Erfahrungen mit Ärzten
Die Erzähler*innen erlebten im Lauf ihrer Erkrankung sehr viele und sehr unterschiedliche Ärzte (siehe auch Ambulante und stationäre Behandlung) . Ein wichtiges Thema war, dass die Beziehung zum Arzt vor allem Vertrauen braucht, da man als Patient*in keine andere Wahl hat als sich auf ihn zu verlassen. Viele Interviewpartner*innen berichteten, dass sie vertrauensvolle Beziehungen aufbauen konnten, aber einige fanden das nach schlechten Erfahrungen nicht leicht und hielten es für wichtig, gegebenenfalls den Arzt zu wechseln.
Bettina Reinhard beschreibt, wie wichtig es ist, einen guten Arzt zu haben.
Manche Erzähler*innen berichteten von sehr guten und langjährigen Beziehungen zu Ärzt*innen, die auch an ihrem Schicksal intensiv Anteil nahmen und sich sehr engangierten. Einige Interviewpartner*innen räumten ein, dass man bei dem schwierigen Krankheitsbild Epilepsie von den Ärzt*innen keine Wunder erwarten dürfe, dass sie aber in der Lage sein sollten, ihre Grenzen zu erkennen und gegebenenfalls weiter zu überweisen oder Fehler einzugestehen. Manchmal griffen die Anweisungen und Empfehlungen der Ärzte sehr in die Lebensführung ein, was nicht immer einsichtig oder schwer zu akzeptieren war. Einige Interviewpartner*innen berichteten, dass sie sich über viele Verhaltensregeln hinweg setzten, weil sie jedes normale Leben unmöglich gemacht hätten.
Ob die Interviewpartner*innen ihre Ärzte als vertrauenswürdig und kompetent empfanden, hing meist davon ab, ob sie sich sorgfältig nach den Symptomen, Nebenwirkungen und Verläufen erkundigten, nicht nur Routinefragen stellten und auch bei schlechter Anfallskontrolle nicht aufgaben, nach besseren Behandlungsmöglichkeiten zu suchen oder Spezialkliniken einzubeziehen.
Thomas Kern erlebte, dass im Epilepsiezentrum sehr genau nach seinen Symptomen gefragt wurde.
Viele betonten, dass das Vertrauen in der Beziehung zu den Ärzt*innen nicht nur einseitig sein dürfe und die Ärzte auch zu ihnen Vertrauen haben müssten. Sie rieten daher allen Patient*innen , unbedingt offen ihre Beobachtungen und ihren Umgang mit den Medikamenten mitzuteilen, um eine gute Zusammenarbeit zu ermöglichen. Dies konnte dann dazu führen, dass die Ärzte auch bereit waren, den Patient*innen größere Verantwortung und Spielräume zu überlassen.
Während einige Interviewpartner*innen darüber klagten, dass die Behandlung über ihren Kopf hinweg verlief, berichteten viele, dass sie von ihren Ärzt*innen gute Erklärungen bekamen und in alle Entscheidungen einbezogen wurden. Für viele war das eine Vertrauensvoraussetzung und die Grundlage dafür, sich auf die Maßnahmen und Medikamente einzulassen. Viele fanden es wichtig, sich auch selbst zu informieren und die Ärzte aktiv zu fragen, um ernst genommen zu werden . Einige bereiteten sich sorgfältig auf die Arztbesuche vor, um alle gewünschten Informationen zu bekommen
Christine Becker entschied nur gemeinsam mit den Ärzten, wie weiterbehandelt werden soll.
Matthias Groß war erst bereit, mitzuarbeiten, wenn die Ärzte ihm alles erklärt hatten.
Von großer Bedeutung für die Interviewpartner*innen war es, dass Ärzte nicht nur Anfallsfreiheit zum Ziel hatten, sondern auch die Lebensqualität ihrer Patient*innen unter den Nebenwirkungen im Auge behielten und sich darum kümmerten.
Cornelia Schmitt fand, dass für manche Ärzte nur die Anfallsfreiheit zählt.
Bei den Erklärungen war es von Bedeutung, dass die Ärzte sich auf die Sprache der Laien einlassen konnten und auf Ärztedeutsch verzichteten. Einige Interviewpartner*innen hatten Erfolg damit, die Ärzte immer wieder darauf hinzuweisen, wenn sie etwas nicht verstehen konnten, und zu besseren Erklärungen zu zwingen. Manche beklagten, dass sie gar keine oder nur sehr verspätete Informationen zu ihren Anfällen oder deren Folgen bekommen hatten.
Annegret Berger bekam Jahrzehnte lang nicht erklärt, dass sie eine Epilepsie hatte.