Annemarie Merschers Familie hatte große Angst, aber insbesondere ihr Sohn ist ihr im Umgang mit der Erkrankung sehr ähnlich.
Mein Mann hatte ganz viel Angst und versuchte, das zu überspielen. So damals vor der Silberhochzeit, ich habe es ihm als erstes gesagt, er kam vorher von der Arbeit und anschließend unser Sohn. Unser Sohn hat so ein bisschen die Gabe wie ich, er kann das dann auch so wegschieben. Mein Mann hat dann sofort gesagt: "Wir sagen die Feier ab." Da habe ich gesagt, das will ich eigentlich gar nicht. Dann hat unser Sohn gesagt, er war damals 19: "Du, Mama hat alles vorbereitet, die hat die Einladungskarten gemacht, die hat die Messe vorbereitet, die hat die Platzkarten, ihr habt die Blumen ausgesucht, ihr habt eure Klamotten, ich habe sogar was Neues gekriegt (lachend)." Sagt er: "Wir feiern, wir brauchen das doch keinem erzählen." Und mein Mann merkte aber wohl, dass ich mit jemandem reden muss, dann hat er gesagt: "Fahr nach [Beste Freundin], erzähl ihr das." Und die hat es verstanden. Ihr Mann hat nicht verstanden, warum wir feiern. (auflachen) Das hat er im Nachhinein gesagt. Aber er hat gesagt, okay. Und unser Sohn hat mir nachher mal gesagt, weil er überhaupt gar nicht viel nachgefragt hat, auch wo ich dann 2014 nochmal den Darmkrebs gekriegt habe, da hat er zu mir gesagt: "Mama, ich kenne das mein Leben lang, du bist ein Stehaufmännchen. Ich habe wohl ein bisschen Angst, aber du schaffst das." Mein Mann sagt dann immer, wir schaffen das wohl, aber ich merke, dass er ganz viel Angst hat und das für sich alleine abmacht. Und meistens im Nachhinein merkt man das auch, dass er psychisch wohl so ein bisschen angeschlagen ist. Aber dann ist er wie unser Sohn, der dann nachher sagt: "Ja, du bist wirklich ein Stehaufmännchen und du schaffst das immer." Und ich glaube, da hofft er auch darauf, dass das auch so bleibt. Ich denke mir, das ist halt eine Gabe, die ich habe, und das ist schön. So im Freundeskreis waren die immer sehr betroffen, aber ich konnte mit meinen Freundinnen und auch heute mit dem Mann meiner verstorbenen Freundin - die ist vor zehn Jahren verstorben - immer sehr gut darüber reden. Als ich von [Stadt B] kam, da war im November schon der Verdacht, das war wieder ein Polyp, das könnte bösartig sein. Da hatte er mich vom Bahnhof abgeholt, weil mein Mann zu der Zeit in Amerika war von der Arbeit. Und dann habe ich gesagt: "Wenn das wirklich wieder ist, weiß ich gar nicht, wie ich das [Ehemann] beibringen soll." Und dann sagte er: "Du musst an dich denken, nicht an [Ehemann]." Und der ist wirklich ein ganz guter Freund geworden und das ist schön, dass wir darüber reden können. Und was ich auch wirklich habe, mir hilft auch mein Glaube dadurch. Und das ist dann wirklich, dass wenn immer wieder was war, Freunde mir Schutzengel geschenkt haben. Ich habe also im Schlafzimmer ein ganzes Regal voller Schutzengel. Und ich selber habe auch immer das Bedürfnis, wenn ich im Krankenhaus bin, ich kenne in jedem Krankenhaus die Kapellen. Ich stecke vorher immer Kerzen an. Und ganz wichtig ist mir hinterher, auch Kerzen anzustecken und mich zu bedanken, dass es gut gegangen ist. Ich habe das mal in der Reha gehabt. Da hatte ich eine junge Frau, die kam aus [Stadt G], die war Atheistin und sagte zu mir: "Wie, du lässt dich am Wochenende immer abholen zur Kirche?" Ich sage: "Weil mir das einfach wichtig ist. Und ich muss immer Kerzen anstecken und mich bedanken, dass alles gut gegangen ist." Und dann hat sie gesagt: "Kann ich das auch, obwohl ich eigentlich nicht glaube?" Dann habe ich gesagt: "Klar, nehme ich dich nächsten Sonntag mit (lachend)." Das ist mir wirklich ganz wichtig. Und so die Zeichen, ich habe so viele verschiedene Schutzengel. Und die bedeuten mir wirklich was.