Die Erfahrungen von Brigitte Meyer
Brigitte Meyer ist 56 Jahre alt und lebt mit ihrem Partner zusammen. Mit 13 Jahren begann sie eine strenge Diät, die schnell in regelmäßigen Ess-Brech-Anfällen mündete. Nach verschiedenen Klinikaufenthalten fand sie in der Selbsthilfegruppe Overeaters Anonymous (OA) Unterstützung. Seit einigen Jahren lebt Brigitte Meyer ohne Ess-Brech-Anfälle. Aufgrund der Folgen ihrer Erkrankung ist sie mit 50% berentet und arbeitet nicht mehr.
Obwohl sie schlank war, begann Brigitte Meyer mit 13 Jahren nach einer Diät aus einer Zeitschrift zu essen, um ihren Bauch „weg“ zu bekommen. Sie schränkte das Essen zunehmend ein, bis es ihr wegen ihres niedrigen Gewichts körperlich sehr schlecht ging. Schließlich begann sie, viel auf einmal zu essen und hinterher zu erbrechen, was schnell zu einem starken Drang wurde. Als sie 17 Jahre alt war, diagnostizierte der Hausarzt eine Essstörung. Bei verschiedenen Klinikaufenthalten fühlte sie sich mit ihren Problemen allein gelassen, insbesondere da niemand gezielt mit ihr über eine Essensstruktur sprach. Sie erlebte, dass die Ärzte vor allem ihrer Mutter die Schuld gaben und sie selbst ausschließlich als Opfer darstellten, was sie als „Freibrief“ empfand. Sie beschreibt, wie sich ihr ganzes Leben nur noch um Einkaufen, Essen, Erbrechen und „Spuren beseitigen“ drehte.
Obwohl sich in dieser Zeit alles aussichtslos anfühlte, schaffte Brigitte Meyer eine Ausbildung zur Familienpflegerin. Mit 25 kam sie mit der Selbsthilfegruppe Overeaters Anonymous (OA) in Kontakt und fand im Austausch mit anderen Betroffenen eine entscheidende Stütze. Für Brigitte Meyer ist die Essstörung eine Sucht wie Alkoholabhängigkeit. Über zehn Jahre lang ging sie zu den OAs und begann, ihr Essverhalten auf „abstinent“ umzustellen, was für sie bedeutet, mit dem Kreislauf von „Fressen und Kotzen“ aufzuhören.
Brigitte Meyer empfand klar geregelte Mahlzeiten sowie die Rückmeldungen und Ermutigungen der anderen Gruppenmitglieder als große Hilfe. Den Kontakt zu der Selbsthilfegruppe erhielt sie aufrecht, auch als sie nicht mehr zu den Treffen ging. Als unterstützend empfand Brigitte Meyer außerdem ihren Psychotherapeuten, der ihr das Gefühl gab, in Ordnung zu sein.
Als Spätfolge des ständigen Erbrechens floss bei ihr regelmäßig Magensäure zurück in die Speiseröhre, weswegen eine Operation am Mageneingang notwendig wurde. Der Zahnschmelz war durch das Erbrechen kaputt, was dazu führte, dass Frau Meyer sich alle Zähne ziehen ließ. Ihre Periode blieb jahrelang aus. Aufgrund der vielen Spätfolgen ist sie mit 50 Prozent berentet.
Heute verspürt Brigitte Meyer wieder Hunger- und Sättigungsgefühle. Es bleibt für sie dennoch wichtig, Essen gut zu planen. Was „normal“ ist, findet sie weiterhin schwierig zu entscheiden, und sie isst in der Regel nur wenige und ganz bestimmte, vertraute Lebensmittel. Der letzte Ess-Brech-Anfall liegt inzwischen Jahre zurück. Seit zwei Jahren engagiert sie sich wieder in der Selbsthilfegruppe OA, um ihre Erfahrungen weiterzugeben.
Das Interview wurde im Frühjahr 2016 geführt.
Alle Interviewausschnitte von Brigitte Meyer
Brigitte Meyer sagt, dass die Essstörung für sie ein peinliches Thema ist.
Brigitte Meyer waren die Folgeschäden in den akuten Zeiten der Erkrankung eigentlich egal.
Brigitte Meyer hatte jahrelang Angst vor Ärzten und allen, die etwas mit Psychologie zu tun hatten.
Brigitte Meyer machte ganz verschiedene Erfahrungen mit Ärzten.
Brigitte Meyer probierte das Konzept der „Overeaters Anonymus“ (OA) aus und bekam dort viel Hilfe.
Brigitte Meyer erzählt, dass ihr Essen trotz der Ernährungsberatung sehr eintönig ist.
Brigitte Meyer erzählt, dass Essen bei ihr für alle möglichen Gefühle stand.
Brigitte Meyer möchte sich darauf einstellen können, wenn sie etwas anderes isst als normalerweise.
Brigitte Meyer erzählte ihren Freunden nichts von ihrer Essstörung.
Brigitte Meyer erzählt, dass sie Schritt für Schritt besser mit dem Essen klarkam.