Die Erfahrungen von Lena Eichner

Portrait Zum Zeitpunkt des Interviews im Juni 2024 war Lena Eichner 38 Jahre alt und lebte mit ihren Kindern in einem Haus. Bevor sie sich im Januar 2022 mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infizierte, war sie dreimal mit dem Impfstoff COVID geimpft worden. Während ihrer akuten Erkrankung litt sie unter verschiedenen Symptomen wie Kopfschmerzen, Müdigkeit, Schwindel und Nesselsucht. Viele dieser Symptome hielten bis zum Zeitpunkt des Interviews im Juni 2024 an. Während einer Reha-Maßnahme erhielt sie die Diagnose Long-COVID.

Im Januar 2022 erkrankte zuerst die Tochter von Lena Eichner. Als Lena selbst Halsschmerzen und Fieber bekam, machte sie einen Antigen-Schnelltest, der positiv war. Noch am selben Tag ließ sie in einem nahen gelegenen Testzentrum einen PCR-Test durchführen, der ebenfalls positiv war. Insgesamt war sie drei Wochen lang positiv. Am nächsten Tag entwickelte Lena Eichner hohes Fieber von ca. 41 Grad, das etwa eine Woche anhielt und dann langsam zurückging. In dieser Zeit war sie extrem müde und erschöpft, schlief in den ersten zwei Wochen viel und ruhte sich aus. Sie litt auch unter Halsschmerzen, die etwa drei Wochen anhielten, und entwickelte weitere Symptome wie Kopfschmerzen, Atemnot bei Belastung, Bradykardien (langsamer Herzschlag), Tachykardien (schneller Herzschlag) bei Belastung, Drehschwindel, Nesselsucht und Geschmacksveränderungen. Die Tachykardien beunruhigten sie, weshalb sie ihren Hausarzt anrief. Dieser erklärte ihr, dass ihr Körper Zeit brauchte, um sich zu erholen, und dass sie abwarten sollte. Wenn es nicht besser werde, müsse sie ins Krankenhaus. Als sie einige Tage später unter Atemnot litt, verordnete ihr Hausarzt, sie ins Krankenhaus zu bringen, um eine mögliche Embolie auszuschließen. In der Notfallambulanz in einem nahegelegenen Krankenhaus stellten die Sanitäter fest, dass ihre Vitalwerte weitgehend stabil waren, aber ihr Puls schwankte, von niedrigem Ruhepuls zu stark erhöht bei Belastung. Im Krankenhaus verbrachte sie eine lange Zeit in der Notaufnahme, bevor sie zur Computertomographie (CT) gebracht wurde. Nach der Untersuchung stieg Lenas Herzfrequenz plötzlich auf 210 Schläge pro Minute, was ihr große Angst machte, da ihr normaler Puls zwischen 50 und 60 lag. Die Ärzt*innen gaben ihr sofort Medikamente. Am fünften Tag des Krankenhausaufenthalts äußerte ein Kardiologe den Verdacht auf eine Herzbeutelentzündung. Da weitere Untersuchungen erst später möglich gewesen wären und sie bald einen Termin bei ihrer Kardiologin hatte, empfahl er ihr, nach Hause zu gehen. Zu Hause ging es ihr langsam besser. Eine Woche später nach der medizinischen Behandlung wurde beim Kardiologen keine Herzbeutelentzündung mehr festgestellt.

Nach etwa fünf Wochen konnte Lena Eichner zum ersten Mal im Garten ein paar Schritte gehen, was sie sehr erschöpfte. Während der körperlichen Erholung bemerkte sie erhebliche Gedächtnisprobleme - sie vergaß oft alltägliche Dinge und war so erschöpft, dass sie sich überall ausruhen musste, sogar auf dem Küchenboden. In einem Gespräch mit ihrem Chef, dem sie von ihrem Wunsch erzählte, trotz ihrer gesundheitlichen Probleme wieder arbeiten zu wollen, wurde ihr klar, dass sie noch nicht bereit für eine Rückkehr war. Ihr Chef und ihre Familie rieten ihr, noch etwas zu warten. Lena Eichner erlebte außerdem folgende anhaltende Symptome: Gedächtnis- und Konzentrationsprobleme, Geräuschempfindlichkeit, Wortfindungsstörungen, tägliche Kopfschmerzen, Schwindel und Koordinationsstörungen. Einfache alltägliche Verrichtungen wurden zu besonderen Herausforderungen, wie z.B. Kochen oder Duschen.

