Umgang mit Schmerzspitzen
Für den Umgang mit Schmerzspitzen gibt es kein Patentrezept. Der Schmerz wird von verschiedenen Menschen ganz unterschiedlich erlebt (siehe „Schmerz und psychische Folgen“). Entsprechend unterscheiden sich Menschen, die unter Schmerzen leiden, auch darin, was sie in einer akuten Schmerzphase als hilfreich empfinden. Einige unserer Interviewpartner*innen berichten sogar, dass es dabei auf die Situation ankommt, in der sie sich gerade befinden, und auf ihre aktuelle Verfassung. So kann mal das eine und mal etwas anderes dazu beitragen, den Schmerz zu reduzieren oder ihn erträglich zu machen.
Viele unserer Interviewten erzählen, dass sie sich bei sehr starken akuten Schmerzattacken eher zurückziehen und ihre Ruhe haben wollen. Es ist dabei sehr unterschiedlich, welche Körperposition in solchen Momenten als aushaltbar empfunden wird. Die meisten Interviewpartner*innen erzählen, dass sie sich hinlegen, um die schlimmsten Schmerzattacken zu überstehen. Andere empfinden das Liegen als quälend oder haben sogar die Erfahrung gemacht, dass es die Schmerzen verschlimmert. Für sie ist es dann oft angenehmer, leicht aufrecht zu sitzen oder zu knien. Für einige ist es eine Entlastung, in Bewegung zu bleiben, andere betonen, dass sie einen Wechsel brauchen und sowohl langes Sitzen und Stehen als auch langes Laufen vermeiden müssen. Für eine Interviewpartnerin brachte es Erleichterung, sich im Thermalbad ins Wasser zu legen, als sie keine erträgliche Körperposition mehr finden konnte.
Andrea Müller hat das Gefühl der Schwerelosigkeit im Thermalwasser bei starken Schmerzen geholfen.
Einigen der Erzählerinnen und Erzähler verschafft direkte Wärme, anderen eher Kälte am ehesten eine Linderung der Schmerzen. Es ist jedoch nicht immer möglich, in Schmerzsituationen die optimalen Bedingungen zu schaffen.
Für Valeria Pérez ist ein heißes Bad irgendwann zum Problem geworden.
Alexander Schwarz geht unter anderem gerne in die Sauna, wenn er Schmerzen hat.
Bei akuten Schmerzen hilft es vielen unserer Interviewpartner*innen, wenn sie schnell wirksame und gegebenenfalls auch starke Schmerzmittel einnehmen (siehe auch Thementext „Medikation und Folgen“). Bei vielen hat es sich als sinnvoll erwiesen, verschiedene Möglichkeiten der Medikation auszuprobieren. Oft kann es eine Zeit dauern, bis man weiß, in welchen akuten Schmerzsituationen welches Medikament am zuverlässigsten hilft. Auch der Zeitpunkt der Einnahme ist in vielen Fällen entscheidend und kann nur durch Erfahrung genau bestimmt werden.
Britta Kern konnte in akuten Schmerzattacken auf ihre Hausärztin vertrauen.
Svenja Neuhaus muss noch ausprobieren was ihr am besten hilft wenn sie eine Aura bekommt.
Einige der Befragten erleben bei akuten Schmerzattacken auch Salbenverbände oder alternative Maßnahmen wie die Einnahme von indischem Weihrauch oder reinem Sauerstoff als hilfreich (siehe auch „Komplementäre und Alternative Therapien“). Ein Mann erzählt, dass er in Betracht zieht, sich im Notfall eine Schmerzpumpe legen zu lassen. Auch physiotherapeutische Maßnahmen wie Krankengymnastik oder Massagen werden immer wieder als unmittelbar entlastend genannt (siehe Thementext „Physiotherapie“). Einige der Erzähler*innen haben auch Techniken gelernt, die sie selber anwenden können.
Jutta Behrens hat Techniken gelernt, ihre Schmerzen zu lindern.
Vor allem dann, wenn der Schmerz nicht allzu stark ist, können zudem Ablenkung und leichte Aktivität dazu beitragen, dass er in den Hintergrund tritt. Viele Menschen empfinden es deshalb in bestimmten Schmerzsituationen als angenehm, sich mit Dingen zu beschäftigen, die sie gerne tun, um nicht zu viel an den Schmerz denken zu müssen.
Von mehreren Erzähler*innen hörten wir, dass es für sie eine besonders gute Ablenkung ist, mit dem Hund in die Natur zu gehen.
Frank Weber erzählt, dass er am besten abschalten kann, wenn er mit seinem Hund spazieren geht.
Es ist jedoch für einige Interviewpartner*innen so, dass die Aktivitäten nicht zu anstrengend und die Schmerzen nur mäßig sein dürfen, damit die Ablenkung nicht den gegenteiligen Effekt hat. So helfen einigen unserer Erzähler*innen eher leichte Tätigkeiten wie Gartenarbeit, mäßige Bewegung, Musik hören, Malen oder Spazieren gehen. Zu anstrengende Beschäftigungen lösen häufig ihrerseits wieder Schmerzen aus oder verschlimmern sie.
Auch Lesen oder Fernsehen können bei leichten Schmerzen ablenken, sind bei starken Schmerzen jedoch häufig nicht mehr möglich.
Gezielte Entspannung und Übungen wie Selbsthypnose oder Autogenes Training können dazu beitragen, den Schmerz zu lindern. Zwei Interviewpartnerinnen erzählen, dass es ihnen besonders hilft, bewusst zu atmen und sich auf die Atemzüge zu konzentrieren.
Es wird jedoch auch von der Erfahrung berichtet, dass gar nichts mehr gegen den Schmerz hilft. Dann heißt es ausharren und dem Schmerz die Zeit geben, abzuklingen. Das kann sehr quälend und frustrierend sein. Eine Interviewpartnerin erzählt, dass es ihr in solchen Momenten hilft, die Aufmerksamkeit bewusst auf den Schmerz zu richten und so wieder ein Stück Abstand von ihm zu gewinnen.
Wenn während der Arbeit akute Schmerzattacken auftreten, ist es meist unmöglich, weiter zu machen. Es ist dann sehr hilfreich, wenn der Arbeitsplatz die Möglichkeit bietet, die Arbeit zu unterbrechen und sich für eine Weile zurück zu ziehen, bis die Schmerzen nachlassen (siehe Thementext „Arbeit und Beruf“).
Svenja Neuhaus berichtet von ihrer Erfahrung mit Migräne in der Arbeitswelt.
Die Unterstützung durch Menschen in der Umgebung ist auch in akuten Schmerzsituationen wichtig (siehe auch „Partnerschaft und Sexualität“, und „Familie und Kinder“). Sie kann sich jedoch auch als schwierig erweisen, da die Anwesenheit anderer während heftiger Schmerzattacken manchmal als unerträglich empfunden wird. Die beste Unterstützung ist häufig der praktische Beistand. Er wird vor allem dann als hilfreich erlebt, wenn andere die Bedürfnisse der Schmerzleidenden in solchen Situationen kennen und akzeptieren.
Es zeigt sich also eine große Bandbreite dessen, was von unterschiedlichen Menschen im Umgang mit akutem Schmerz jeweils als hilfreich empfunden wird. Im Hinblick darauf betont eine Interviewpartnerin, wie wichtig es ist, auf sich selbst zu hören und nicht Dinge zu tun, nur, weil andere sagen, sie würden helfen.