Die Erfahrungen von Clara Fischer

Portrait Clara Fischer ist 35 Jahre alt und arbeitet als Lehrerin. Seit ihrem elften Lebensjahr hat sie eine Essstörung, inzwischen sieht sie die Symptome als Hinweise auf zugrundeliegende Belastungen. Yoga, Gartenarbeit und Spaziergänge schaffen für sie einen Ausgleich. Clara Fischer ist froh über ihre langjährige Psychotherapie. Sie ist geschieden und lebt mit ihren Katzen in einer Wohnung, die sie sich selbst ausgebaut hat.

Clara Fischer schildert, dass ihre Kindheit von schwierigen und traumatischen Erlebnissen geprägt war. Sie bringt den Beginn ihrer Essstörung auch damit zusammen, dass sie als Kind von ihrer Schwester als „dick“ gehänselt wurde, obwohl sie nie übergewichtig war. Sie begann weniger und nur spezielle Sachen zu essen, wodurch sie stark abnahm. Als sie mit etwa 14 Jahren von zuhause weglief und zeitweise auf der Straße lebte, nahm sie sehr viel zu. In den nächsten Jahren nahm sie abwechselnd zu und wieder ab, nach ihrem zwanzigsten Lebensjahr begann sie mit Erbrechen.

Für Clara Fischer gab es auch stabile Jahre, zum Beispiel als sie als Mechanikerin körperlich hart arbeitete. Auch in ihrem jetzigen Beruf als Lehrerin sind Gedanken über das Essen kein Thema, da sie beim Unterrichten die Kapazitäten dafür gar nicht hat. Schlimmer wurden das Erbrechen und der Drang, das Essen zu kontrollieren, in schwierigen und unsicheren Lebensphasen.

Clara Fischer erzählt, dass sie viel über ihre Erkrankung reflektiert– auch im Rahmen einer langjährigen ambulanten Psychotherapie. Sie beschreibt ihre Essstörung als etwas, das ihr gleichzeitig Halt gibt und sie einschränkt. Das Erbrechen ist für sie eine Möglichkeit, Stress abzubauen. Sie findet es wichtig, sich dafür nicht zu verurteilen, da es dadurch nur schlimmer wird. Auch wenn Clara Fischer so gelernt hat, den Ess-Brech-Attacken gelassener gegenüber zu stehen, empfindet sie diese als bleibenden wunden Punkt. In akuten Momenten erscheint sie ihr als Monster, das gefüttert werden will. Manchmal helfen ihr Strategien wie Yoga oder Gartenarbeit, Spazieren gehen und in ihren Körper fühlen, um dem nicht nachzugeben. Für Clara Fischer ist es wichtig, sich nicht auf die Krankheit zu reduzieren. Sie merkt immer wieder, dass sie Zeit für sich selbst braucht, in der sie spüren kann, was eigentlich los ist. Ihre Essstörung sieht sie auch als Symptom, das eigentlich auf andere Probleme hinweist.

Heute erbricht Clara Fischer noch zwei- bis dreimal im Monat, wenn sie sich instabil fühlt, häufig in Zusammenhang mit ihrer Periode. Sie findet es belastend, dass die Essstörung sie von anderen isoliert, da sie manchmal so sehr „im eigenen Film“ ist. Gleichzeitig hat sich vieles verbessert. Früher hatte sie große Probleme, in Gesellschaft zu essen, inzwischen findet sie es schön, andere zum Essen einzuladen oder bekocht zu werden. Sie genießt es, im Sommer Obst und Gemüse aus ihrem Garten zuzubereiten.

Das Interview wurde im Frühjahr 2016 geführt.

 

Alle Interviewausschnitte von Clara Fischer

Clara Fischer findet es wichtig, genauer hinzuschauen, wofür die Essstörung ein Symptom ist.

Clara Fischer sieht eine Essstörung als Symptom für zwischenmenschliche Schieflagen und rät, das Leid dahinter zu sehen.

Clara Fischer beschreibt, dass die Heimlichkeit der Essstörung sie verletzlich macht und sozial isoliert.

Clara Fischer wollte ihre Probleme mit dem Essen lange als „Marotte“ sehen und wusste gleichzeitig, dass es mehr ist als das.

Für Clara Fischer war die Anorexie eine Möglichkeit zur Kontrolle und die Bulimie ein Kontrollverlust.

Clara Fischer hilft es, dass ihr Hausarzt sie auch mal krankschreibt, wenn sie ihren Stress nicht mehr gut regulieren kann.

Clara Fischer erzählt, wie unterschiedlich sie ihr Spiegelbild erlebt.

Clara Fischer erzählt, dass ihr die Therapeutin hilft, die Auslöser für ihr Erbrechen kennenzulernen, ohne sich dafür zu verurteilen.

Clara Fischer braucht im Alltag Zeit für sich, damit es ihr gut geht.

Clara Fischer erzählt, dass sie bei der Arbeit nicht ans Essen denkt, da die Arbeit allen Raum einnimmt.

Für Clara Fischer sind zu viele Abweichungen von ihrem „Standard-Essen“ verunsichernd.

Wenn sie sich stabil fühlt, kann sich Clara Fischer auch Ausnahmen erlauben.

Clara Fischer erzählt, dass es nicht leicht ist, sich anfassen zu lassen, wenn man sicht nicht wohl fühlt im eigenen Körper.

Clara Fischer hat Techniken, die ihr manchmal helfen, der Essstörung nicht nachzugeben.

Clara Fischer tut es gut, sich mit Rückfällen nicht noch zusätzlich unter Druck zu setzen.

Clara Fischer betont, dass es Ursachen und Gründe für die Essstörung gibt, für die sie nichts konnte.

Clara Fischer erinnert sich, wie sie sich selbst hasste, wenn sie zu viel gegessen hatte.

Clara Fischer geriet durch die Essanfälle finanziell unter Druck.