Barbara Haas findet die Unkontrollierbarkeit der Anfälle am belastendsten an der Epilepsie
Was würde Sie sagen, was war das, was Sie am meisten belastet hat?
Die Unbestimmbarkeit und das Gefühl, dass etwas in mir wohnt, was ich wirklich nicht unter Kontrolle habe. Was sich zwar irgendwie kostbar und extrem reichhaltig anfühlt, aber ich hätte das halt gerne auf der Seite, wo ich es benutzen kann. Also, ja der Mangel an Kontrolle darüber. Oder so das Gefühl, auf dünnem Eis von Bewusstsein zu wandeln und drunter ist ein riesiges Meer von Sachen, die jeder Zeit losbrechen können, die also wirkliche Kräfte haben, aber wo ich es halt nicht in der Hand habe. Ich hätte es halt gerne mehr ausgeschöpft, in drei vier Liter Containern und dann benutzt, also irgendwas daraus zu machen in dem Moment.
Also, die einzige Beeinflussung ist, zu versuchen, sofort alles innerlich zu notieren: Was passiert jetzt? interessant und so weiter. Aber eigentlich nicht, während der Anfall ist, der packt zu. Das ist ja das Unheimliche, es ist wirklich die Lenkung, so der Eindruck, da ist schwer was los, aber warum habe ich das nicht in der Hand? Das ist das Ärgerliche auch dabei. Also, dass es so spannend ist, retrospektiv ist es ja total spannend, man erlebt seine Neurologie.
Aber man hat es nicht in der Hand. Das ist so,
wie wenn man bei seiner Beerdigung nicht anwesend sein kann. Das ist sehr blöd
konstruiert sozusagen.
Ja.
Also, das heißt von den Gefühlen her dann auch
wirklich so eine Mischung. So dass Sie sagen, da ist Ärger, es ist unheimlich
und so. Retrospektiv.
Im Moment ist man so befasst, das ist glaube ich wirklich, wie so ein Baby, das im Geburtskanal ist. Es hat ja keine Chance als vorwärts gedrückt zu werden und da passiert wahnsinnig viel, aber man hat- das finde ich das Unheimliche daran, man ist total entmündigt und entmächtigt. Obwohl das so spannend ist, aber man ist da rein gedrückt und hat keine Wahl. Ja
(…)
Hatten Sie dann irgendwann auch mal Angst vor den Anfällen? Also, dass wieder einer kommen könnte?
Ja, immer wieder mal. Ja klar. Aber da zum Beispiel glaube ich wirklich, dass ich gut mit mir gearbeitet habe. Weil genau die Angst vor den Anfällen, das ist ja das, was einen möglicherweise gebückt und geduckt und übervorsichtig macht und was die Vitalität möglicherweise auch abschneidet. Man ist gewissermaßen ein Opfer seiner eigenen Neurologie.
Aber wenn ich mich dann als Opfer betrachte, indem ich die ganze Zeit Angst habe, das ist ja massiv. Also, wenn ich mich da als krank oder als von einem Dämon besessen betrachte, das ist ja fürchterlich. Da traue ich mich ja viele Sachen nicht mehr zu machen. Und da glaube ich, ist genau das, wo ich selber zugegriffen habe, indem ich- Damals habe ich auch viel getanzt und Tai Chi gemacht, wo es ja immer um Energieumwandlung geht und vor allem eben mit der Meditation, um zu schauen, wie gehe ich mit Angst um, wie gehe ich mit verschiedenen Interpretationen um. Also, man hat eine Wahrnehmung und wie interpretiere ich die Wahrnehmung? Und indem ich mir halt immer gesagt habe: In anderen Kulturen wird da nicht so angstvoll mit umgegangen, sondern da werden halt Leute Schamanen.