Medikamente und Nebenwirkungen
Die wichtigste Behandlungsform für epileptische Anfälle ist die Behandlung mit antiepileptischen Medikamenten, sogenannten Antiepileptika. In vielen Fällen greift das erste oder zweite Medikament und führt zu einer deutlichen Verbesserung oder sogar Anfallsfreiheit. In anderen Fällen treten Nebenwirkungen auf oder es tritt nicht die erwünschte Wirkung ein, so dass weitere Medikamente ausprobiert werden müssen, bis eine optimale Einstellung gefunden wurde. (siehe dazu: Infos & Links, IZE). Bei einigen Menschen mit Epilepsie wirken die Medikamente auch nach mehreren Umstellungen nicht ausreichend (siehe auch Thementext: „Medikamentenresistenz und Grenzen der Medizin“), es müssen mehrere Wirkstoffe kombiniert werden, um wenigstens eine Verbesserung zu erreichen.
Neben der medikamentösen Behandlung hat sich in den letzten Jahrzehnten die Epilepsiechirurgie als eine weitere Behandlungsmöglichkeit für bestimmte Arten von Epilepsie weiterentwickelt (siehe dazu: Thementext „Erfahrungen mit dem Thema Operation“).
Unsere Erzähler berichten von sehr unterschiedlichen Erfahrungen mit Antiepileptika. Zu Beginn der Behandlung war das Einnehmen von Medikamenten für viele neu und ungewohnt und einige hatten mit Nebenwirkungen zu kämpfen.
Die Suche nach dem „richtigen“ Medikament, das möglichst gut gegen die Anfälle wirkt aber mit wenig Nebenwirkungen verbunden ist, dauerte bei manchen Erzählern sehr lange. Da jede Person anders auf Medikamente reagiert, bleibt oft nichts anderes, als eins nach dem anderen auszuprobieren.
Diese Umstellungsphasen erlebten viele als eine anstrengende Zeit, da viele Antiepileptika nur sehr langsam eindosiert und abgesetzt werden können und während dieser Zeit vermehrt Nebenwirkungen auftreten können. Einige Interviewpartner berichten auch, dass ihre Anfälle sich in dieser Zeit veränderten und für sie damit unberechenbar wurden. Die Umstellung wurde bei einigen Erzählern stationär durchgeführt, bei anderen ambulant.
Bianca Scholz erlebte während der Umstellung Veränderungen bei ihren Anfällen.
Alle Antiepileptika können neben ihrer Wirkung gegen die Anfälle auch Nebenwirkungen haben. Unsere Erzähler berichten von verschiedenen unerwünschten Effekten, die sie unter bestimmten Wirkstoffen erlebten. Häufig wurden genannt: Müdigkeit, Gewichtsveränderungen, Zittern, Gleichgewichtsprobleme, Sehstörungen, Übelkeit, Hautprobleme, Wortfindungsprobleme, Stimmungsveränderungen. Einige haben das Glück, kaum oder gar nicht unter Nebenwirkungen zu leiden, andere berichten, dass sie leider immer sehr stark mit Nebenwirkungen auf die Medikamente reagierten.
Martin Krüger hat schon einige Nebenwirkungen erlebt, momentan ist es besser.
Alexandra Ludwig verträgt ihre Medikamente glücklicherweise ohne Nebenwirkungen.
Die Interviewpartner berichten, dass die meisten dieser Nebenwirkungen wieder abklangen, sobald sie das Medikament absetzten oder in einer niedrigeren Dosis einnahmen. Bei einigen gewöhnte sich der Körper auch nach einiger Zeit daran und die Symptome verschwanden. Einige Erzähler berichten jedoch auch von Nebenwirkungen, die langfristige Veränderungen im Körper bewirkten, wie z.B. Zahnfleischveränderungen, die dann zahnmedizinisch behandelt wurden. So erzählt Dagmar Schuster, dass sie sehr genau auf ihren Körper achtet, weil sie weiß, dass ihre Medikamente auf Dauer zu Gelenkversteifungen führen können. Bisher sind jedoch keine gravierenden Veränderungen aufgetreten.
Besondere Schwierigkeiten können auftreten, wenn Betroffene noch weitere Erkrankungen haben, gegen die sie Medikamente nehmen müssen und es zu Wechselwirkungen kommt. Auch in der Schwangerschaft oder bei Kinderwunsch gibt es besondere Fragen zu beachten (siehe dazu Kinderwunsch und Vererbung und Schwangerschaft, Geburt und Kinder).
