Die Erfahrungen von Malte Steinser

Portrait Malte Steinser war zum Zeitpunkt des Interviews im Mai 2024 32 Jahre alt und lebte mit seinen Eltern in einem Haus. Vor seiner Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 im Juli 2022 war er zweifach geimpft. Er erlebte Erkältungssymptome und große Erschöpfung sowie Kraftlosigkeit. Im Januar 2023 erhielt er die Diagnose Post-COVID in einer Post-COVID-Ambulanz. Darüber hinaus wurde bei ihm ein Posturales Tachykardie-Syndrom (POTS), Neuropathie sowie eine endotheliale Dysfunktion diagnostiziert.

Malte Steinser ließ sich im Jahr 2021 zweifach mit dem COVID-Impfstoff impfen. Im Juli 2022 bemerkte er bei einem Besuch bei seinen Eltern erste Erkältungssymptome und dachte sich zunächst nichts dabei. Plötzlich bekam er Fieber und fühlte sich sehr schwach. Ein Antigen-Schnelltest sowie ein später durchgeführter PCR-Test fielen positiv aus. Malte Steinser begab sich gemäß den damals geltenden Schutzmaßnahmen in Isolation. Er isolierte sich in seinem Zimmer und trug eine FFP2-Maske, wenn er in die Küche oder ins Wohnzimmer ging. Seine Eltern steckten sich in dieser Zeit nicht an. Zunächst fühlte es sich für ihn wie eine schwere Erkältung an, doch nach drei bis vier Tagen verließ ihn seine Kraft vollständig. Aufstehen, Zähneputzen oder Toilettengänge waren wegen seiner Erschöpfung kaum möglich. Er dachte, dass diese Erschöpfung und Kraftlosigkeit durch die COVID-19-Erkrankung verursacht wurde und bald verschwinden würde. Etwa drei Wochen verbrachte Malte Steinser größtenteils im Bett.

Nach dieser Zeit ging es ihm langsam besser. Beim Spazierengehen fiel ihm zwar auf, dass er schneller außer Atem geriet, doch er dachte, er könne in sein vorheriges Leben zurückkehren. Bei der Arbeit stellte er jedoch fest, dass er Konzentrationsstörungen hatte und ihm Begriffe nicht mehr einfielen. Besonders belastend war für Malte Steinser, dass er, zweisprachig aufgewachsen, diese Sprachen nicht mehr fließend sprechen konnte. Nach etwa sechs Wochen versuchte er, ins Fitnessstudio zurückzukehren, bemerkte jedoch, dass seine Kraft nicht ausreichte. Zwei bis drei Monate später fühlte er sich weiterhin energielos und konnte nur noch halbtags arbeiten. Sein Zustand verschlechterte sich weiter, er litt unter kognitiven Trübung (Brainfog) und hatte Schwierigkeiten beim Gehen. Er schlief zwischen 12 bis 16 Stunden am Tag. Dabei musste Malte Steinser auch sein Fenster abdunkeln, weil ihn das Sonnenlicht störte.

Während dieser Zeit suchte Malte Steinser häufiger seinen Hausarzt auf, der zunächst dachte, es handelte sich um eine längere Erkältung, und ihn immer nur für kurze Zeit krankschrieb. Jeder Arztbesuch kostete ihn seine gesamte Energie. Da sein Hausarzt wenig Verständnis für seine Situation zeigte, wechselte er innerhalb der Praxis zu einer Hausärztin. Malte Steinser konsultierte verschiedene Fachärzt*innen – Kardiolog*innen, Strahlentherapeut*innen, Pneumolog*innen. Beim Kardiologen, der selbst von Long-COVID betroffen war, fühlte er sich gut aufgehoben und verstanden. Dort wurden Mikroentzündungen festgestellt, die aber nicht weiter behandelt wurden.

Da er von Ärzt*innen kaum Rat erhielt, entschied sich Malte Steinser im Januar 2023 für eine ambulante private Reha. Dort wurde ihm ein Personaltrainer zugeteilt, der ein aktivierendes Training empfahl. Nach dem dritten Training erlebte Malte Steinser jedoch einen Zusammenbruch bzw. Crash und wurde bettlägerig. Sein Gesundheitszustand verschlechterte sich seit dieser privaten Reha deutlich. Er litt unter Konzentrationsstörungen und Brainfog, war zwei bis drei Monate fast vollständig ans Bett gefesselt. In dieser Zeit unterstützten und pflegten ihn seine Eltern intensiv.

Im Februar 2023 erhielt Malte Steinser einen Termin in der Long-COVID-Ambulanz.  Dort wurde ein einfacher Demenztest durchgeführt, und es wurde versucht, Blut abzunehmen, was aufgrund eines zu geringen Blutflusses scheiterte. Er erhielt dort die Diagnose Long-COVID, was für ihn positiv war, da er nun endlich eine klare Diagnose hatte.

Zwei Wochen später erlitt Malte Steinser erneut einen Zusammenbruch und kontaktierte eine neurologische Long-COVID-Ambulanz. Dort wurde ihm geraten, durchzuhalten, da außer einer Lumbalpunktion nicht viel unternommen werden könne, insbesondere da er bereits bei der infektiologischen Ambulanz gewesen war.

In der Zwischenzeit hatte Malte Steinsers Hausärztin selbst einen Fall von Long COVID im privaten Umfeld erlebt, was dazu führte, dass sie ihn nun monatlich krankschrieb. Er leitete ihr wissenschaftliche Artikel weiter, die ihr Verständnis für Long COVID vertieften und zu einem Umdenken und einer stärkeren Unterstützung führten. Als bei ihm der Verdacht auf eine Thrombose aufkam, verschrieb sie ihm für einige Zeit Spritzen mit Blutgerinnungshemmern. Dies führte zu einer Verbesserung seines Denkvermögens und seiner Ausdauer.

Im weiteren Verlauf seiner Erkrankung wurde Malte Steinser noch mit POTS, einer endothelialen Dysfunktion und mit einer Neuropathie diagnostiziert.

Anfangs waren Pacing und das Herausfinden seiner Grenzen für Malte Steinser besonders wichtig in der Bewältigung seiner Erkrankung. Er lernte mit der Zeit, seine Grenzen langsam steigern. Er bekam auch noch zusätzlich Blutverdünner, wodurch seine Symptome sich besserten. Ebenso durch das nächtliche Tragen von Thrombosestrümpfen fühlte er sich erholter. Im Januar/ Februar 2024 war Malte Steinser kürzlich in einer Reha, die nicht nur auf Long-Covid ausgerichtet war. Obwohl das Personal auf Long-COVID spezialisiert war, kommunizierte er seine Grenzen klar, um nicht zu crashen. Er bestand auf ein Einzelzimmer, nahm nicht an der Morgen-Jogging-Runde teil und setzte klare Grenzen bei den Arbeitstherapien. Malte Steiner lernte dort, seine Energiegrenzen besser zu erkennen, und profitierte von einer COVID-spezifischen Veranstaltung sowie der Erholung durch den Tapetenwechsel.

 Im Mai 2024 zum Zeitpunkt des Interviews, fast zwei Jahre nach seiner akuten Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2, begann Malte Steinser wieder regelmäßig ins Fitnessstudio zu gehen. Drei Wochen vor dem Interview suchte er einen Neurologen und Psychiater auf, der ihm ein antipsychotisches Medikament verschrieb. Dieses Medikament hat seine Reizsensibilität deutlich verringert. Seitdem kann er wieder viereinhalb Stunden pro Tag arbeiten, was für ihn ein bedeutender Fortschritt ist.