Erfahrungen mit Ärzt*innen und Pflege
Alle unsere Interviewpartner*innen konnten von Begegnungen im Krankenhaus oder in Arztpraxen berichten, die für sie unterstützend oder auch belastend waren. Dies betraf sowohl Erfahrungen mit den behandelnden Ärzt*innen als auch mit Pflegenden.
Positive Erfahrungen machten unsere Interviewpartner*innen meist, wenn sich ihr Gegenüber einfühlsam und auf Augenhöhe zeigte und dementsprechend auf sie einging. Sie berichteten, dass sie dann auch Vertrauen fassten und sich leichter auf die Behandlung einlassen konnten. Einige unserer Erzähler*innen erlebten ihre Behandelnden als überaus engagiert und zugewandt und spürten, dass diese ein ehrliches Interesse an ihrem Wohlergehen hatten. Auch die Familien wurden dabei häufig mit einbezogen. Manche unserer Interviewpartner*innen betonen, dass sie gemeinsam mit ihren Ärzt*innen arbeiteten. Bei manchen waren persönliche, sehr wertvolle Begegnungen mit einzelnen Ärzt*innen oder Pflegenden möglich, die manchmal auch über die Behandlung hinaus anhielten und viele unserer Erzähler*innen mit Dankbarkeit erfüllten.
Sonja Novotnys Ärzt*innen haben sich Zeit genommen und sich für sie eingesetzt.
Auch wenn die meisten unserer Erzähler*innen mit den behandelnden und pflegenden Personen zufrieden waren und auch viel Dankbarkeit zum Ausdruck brachten, kam es manchmal zu Krisen, Missverständnissen und Kränkungen. Häufig ging es bei negativen Erfahrungen darum, dass unsere Erzähler*innen das Gefühl hatten, nicht mit ihrem Leiden gesehen zu werden. Gespräche litten häufig darunter, dass sie unter Zeitdruck stattfinden mussten. Die Ursache dafür schrieben viele unserer Interviewpartner*innen nicht den Menschen selbst zu, sondern dem Gesundheitssystem und den Bedingungen, unter denen gearbeitet werden muss.
Manche fühlten sich auch von ihrem Gegenüber nicht richtig wahrgenommen und verstanden und erzählen, wie sie mit Unfreundlichkeit, schnippigen Aussagen oder dreisten Reaktionen konfrontiert wurden.
Anna Rusch fühlte sich von ihrem Arzt nicht ernst genommen.
Johanna Vogel wurde als Kind vor der Operation eingeschüchtert und konnte sich nicht wehren.
Einige erzählen, wie schwer sie es verkraften konnten, wenn sie mit ihren Fragen und Anliegen nicht ernst genommen wurden oder wenn sie den Eindruck hatten, ihr Gegenüber ginge nicht ehrlich mit ihnen um. Einige wechselten daraufhin den Arzt/die Ärztin oder suchten sich, wenn möglich, von Beginn an Ärzt*innen danach aus, ob diese ihnen sympathisch waren.
Isabelle Arnold fühlte sich manchmal wie eine „IGeL-Leistungs-Schmarotzerin“.
Einige unserer Interviewpartner*innen berichten, dass sie von der Sprache der Medizin irritiert waren. Während manche es nicht schlimm fanden, dass ihre behandelnden Ärzt*innen die Fachbegriffe nicht erklärten, war dies für einige belastend und führte dazu, dass sie sich nicht trauten, nachzufragen.
Manchen fiel auf, wie unbedacht Ärzte und Pflegende oft ihre Worte wählten und wie sehr sie als Patienten in einer schwierigen Lebenssituation darauf achteten und manchmal auch empfindlich reagierten. Insbesondere waren einige irritiert, wenn viel vom Kämpfen die Rede war; andere benutzten dieses Bild selbst und empfanden es für sich als passend.
Petra Markert findet es unpassend, wenn in der Krebstherapie immer von Kämpfen die Rede ist.
Wilfried Schönfeld erlebte mit der Erkrankung eine tiefe Kränkung und Entwürdigung.
