Die Erfahrungen von Helene Weber

Portrait Helene Weber ist zum Zeitpunkt des Interviews 25 Jahre alt, sie studiert und lebt in einer Wohngemeinschaft. Ihre Essstörung begann in ihrer frühen Jugend mit der Idee, Süßigkeiten zu fasten, was sich schnell ausweitete. Als sie so untergewichtig war, dass sie Angst hatte zu sterben, beschloss sie selbst, wieder zuzunehmen. Inzwischen ist sie normalgewichtig und wünscht sich, das Thema Essstörung ganz hinter sich zu lassen.

Für Helene Weber begann die Essstörung damit, dass sie mit zwei Freundinnen beschloss, auf Süßigkeiten zu verzichten. Sie war sich nicht sicher, ob sie zu dick war, und es verunsicherte sie, dass ihre Mutter ihr auf diese Frage keine klare Antwort gab. Sie begann, sich viel mit Nahrung und Kalorien zu beschäftigen, weniger zu essen und mehr Sport zu machen, woraufhin sie bis zum massiven Untergewicht abnahm. Im Nachhinein denkt sie, dass sie sich damit von schwierigen Beziehungen mit der Familie und Freunden ablenkte und sich gleichzeitig einen ganz eigenen Bereich im Leben schaffte, den sie nur für sich hatte.

Helene Weber sieht eine Ursache ihrer Essstörung in der Beziehung zu ihren Eltern. Heute ist ihr klar, dass sie nie gelernt hat, was in Bezug auf Essen "normal" ist, da ihre Mutter selbst eine Essstörung hatte und auch weiterhin sehr kontrolliert isst. Sie erzählt, dass ihr Vater an einer schweren psychischen Erkrankung leidet und sie sich von ihm in ihrer Kindheit und Jugend sehr eingeschränkt und kontrolliert fühlte. Eine Zeitlang gab ihr der Verzicht auf Essen ein Gefühl von Freiheit. Sie fühlte sich unabhängig vom Essen und damit von der Welt, vor allen Dingen auch von den Eltern.

Helene Weber beschreibt, dass das Hungern ihr ein Hochgefühl verschaffte, sie jedoch auch sehr einschränkte und einsam machte. Sie ging nicht mehr mit Freunden essen oder zu Kochabenden, wollte keinen Freund, da sie die Erkrankung nicht hätte verbergen können. Sie litt an den körperlichen Folgen des Untergewichts, vermied es jedoch, zu Ärzten zu gehen, um nicht auf die Erkrankung angesprochen zu werden.

Helene Weber erzählt, wie anstrengend es ist, wenn das ganze Leben nach der Essstörung ausgerichtet ist. Manchmal hat sie das Gefühl, dass die Essstörung ein Teil von ihr geworden ist. Sie findet es paradox, als emanzipierte und feministische Frau eine Krankheit zu haben, mit der sie sich einem gesellschaftlichen Schönheitsideal von Dünn-Sein unterwirft. Für sie ist der zentrale Punkt, an dem die Essstörung sich festmacht, das Selbstwertgefühl.

Als Helene Weber sehr stark im Untergewicht war, bekam sie Angst, dass sie sterben könnte. Sie beschloss selbst, wieder zuzunehmen. Sie wünscht sich, nicht mehr über Essen nachzudenken und vor allen Dingen ohne schlechtes Gewissen essen zu können. Dazu gehört für sie, mit ihrem Leben zufrieden zu sein, egal wieviel sie wiegt.

Das Interview wurde im Winter 2015 geführt.

 

Alle Interviewausschnitte von Helene Weber

Helene Weber hätte sich gewünscht, dass Ihre Eltern auch eigene Fehler eingestehen.

Helene Weber erzählt, dass das Abnehmen schleichend begann und sie dann nicht mehr aufhören konnte.

Helene Weber findet es schwierig, vor Freunden einzugestehen, dass sie als emanzipierte und feministische Frau eine Essstörung hat.

Helene Weber sieht Offenheit mit der Essstörung als Weg, Abstand von ihr zu gewinnen.

Bei Helene Weber wurde die Essstörung zum Lebensinhalt.

Helene Weber litt stark an Kältegefühl, Erschöpfung und anderen Folgen der Erkrankung, verdrängte ihre Angst aber.

Helene Weber sagt, dass sie es vermied, zum Arzt zu gehen, weil sie sich nicht anhören wollte, dass sie so wenig wiegt.

Helene Weber verbindet Dick-sein mit negativen Eigenschaften.

Helene Weber fand die Psychoanalyse nicht hilfreich, weil der Therapeut eigentlich gar nichts sagte.

Helene Weber erzählt, dass das Hungern ihr einen „Kick“ verschaffte und ihr ein Gefühl von Freiheit und Selbstbestimmung gab.

Helene Weber hat Schulausfahrten nie weggelassen, aber sie bedeuteten großen Stress für sie.

Helene Weber erzählt, dass beim Zusammensein mit Anderen Essen fast immer eine Rolle spielt.

Helene Weber war gerne alleine.

Helene Weber möchte keine Familie gründen, wenn sie weiterhin Probleme mit dem Essen hat.

Helene Weber glaubt nicht, dass Castingshows und Werbung einen so großen Einfluss auf sie hatten.

Helene Weber hatte lange Zeit die Hoffnung, das Problem würde von selbst wieder verschwinden.