Die Erfahrungen von Leon Gerspacher

Portrait Leon Gerspacher ist zum Zeitpunkt des Interviews 25 Jahre alt und lebt mit seiner Freundin in einer gemeinsamen Wohnung. Mit 20 Jahren erhielt er die Diagnose Enddarmkrebs. Seither wurde der Student eines naturwissenschaftlichen Faches drei Mal operiert. Die Operationen und die damit einhergehenden Bestrahlungen und Chemotherapien haben zahlreiche Nebenwirkungen mit sich gebracht, unter anderem lebt er mit einem Stoma.

Leon Gerspacher berichtet, dass er sich zunächst immer häufiger müde gefühlt habe. Hinzu seien Verdauungsbeschwerden gekommen. Nach einer Darmspiegelung und einer Computertomographie (CT) habe er dann die Diagnose erhalten. Zunächst sei der Tumor mit Strahlentherapie und Chemotherapie behandelt worden. Bei der anschließenden Operation sei ihm ein künstlicher Darmausgang gelegt worden. Er erzählt, dass er im Anschluss an diese Operation weiterhin mit Chemotherapie behandelt werden musste, da der Tumor nicht vollständig entfernt werden konnte.

Nach der Chemotherapie sei er zunächst davon ausgegangen, geheilt zu sein. Leider seien bei einer weiteren, auf eigenen Wunsch durchgeführten, Rektoskopie weitere Krebszellen entdeckt worden, woraufhin sich eine zweite Operation und Chemotherapie anschlossen. Im Rahmen einer universitätsklinischen Hyperthermiestudie sei es zu einer dritten Operation gekommen. Hierbei sei festgestellt worden, dass die Entfernung des Tumors aufgrund seiner Lage, in Nähe wichtiger Nerven am Ende der Wirbelsäule, nicht möglich ist. Seither erhalte er eine palliative Chemotherapie auf unbestimmte Zeit. Leon Gerspacher erzählt, dass er den Begriff der palliativen Chemotherapie nicht möge, da sonst die meisten Menschen gleich ans Sterben denken müssten. Dabei gehe es ihm, bis auf einige Nebenwirkungen der Chemotherapie, derzeit relativ gut; der Tumor sei derzeit unverändert und seine Prognose sei ganz ungewiss, ob er noch Wochen oder viele Jahre zu leben habe.

Obwohl Leon Gerspacher nicht an einem genetischen Darmkrebs erkrankt ist, wurde fast zeitgleich auch bei seiner Mutter Darmkrebs diagnostiziert. Sie starb im Jahr 2013. Er erzählt, dass der Tod seiner Mutter seine eigene Einstellung zu seiner Erkrankung mit verändert habe. Seit er wisse, dass auch seine Erkrankung unheilbar sei, versuche er noch mehr auch die kleinen Dinge des Lebens zu genießen. Sein Studium konnte er nicht wieder aufnehmen, engagiert sich aber weiterhin bei den Pfadfindern und versucht, die Tage so gut wie möglich zu nutzen. Seine Freundin sei ihm dabei eine große Stütze. Leon Gerspacher hat vor der Chemotherapie Samen einfrieren lassen. Was das Thema eigene Kinder angeht, seien er und seine Freundin noch unentschlossen.

Leon Gerspacher hat sich trotz aller Schwierigkeiten seinen Sinn für Humor bewahrt und zitiert zum Umgang mit dem Stoma einen Satz von einer Internetseite: „Lieber einen Beutel am Bauch als einen Zettel am Zeh“. Er schreibt regelmäßig in seinem Internetblog und sucht aktiv den Austausch mit anderen Stomaträgern und Krebspatienten, was ihm sehr gut tue und wofür er sehr dankbar sei.

Das Interview wurde im Sommer 2014 geführt.

 

Alle Interviewausschnitte von Leon Gerspacher

Leon Gerspacher war müde, nicht mehr leistungsfähig und hatte abwechselnd Durchfall und Verstopfung.

Leon Gerspacher unterzog sich einer Studie zur Hyperthermie.

Leon Gerspacher hilft unter anderem der Austausch im Internet mit anderen Betroffenen.

Leon Gerspacher musste sich beim Sex an das Stoma gewöhnen, hat aber kaum Einschränkungen dadurch.

Leon Gerspacher spricht lieber offen über sein Stoma und nimmt es mit Humor, auch in seiner Pfadfindergruppe.

Leon Gerspacher bekam Harnleiterschienen eingesetzt, weil dort Tumorgewebe entfernt werden musste.

Leon Gerspacher tut es gut, wenn die Ärzt*innen sich ehrlich mit ihm freuen und mit ihm besorgt sind.

Leon Gerspacher gibt es Halt, sich mit anderen Betroffenen über seine Unsicherheit auszutauschen.

Leon Gerspacher fand die „Tattoos“, mit denen das Bestrahlungsfeld markiert wurde, ganz witzig.

Leon Gerspacher bekam eine Glatze, obwohl ihm das niemand vorher erklärt hatte.

Nachdem seine Mutter an Darmkrebs starb, war es schwer für Leon Gerspacher mit der Unsicherheit zu leben.

Leon Gerspacher findet, dass das Thema Sex in seinem Alter von den Ärzt*innen vernachlässigt wird.

Leon Gerspachers Freundin ist verständnisvoll. Auch sein Urologe zeigte sich interessiert.

Leon Gerspacher findet es schade, dass sich so wenige mit Sexualitätsstörungen und Potenzmitteln auskennen.

Leon Gerspacher hätte gerne eine Familie, ist aber noch unsicher, ob er die Verantwortung tragen kann.

Dass Leon Gerspachers Mutter auch an Darmkrebs erkrankte, stellte die Familie vor große Herausforderungen.