Einige Interviewpartner berichten auch, dass die Medikamente ihre Stimmung oder ihre Leistungsfähigkeit beeinträchtigten oder veränderten. So schildern manche kognitive Auswirkungen wie Wortfindungsprobleme, Konzentration- oder Gedächtnisprobleme, die nicht immer leicht abzugrenzen sind von Auswirkungen der Anfälle. Einige Erzähler schildern auch, wie sie besonders als Kind merkten, dass sie durch die Medikamente in ihrem Verhalten anders waren als früher. Sie erzählen, dass sie sehr verunsichert waren, ob die Veränderungen durch die Medikamente entstanden waren, oder ob sie selbst sich verändert hatten und z.B. ruhiger oder langsamer geworden waren. (siehe hierzu auch „Kindheit und Schule“).
Julia Brandt fragt sich manchmal, wie sie wohl ohne Medikamente wäre.
Bettina Reinhard findet es schwer zu sagen, woher ihr Gefühl eines Leistungsabfalls kommt.
Viele Interviewpartner erzählen, dass sie abwägen, welche Nebenwirkungen sie in Kauf nehmen, um eine Anfallsverbesserung oder Anfallsfreiheit zu erhalten.
Nicole Winter nahm eine Zeit lang eine Gewichtszunahme in Kauf, weil sie anfallsfrei war.
Tobias König prüft für sich, welche Nebenwirkungen er aushalten kann.
Für Cornelia Schmitt ist die Lebensqualität wichtiger als die Anzahl der Anfälle.
Unsere Interviewpartner schildern auch, wie sie mit ihren Ärzten die Behandlung gemeinsam steuern. (siehe auch „Erfahrungen mit Ärzten“). Nicht immer ist es ganz einfach, sich über die Ziele zu verständigen. Einige hatten das Gefühl, gerade mit den Nebenwirkungen nicht ganz ernst genommen zu werden, andere fühlten sich gut einbezogen in die Entscheidungen.
Sarah Schneider wünscht sich, dass die Ärzte auch untypische Nebenwirkungen ernstnehmen.
Viele fanden nach einiger Zeit ein Medikament oder eine Kombination, mit der sie zufrieden waren. Manche unserer Erzähler mußten sich jedoch auch damit zurecht finden, dass sie eine sogenannte „pharmakoresistente“ Epilepsie haben und die Medikamente bei ihnen nicht ausreichend gegen die Anfälle wirken (siehe dazu „ Medikamentenresistenz und Grenzen der Medizin“).
Unsere Erzähler berichten, dass es anfangs eine Umstellung war, sich an das Einnehmen von Medikamenten zu gewöhnen. Sie mußten sich im Alltag gut organisieren, um eine regelmäßige Einnahme zu gewährleisten. Hierzu schildern die Interviewpartner viele praktische Tipps, die ihnen helfen, an die Medikamente zu denken, wie z.B. eine Dosierhilfe für die ganze Woche zu richten, das Handy zu programmieren, Tabletten immer unterwegs als Ersatz mitführen.
Anja Bauer hat sich eine spezielle Uhr besorgt, um die Medikamente nicht mehr zu vergessen.
Einige Interviewpartner beschreiben, dass sie auch einige Zeit brauchten, um überzeugt zu sein, dass sie die Medikamente wirklich brauchen und sie ihnen helfen. Bei manchen Erzählern begannen die Anfälle schon während der Kindheit: Hierzu berichten einige, dass sie besonders während der Pubertät eine Phase hatten, in der sie sich möglichst wenig mit der Krankheit beschäftigen wollten und auch die Medikamenteneinnahme nicht sehr ernst nahmen (siehe hierzu auch „Kindheit und Schule“).
Annegret Berger hat ihre Tabletten erst mal weggeworfen, als sie erfuhr, dass sie Epilepsie hat.
Nicole Winter dachte in ihrer Jugend, sie braucht keine Tabletten mehr.
Ein Sonderfall der medikamentösen Behandlung ist die Behandlung mit homoöpathischen Medikamenten. Bei diesen fehlt bisher der wissenschaftliche Nachweis einer Wirksamkeit. Einige unserer Interviewpartner berichten, dass sie andere Erkrankungen homöopathisch behandeln, wollen aber bei der Behandlung der Epilepsie nicht etwas ausprobieren, bei dem sie sich über die Wirkung nicht sicher sind, da zu viel auf dem Spiel steht. Einige berichten, bei allgemeinen Infekten gerne auf Homöopathie zurückzugreifen, aber nicht bei der Epilepsie.
Katharina Sommer findet es bei Epilepsie heikel, auf die Schulmedizin zu verzichten.