Die Erfahrungen von Tanja Zillich

Portrait Tanja Zillich ist zum Zeitpunkt des Interviews 48 Jahre alt, verheiratet und hat zwei Kinder. Bis zu ihrem Klinikaufenthalt schränkte sie ihr Essen zwei Jahre stark ein, danach war das Thema Essen noch 10 Jahre lang schwierig. Ein Wendepunkt war für sie ihre Schwangerschaft, weil dann ihre Rolle als Mutter im Vordergrund stand. Seit acht Jahren ist die Essstörung für sie kein Thema mehr.

Tanja Zillich erzählt, dass ihr schwierige Situationen schon immer auf den Magen geschlagen haben. Als sie 26 Jahre alt war, reagierte sie auf eine Trauerphase damit, immer weniger zu essen. Anfänglich empfand sie es als Befreiung, mit dem Nicht-Essen beschäftigt zu sein, der Verzicht gab ihr das Gefühl, berauscht zu sein und keine Angriffsfläche mehr zu bieten. Schnell wurde es jedoch immer schlimmer: Bald drehten sich ihre Gedanken nur noch ums Essen. Tanja Zillich begann, ihr Essen zu wiegen, sich mit Kalorien zu beschäftigen, immer mehr Sport zu machen. Schließlich hatte sie regelrecht Angst vor dem Essen.

An den Wochenenden hatte Tanja Zillich manchmal Fressattacken, bei denen sie kiloweise Brot aß, was zu Selbsthass und Selbstzweifel führte. Von Freunden und Familie kapselte sie sich immer mehr ab. Körperlich war sie bald so geschwächt, dass sie ihre Arbeit nicht mehr ausüben konnte. Schließlich beschloss sie auf Anraten ihres Hausarztes, eine Psychosomatische Klinik aufzusuchen.

Tanja Zillich war acht Monate in der Klinik. Der Aufenthalt war für sie davon geprägt, dass sie zunehmen sollte, bevor eine Behandlung begonnen wurde und es dadurch ständig um Wiegen und Essen ging. Tanja Zillich fühlte sich „wie eine gestopfte Gans“. Sie beschreibt, dass sich sowohl Zunehmen als auch Abnehmen furchtbar anfühlte. Positiv war für sie die Möglichkeit, von der Klinik aus immer mal wieder für ein paar Tage nach Hause gehen zu können, um zu testen, wie gut das Leben in Selbstständigkeit schon funktionierte.

Nach der Klinik zog Tanja Zillich in eine WG. Es gelang ihr, ihre alte Arbeitsstelle wiederaufzunehmen und sogar bis zur Vollzeit zu erhöhen. Sie begann, ab und zu ihr Essen zu erbrechen. Dieses „kontrollierte Kotzen“ erlebte sie als notwendigen Schritt zur Besserung.

Tanja Zillich erzählt, dass mit ihrer Schwangerschaft 10 Jahre später, die Fressattacken schlagartig aufhörten und sie wieder normal essen konnte. Ihr Kind gab ihr das Gefühl, jetzt für jemanden Verantwortung zu haben. Gegenüber dieser Aufgabe erschienen ihr die Probleme mit dem Essen plötzlich klein und unwichtig. Zuzunehmen fiel ihr durch die Schwangerschaft ebenfalls leichter. Heute ist die Essstörung in ihrem Leben kein Thema mehr, auch wenn sie weiterhin ein diszipliniertes Essverhalten hat. Sie hat ihren Frieden damit gefunden und hat in ihrem Leben wieder mehr Platz für andere Dinge.

Das Interview wurde im Frühjahr 2016 geführt.

 

Alle Interviewausschnitte von Tanja Zillich

Tanja Zillich sagt, dass es viel Kraft, Zeit und Stütze bedarf, bis man die Magersucht nicht mehr braucht.

Tanja Zillich hat der drohende Rauswurf aus der Klinik bei Nichterreichen der Gewichtsvereinbarung letztlich geholfen.

Tanja Zillich ließ in der Klinik regelmäßig „aus Versehen“ ihr Toast verbrennen, um es nicht essen zu müssen.

Der Arzt von Tanja Zillich sagte ihr irgendwann, dass es so nicht weiter geht.

Tanja Zillich fand es wichtig, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen, aber genauso wichtig waren ihr Menschen, die nichts mit der Essstörung zu tun hatten.

Tanja Zillich erzählt, dass sie manchmal an typische Sätze ihrer Therapeutin denkt, die ihr helfen.

Tanja Zillich erzählt, dass es in der Klinik erstmal ums Zunehmen ging und sie nicht wusste: Will ich meine Erkrankung überhaupt aufgeben?

Tanja Zillich hielt sich sehr streng an ihren Essensplan.

Tanja Zillich erzählt, wie schrecklich sich der Kreislauf von Fressen und Hungern anfühlte.

Tanja Zillich beschreibt, dass sie sich der Essstörung völlig ausgeliefert fühlte.

Tanja Zillich erzählt, wie sich immer alles in ihrem Kopf um das Essen drehte und es unmöglich war, sich auf anderes zu konzentrieren.

Tanja Zillich fällt es schwer, aufwändig zu kochen. Zum Glück sind ihre Kinder nicht wählerisch und sie hat Unterstützung aus der Familie.

Bei Tanja Zillich hörte mit der ersten Schwangerschaft das Erbrechen auf. Die Hauptsache war nun, Mama zu sein.

Tanja Zillich erzählt, dass die Schwangerschaft mit dem ersten Kind für sie alles veränderte und sie seitdem wieder normal essen kann.

Tanja Zillich glaubt, dass sie die Erkrankung auch brauchte, um mit ihrer Vergangenheit klarzukommen.