Holger Schneider hat als junger Mann wenig auf seine Gesundheit geachtet und gern und oft „Party gemacht“. Genauso unbeschwert lebte er auch in den ersten Jahren mit seinem Diabetes.
Ich war sonst immer regelmäßig einmal im Monat hin. Ohrläppchen, einmal Blutzucker. Mein Heft lag da und irgendwann dann so alle viertel Jahr wurde dann ebend eine große Blutuntersuchung gemacht. „Ja, es ist alles in Ordnung.“ Und wenn der Doktor sagt, es ist alles in Ordnung, warum sollst du dich dran halten?
Dann hatten wir also auch eine harte Truppe. Wir machten Party. Wir waren jung, dynamisch, erfolglos und dann haben wir ebend - ich sage mir - wir sahen die Party auf uns zu kommen. Es gab Party. Wir waren acht Jungs, muss ich dazu noch sagen. Alle um die zwanzig Jahre alt, vielleicht auch einer ein Jahr älter, ein Jahr jünger. Wir kannten nur Party am Wochenende. Und die Woche über, wenn man Zeit hatte auch. Ich hatte sowieso immer sehr viel Zeit durch meinen Schichtdienst. Ich machte immer drei Tage Schicht, hatte anderthalb Tage frei. Dann traf man sich ebend abends. Oder wenn ich aus der Tagschicht kam, wir haben so einen alten Bergmann bei uns im Park stehen. Der hieß, laut uns hieß der dann „Hermann“. „Und wo treffen wir uns heute abend?“ 19 Uhr Hermann!“ Und dann machte einer hinten schon mal das Auto auf und es wurde eine Kiste Bier rausgezogen. Obwohl wir mit den Autos da waren und alles so was. Also, man war unvernünftig. „Geh doch noch mal nach Seppel, bestell mal drei halbe Hähnchen.“ Und dann ging das wieder los. Man aß und trank und war glücklich und die Frau meckerte zuhause oder die Freundin meckerte: „Warst du schon wieder auf Achse?“ Aber das war ja uninteressant, die hat ja nichts zu sagen. Man war ja ein Macho. Ich wusste da zu dem Zeitpunkt zwar noch nicht, was ein Macho war, aber das kriegte ich dann später irgendwann beigebracht. Aber wie gesacht, man nahm die Tabletten nicht mehr pünktlich, man ließ „Ach, da liegen ja Tabletten. Nimm mal wieder eine.“ Dass die dann nicht hilft, ist vollkommen klar. Heutzutage weiß ich das, aber zu dem Zeitpunkt. Regelmäßig holt ich mir meine Rezepte ab und dann…
Manche Rezepte warf ich auch weg, weil ich gesagt habe: „Du hast noch ein paar Tabletten, da kommst du bis zum nächsten Mal wieder mit hin.“ Also, ich hab richtig einen raushängen lassen damit. Und dann hatte ich wieder das Problem, dass die Werte richtiggehend total im Eimer waren. Denn dann musste ich mal zum Betriebsarzt und der nahm mir Blut ab. Das war das erste Mal in den ganzen bis dahin glaub ich 25, 26 Jahren, die ich bei der Eisenbahn war. Und da kriegte ich dann auf einmal die Aufforderung, ich dürfte im Moment erst mal nicht arbeiten. Meine Zuckerwerte wären zu hoch. Oder ich dürfte keinen Alleindienst machen. Gut, hat man schnell was gefunden. Man ging noch mal zum Hausarzt. Der pfiff einen noch mal zurecht richtig, aber man glaubte das immer noch nicht so richtig. Man machte das so, dass beide Ärzte zufrieden waren. Man hatte das dann auch irgendwann gut im Griff. Also es hilft nichts, jetzt drei Tage vorher aufzuhören zu saufen, zu fressen. Man muss das schon so ein bisschen im Augenblick haben, dass man also vier Wochen, fünf Wochen vorher aufhören muss, damit man die Langzeitwerte wieder auf die richtige Höhe kriegte, die für beide Ärzte akzeptabel waren. Wo sie sagten, die sind zwar ein bisschen zu hoch aber da müsste man noch was dran drehen. „Ja, das nächste Mal sind sie besser.“ Und das nächste Mal waren sie wieder nicht besser. Da waren sie vielleicht einen Punkt tiefer oder einen Punkt höher aber sie waren grade noch mal so glücklich und dann kam man da somit. Nur es brachte ja in dem Sinne auch gar nichts.