärung. Einige Ärzt*innen, die sie vorher nicht ernst genommen hatten, entschuldigten sich bei ihr und interessierten sich für ihre Bewältigungsstrategien, da sie selbst Kinder mit ähnlichen Problemen haben. Dies gab ihr ein Gefühl der Erleichterung und Bestätigung, dass ihre jahrelangen Bemühungen und ihr Durchhaltevermögen nicht umsonst waren. Sie beriet auch bereits Ärzt*innen bei der Diagnose von ME/CFS und dem Aufbau von Post-Covid-Praxen.