Ergänzende Unterstützung: Kreativ- und Körpertherapie, Ernährungsberatung, Wohngruppe
Viele unserer Interviewpartnerinnen lernten neben der ambulanten oder stationären Psychotherapie noch andere Therapieformen kennen. Dazu gehören Ernährungsberatung, die Arbeit mit Essplänen, Ergotherapie, Kunsttherapie und verschiedene Körpertherapien (z. B. Yoga, Atemarbeit, Achtsamkeit, Körperpsychotherapie oder auch die therapeutische Arbeit mit Tieren). Auch eine gesetzliche Betreuung kann durch die Unterstützung bei der Lebensbewältigung therapeutisch wirksam werden, selbst wenn sie nicht in erster Linie therapeutisch gedacht ist. Zum Teil überschneiden sich die Inhalte der unterschiedlichen Therapien: In einer Körperpsychotherapie kann eine intensive Atemarbeit oder Yogaübungen integriert sein, in der Ergotherapie können kunsttherapeutische Anteile eingebaut sein. Eine ambulante Ernährungsberaterin kann mit Essplänen arbeiten, muss aber nicht. Aus diesem Grund stellen wir diese verschiedenen Formen der zusätzlichen Unterstützung gemeinsam vor. Sie stellen nur einen Ausschnitt an möglichen Unterstützungsangeboten dar.
Körpertherapien
Manche unserer Interviewpartnerinnen berichten, dass ihnen Körpertherapie guttat. Hier wird nicht nur mit Hilfe von Gesprächen analysiert, sondern der Körper mit Haltung, Atmung und Bewegung einbezogen. Gerade die Möglichkeit, nicht nur über die Dinge zu reden, sondern aktiv zu werden und den eigenen Körper zu spüren, wird als hilfreich beschrieben. Die Betroffenen erzählen, wie sie sich dadurch mit ihrem Körper auseinandersetzten und ihn (wieder) kennen und schätzen lernten.
Manche berichten, dass Atemarbeit oder Yoga sie sehr unterstützen. Auch Bewegung und Sport werden als hilfreich beschrieben. Manche fanden es toll, in der Reha oder Kur wandern zu können. Eine Erzählerin schildert, dass ihr das Bewegen im Wasser guttat, weil sie dabei ihr Körpergewicht nicht spürte und es dadurch keine Rolle mehr spielte. Manche erzählen aber auch, dass Sport zu bestimmten Zeiten hilfreich ist, dann aber „kippen“ kann und die Erkrankung eher verschlimmert. Für Einzelne war es schwierig, sich überhaupt auf die Körpertherapie einzulassen. Heike Papst beschreibt, dass es für sie „ein Unding“ war, in der Körpertherapie zu Partnerarbeit angehalten zu werden, wo sie sich dem anderen anvertrauen sollte.
Kreative Therapien
In der Kunsttherapie und anderen kreativen Therapien konnten unsere Erzählerinnen die Erfahrung machen, dass nicht alles perfekt sein muss. Sie berichten, wie gut es ihnen tat, kreativ zu sein, selbst etwas zu erschaffen und vielleicht sogar verborgene Talente zu entdecken. Dadurch zeigten sich auch neue Möglichkeiten, die vorher noch nicht sichtbar waren. Carina Wintergarten erzählt, dass sie zu malen begann und inzwischen sogar Auftragsarbeiten macht. Für manche war es zunächst schwierig, sich diese guten Gefühle zu gönnen, weil sie dachten, sie verdienten es nicht. Die Therapie half, sich selbst Schönes zu erlauben und gleichzeitig gelassener zu sein, wenn etwas getan werden musste, das nicht so angenehm ist. Manche berichten allerdings auch, wie sie in den Therapien zwar lernten, was ihnen helfen würde, dass sie das aber noch nicht umsetzen können.
Ernährungsberatung und Essenspläne
Viele unserer Interviewpartnerinnen berichten, dass sie durch ihre Erkrankung unsicher mit dem Essen wurden und das Gefühl für „richtige“ Mengen verloren. Manche holten sich Hilfe bei einer Ernährungsberatung und haben gute Erfahrungen damit gemacht. Sie beschreiben die klaren Vorgaben als hilfreich oder erkannten dadurch, dass sich etwas ändern muss. Einzelne schildern allerdings auch belastende Erfahrungen mit einer Ernährungsberaterin; sie erzählen von Vorhaltungen oder hatten einfach das Gefühl, das bringt ihnen nichts.
Ein wichtiges Thema für viele Betroffene sind Esspläne. Manche haben sich zwar noch nie einen Essplan gemacht und schätzen das auch nicht als hilfreich für sich ein. Sie berichten, dass andere Dinge mehr halfen oder sie irgendwann auch lernten, wieviel sie ungefähr essen müssen. Viele unserer Interviewpartnerinnen berichten aber auch, dass sie Esspläne zumindest für eine Zeit als sehr hilfreich empfanden, weil sie das Gefühl für das Essen verloren hatten und die klaren Vorgaben durch den Essplan ihnen Orientierung und Sicherheit gaben. Manche haben den Essensplan in der Klinik erhalten, andere haben ihn mit einer ambulanten Ernährungsberaterin erarbeitet oder sich informiert und ihn selbst erstellt.
Der Umgang mit den Essplänen wird sehr unterschiedlich beschrieben. Manche unserer Erzählerinnen berichten, dass sie sich sehr streng an den Plan gehalten haben und nervös wurden, wenn sie nicht genau wussten, ob sie die Mengen und Zeiten genau eingehalten hatten. Dabei wurde der Essplan unter Umständen gleichzeitig als Stütze und Belastung empfunden. Andere beschreiben einen freieren Umgang mit den Vorgaben. Als besonders angenehm wird es beschrieben, wenn bei der Gestaltung des Essplans auf individuelle Vorlieben und Wünsche eingegangen wurde.
Betreuung und betreutes Wohnen
Bei manchen Betroffenen entwickelte sich die Erkrankung so, dass sie für eine Weile in ein betreutes Wohnprojekt einzogen oder eine gesetzliche Betreuung brauchten. Carina Wintergarten erzählt, dass sie sehr froh war, als sie die Unterstützung durch eine Betreuerin bekam. Mit der Zeit veränderten sich ihre Bedürfnisse und sie kann die Betreuung langsam wieder abbauen. Therapeutische Wohngruppen bieten mehr Freiraum als der Klinikalltag, erhalten jedoch eine gewisse Struktur zur Unterstützung. Es gibt ein therapeutisches Team, das eng zusammenarbeitet. Lena Huber lebt inzwischen fast zwei Jahre in einer therapeutischen Wohngruppe und berichtet von ihren Erfahrungen.