Die Aufklärung, sowohl für Untersuchungen und Therapien als auch über aktuelle Befunde erlebten unsere Interviewpartner*innen sehr unterschiedlich. Während einige sich sehr gut aufgeklärt fühlten, fanden andere, dass oft zu wenig Zeit für eine ausführliche Aufklärung gewesen sei oder die Vernetzung der einzelnen Behandelnden schlecht organisiert gewesen sei, so dass es zu Ungereimtheiten gekommen sei. Insbesondere die Aufklärung über mögliche Risiken und Nebenwirkungen der Behandlung in Bezug auf das Sexualleben und die Zeugungsfähigkeit fehlte einigen und führte teilweise zu Enttäuschungen (siehe auch „Partnerschaft und Sexualleben“). Besonders anstrengend erlebten einige Erzähler*innen, wenn ihre behandelnden Ärzt*innen sich nicht einig gewesen seien und noch lange über die bestmögliche Therapie diskutierten oder gar stritten (siehe auch „Behandlungsplan“).
Viele unserer Interviewpartner*innen waren auch frustriert über das medizinische System, in dem immer weniger Zeit für die Patient*innen aufgebracht werden könne und die Kommunikation zu kurz komme. Dabei fühlten sich manche nur noch als „Nummer“, die für eine volle Bettenbelegung und viel Geld sorgte und wurden nach ihrem Empfinden nicht als Mensch gesehen. Dies äußerte sich darin, dass die Zeit knapp und die Hektik in den Abläufen beträchtlich waren, sowie dass die Behandelnden sich die Namen nicht merkten oder Medikamente vertauscht wurden.
Auch die Zusammenarbeit der verschiedenen Fachdisziplinen erlebten unsere Erzähler*innen unterschiedlich. Während dies bei manchen reibungslos klappte, hatten andere sehr damit zu kämpfen, sich immer wieder erklären zu müssen und von den einzelnen Fachärzt*innen oft keine Informationen zu ihren jeweiligen Fragen zu erhalten. Viele beschreiben, dass insbesondere die Ärzt*innen im Krankenhaus so oft wechselten, dass sie gar keine Beziehung zu ihrem Arzt/ihrer Ärztin aufbauen konnten, auch wenn sie sich dies gewünscht hätten (siehe auch „Botschaft an Fachpersonen“).
Julia Weithe betont die Relevanz der Kommunikation zwischen dem beteiligten Gesundheitspersonal.
Klaus Wippich wurde wütend, weil er nicht aufgeklärt wurde, dass er eine Hepatitis hatte.
Dementsprechend erlebten sie auch einige Abläufe bei Untersuchungen, während Wartezeiten, bei Therapien und im Krankenhaus als abwertend und gedankenlos, vor allem, wenn man sie ganz einfach über die Abläufe hätte informieren und einbeziehen können.
Wilfried Schönfeld fühlte sich manchmal durch gedankenlosen Umgang behandelt wie ein Stück Vieh.
Auch in Bezug auf klinische Studien machten unsere Erzähler*innen sowohl positive Erfahrungen, dass sie sich einbezogen fühlten als auch negative Erfahrungen, wo sie sich vorgekommen seien „wie ein Versuchskaninchen“.
Einige unserer Interviewpartner*innen machten die Erfahrung, dass sie vieles selbst organisieren mussten. Für manche stellte dies eine Überforderung dar, andere fügten sich in die Rolle und wieder andere waren froh, selbst aktiv werden zu können beziehungweise zu müssen (siehe auch „Informationssuche und Patientenkompetenz“). Besonders in Bezug auf eine Zweitmeinung machten unsere Erzähler verschiedene Erfahrungen (siehe „Zweitmeinung“).
Paul Reinauer findet, dass man als Patient auf sich allein gestellt ist.
Uwe Dierks legte sich seinen eigenen Ordner an.
Einige unserer Interviewpartner*innen, die selbst als Fachpersonen im medizinischen Bereich arbeiten, erzählen, dass sie viele Erfahrungen machten, die sie im späteren Umgang mit ihren eigenen Patient*innen für deren Situation sensibilisierte. Zudem sind diejenigen, die eigenes medizinisches Wissen haben, dankbar dafür und vermuten, dass ohne ihr Wissen und die Eigeninitiative viel schiefgelaufen wäre.
Annemarie Merscher ist froh, dass sie sich selbst im medizinischen Bereich auskannte.