Die Erfahrungen von Melanie Tietz
Zum Zeitpunkt des Interviews im August 2023 war Melanie Tietz 49 Jahre alt und lebte in einem kleinen Haus auf dem Grundstück ihres Lebenspartners. Vor ihrer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 im Februar 2022 war sie bereits zweifach gegen Covid-19 geimpft. In der akuten Phase erlebte sie Symptome wie Fieber, Halsschmerzen und eine Bronchitis, erholte sich jedoch nicht vollständig. Kurz darauf fühlte sie sich stark erschöpft und kraftlos, und dieser Zustand hielt an. Nach ein paar Monaten erhielt sie die Diagnose Long-Covid und Myalgische Enzephalomyelitis / Chronisches Fatigue-Syndrom (ME/CFS).
Nachdem im Februar 2022 der Freund von Melanie Tietz positiv auf das Coronavirus SARS-CoV-2 getestet wurde, vermutete sie bereits eine Ansteckung, da sie erste Erkältungssymptome wie Husten zeigte. Ein durchgeführter Antigen-Schnelltest und ein PCR-Test in einem Testzentrum ergaben jeweils ein positives Ergebnis. Gemäß den damals geltenden Schutzmaßnahmen isolierte sich Melanie Tietz zusammen mit ihrem Freund für insgesamt drei Wochen in dessen Haus. Eine Woche davon isolierten sie sich aus eigener Entscheidung, um andere vor einer möglichen Infektion zu schützen. Während dieser Zeit versorgte die Familie ihres Freundes sie mit Lebensmitteln. Melanie Tietz litt unter Fieber, Halsschmerzen und einer Bronchitis. Melanie Tietz und ihr Freund unterstützten sich gegenseitig und schliefen viel, um ihre Genesung zu fördern. Nach etwa zwei Wochen besserten sich die Symptome, lediglich der Husten hielt etwas länger an.
Nach ein paar Wochen erlebte Melanie Tietz plötzlich eine starke Energie- und Kraftlosigkeit. Seitdem verbrachte sie viel Zeit zuhause und ruhte sich aus. Zusätzlich traten Kopfschmerzen, geschwollene Lymphknoten, Augenentzündungen auf, und der Husten hielt weiterhin an. Zu diesem Zeitpunkt war Melanie Tietz bereits bewusst, dass sie von Long-Covid betroffen war. Online fand Melanie Tietz eine Ärztin, die auf Long-Covid spezialisiert war. Bei ihr bekam sie die Diagnose Long-Covid und es wurde ein Blutbild gemacht, das den Verdacht auf eine Thrombose ergab. Mit diesem Verdacht begab sich Melanie Tietz selbstständig in die Notaufnahme. Ohne auffällige Ergebnisse wurde sie nach Hause entlassen.
Melanie Tietz begann, sich intensiv mit „Long Covid“ auseinanderzusetzen. Auf Empfehlung eines Privatarztes erhielt sie für zwei Wochen Blutgerinnungshemmer, die etwas Linderung verschafften. Über LinkedIn vernetzte sie sich mit Wissenschaftler*innen, die auf Long-/Post-Covid spezialisiert waren und besuchte deren Tagungen online. Die gewonnenen Informationen unterstützten sie bei der Auseinandersetzung mit verschiedenen Behandlungsmethoden, wie z.B. der Stärkung ihrer Darmflora.
Nach drei Monaten verschlechterten sich die Symptome von Melanie Tietz. Sie bekam Durchfall, starke Kopfschmerzen und konnte kaum noch das Haus verlassen. Bei einer Post-Covid-Ambulanz bekam sie keinen zeitnahen Termin. Melanie Tietz suchte zunächst eine neue Hausarztpraxis, da sie bei ihrer Ärztin davor nicht weiterkam. In der neuen Hausarztpraxis stellte eine junge, engagierte Ärztin anhand eines umfassenden Blutbildes fest, dass die D-Dimere, ein Marker für Blutgerinnungsstörungen, erhöht waren. Auf Melanie Tietz' Wunsch verschrieb ihr die Ärztin Blutgerinnungshemmer, die ihre Energie erhöhten und sowohl Schmerzen als auch Kopfschmerzen linderten.
Im August 2022 erhielt Melanie Tietz schließlich einen Termin in der Post-Covid-Ambulanz. Dort wurden bei ihr Post-Covid und ME/CFS diagnostiziert. Bei der Untersuchung wurde ein Bell 30 Wert festgestellt, der eine hohe Krankheitslast und Funktionsbeeinträchtigung darstellt sowie auf eine moderate Form von ME/CFS hinwies.
Im Februar 2023 musste Melanie Tietz aufgrund eines Augeninfarkts und eingeschränkter Sehfähigkeit ins Krankenhaus. Die unzureichende Berücksichtigung ihrer ME/CFS führte zu Überanstrengung. Nach diesem Krankenhausaufenthalt wandte sich Melanie Tietz mithilfe von Meditation und antientzündlicher Kost aktiv ihrer Genesung zu. Von ihrer Ärztin bekam sie eine monatliche Migränebehandlung, die ihre Schmerzen erheblich reduzierten und ihren gesamten Gesundheitszustand verbesserten. Melanie Tietz begann, sich bewusst Zeit für Meditation zu nehmen und Pausen in ihren Alltag einzubauen. Anfangs fiel es ihr schwer, das Konzept des Pacings umzusetzen, da sie in Pausen bisher, z. B. in Form von Lesen oder Fernsehen, aktiv war. Durch das vollständige Abschalten und Meditieren konnte sie ihren Körper und Geist beruhigen und erlebt eine gewisse Stabilität.
Bis Anfang August 2023 erhielt Melanie Tietz Krankengeld. Ihre Krankenversicherung hatte sie aufgefordert, eine Reha zu beginnen. Melanie hatte jedoch Bedenken, in ihrem geschwächten Zustand eine Reha anzutreten und hatte zugleich Sorge, ob sie diese meiden darf und welche Auswirkungen dies hätte.
Zum Zeitpunkt des Interviews, etwa 1,5 Jahre nach ihrer Covid-Infektion wies Melanie Tietz einen Bell-Wert von 50 auf. Sie setzte sich aktiv für Verbesserungen in der Gesundheitsversorgung von Post-Covid- Betroffenen ein. Durch ihr Engagement fühlte sie sich gestärkt und wertgeschätzt.