Im April 2022 begann Lena Eichner eine Rehabilitationsmaßnahme, bei der die Diagnose Long-COVID gestellt wurde. Ihr wurde dort empfohlen, ihre Symptome neurologisch abklären zu lassen. Während der Reha stellte sie fest, dass ihr Kalorienbedarf ungewöhnlich hoch war (3000 bis 5000 Kalorien pro Tag), obwohl sie keinen Sport treiben konnte. Sie benötigte vor allem Zucker wie Traubenzucker und Schokolade, um ihre kognitive Leistung zu unterstützen. Lena Eichner stellte ihre Ernährung auf eiweißreiche Lebensmittel wie Haferflocken um, um ihren Blutzuckerspiegel stabil zu halten, fühlte sich aber weiterhin körperlich und geistig erschöpft und benötigte nach wie vor Zucker.

Im Dezember 2022 wurde Lena Eichner in eine psychosomatische Klinik eingewiesen. Die Ärzt*innen vor Ort führten umfassende neurologische Untersuchungen durch, entdeckten jedoch nur eine unspezifische Verschattung der Halswirbelsäule, die möglicherweise auf eine Myelitis hindeuten könnte, aber nicht mehr nachgewiesen werden konnte. Sie erhielt auch ein Antidepressivum. Dies half ihr, mit den Geräuschen besser zurechtzukommen, obwohl es die Müdigkeit und den Schwindel kurzfristig verschlimmerte. Die Klinik unterstützte sie auch beim Antrag auf Schwerbehinderung, den sie beim Sozialverband VDK stellte und schließlich einen Grad der Behinderung von 30 Prozent erhielt.

Vor ihrem Aufenthalt in der psychosomatischen Klinik hatte Lena bereits eine zweite Reha beantragt, gegen deren Ablehnung sie Widerspruch einlegen musste. Die Reha begann im Mai 2023. Hier fühlte sie sich ernst genommen. Die Ärztin bestätigte Lenas realistische Einschätzung und erläuterte, dass die Prognosen bei Long-COVID oft unsicher seien. Sie riet Lena Eichner, mit den Fatigue-Symptomen umgehen zu lernen und zeigte sich zuversichtlich, dass Lena aufgrund ihrer Stärke einen Weg finden würde, mit den Symptomen zu leben. Diese ehrliche Einschätzung half ihr sehr. Tests in der Reha bestätigten Funktionsstörungen im Gehirn. Eine Psychologin bestätigte schließlich Lenas Entscheidung, eine Erwerbsminderungsrente zu beantragen, da ihre Symptome und Defizite klar erkennbar waren. Dies war für sie eine besondere Erleichterung, da sie sich nun auf ihre Genesung konzentrieren konnte, ohne sich um regelmäßige Arztbesuche und Krankschreibungen kümmern zu müssen. Während der Reha lernte sie auch eine nützliche Atemübung, die ihr heute beim Treppensteigen und Bergaufgehen hilft.

Zum Zeitpunkt des Interviews hatte Lena Eichner immer noch täglich Symptome, aber sie hatte gelernt, wie wichtig es war, auf ihr Pacing zu achten und besser auf ihren Körper zu hören. Sie hatte verstanden, dass der Sport, der ihr früher gut getan hatte, negative Auswirkungen hatte und dass sie besser auf ihre körperlichen Bedürfnisse achten musste. Trotz der Herausforderungen blieb Lena optimistisch und lernte, ihren Körper besser zu verstehen und auf seine Bedürfnisse zu reagieren. Der Austausch mit anderen Betroffenen war ebenfalls eine große Hilfe bei der Bewältigung der Krankheit.