Ursachensuche und Diagnose

Viele unserer Erzähler*innen haben einen langen Weg von Ärzt*in zu Ärzt*in hinter sich, um herauszufinden, woher die Schmerzen kommen. Nicht bei allen Schmerzerkrankungen lassen sich eindeutige Ursachen und eine Diagnose feststellen (siehe auch "Was ist chronischer Schmerz?"). Die Diagnostik kann sehr aufwändig und teilweise auch unangenehm sein. Für die meisten Erzählenden war es jedoch keine Frage, dass sie alles auf sich nehmen, um herauszufinden, woher die Schmerzen kommen, um dann gezielt dagegen vorgehen zu können.(siehe auch „Erfahrungen mit Ärzten“ und „Grenzen und Möglichkeiten der Medizin“). 

Bei einigen Erzähler*innen konnten die Ärzt*innen trotz vieler Bemühungen keine Diagnose stellen. Das erlebten die Interviewpartner*innen meist als sehr belastend. Bei einigen Erkrankungen wie z.B. Fibromyalgie schildern die Erzähler*innen, dass es nicht möglich ist, die Krankheit eindeutig festzustellen, sondern dass vielmehr alle anderen Ursachen ausgeschlossen werden müssen, bis keine andere Diagnose mehr möglich ist. Die Diagnose Fibromyalgie selbst findet wiederum nicht so viel Akzeptanz wie andere Diagnosen, findet Christiane Wiedemann. Viele Erzählende berichten, dass bei unklarer Diagnose häufig die Glaubwürdigkeit der Patient*innen in Frage gestellt wird.

Jennifer Pohl hat lange geglaubt sich die Schmerzen nur einzubilden.

Die Erzähler*innen, die eine Diagnose bekamen, schildern sehr unterschiedliche Erfahrungen damit: Für einige war das Wissen, woher die Schmerzen kommen, eine große Erleichterung, da sie ab jetzt gezielt an den Ursachen arbeiten oder behandelt werden konnten. Für andere wirkte die Diagnose bedrohlich oder verwirrend, da häufig nicht absehbar war, welche Auswirkungen sie für das weitere Leben haben würde. Für Renate Schröder war die Diagnose Fibromyalgie eine Erleichterung, weil sie nun wusste, dass ihre Beschwerden nicht den Beginn einer noch schlimmeren, lebensbedrohlichen Erkrankung.

Als der Oberarzt ihr sagte, dass sie Clusterkopfschmerz habe, wäre Tanja Werner ihm am Liebsten um den Hals gefallen

Peggy Reichel beschreibt warum die Diagnose befreiend und belastend zugleich war.

Für Beate Schulte und ihre Familie war die Diagnose Skoliose erst mal der Weltuntergang. 

Christiane Wiedemann berichtet wie seit der Diagnose alles auf die Fibromyalgie geschoben wird.

Einige Erzähler*innen berichten auch, dass sie selbst ihre Diagnose entdeckten.

Wie viele andere Endometriose Patientinnen führte auch Meike Decker die eigene Recherche schließlich zum Verdacht auf die Krankheit.

Neben der Frage der Diagnose stellt sich für einige Interviewpartner*innen zusätzlich die Frage nach der Ursache der Erkrankung. Bei einigen Erzähler*innen bleibt die Ursache trotz eindeutiger Diagnose unklar, da die für diese Erkrankung typischen Ursachen nicht zutreffen. Auch das kann verunsichern.

Viele Erzählende haben im Laufe der Zeit eigene Ideen entwickelt, woher die Schmerzen bei ihnen kamen. Andere haben nach Ärzt*innen oder Therapeut*innen gesucht, die mit ihnen zusammen die Ursachen erkunden.

Christel Schubert hat die Idee, dass die Krankheit bei ihr dadurch so ausgeprägt ist, dass sie zu wenig auf sich geachtet hat.

Jutta Behrens erlebte in der Klinik für manuelle Therapie das erste Mal, dass die Komplexität der Ursachen mitbedacht wurde.

Katrina König hat sich nach der Operation gefragt wie die Krankheit so lange unentdeckt bleiben konnte.

Eine besondere Situation ist es, wenn Schmerzkranke eine psychiatrische Diagnose zugeteilt bekommen. Hiervon berichten viele Erzähler*innen. Häufig ist es eine Erfahrung, die als sehr kränkend erlebt wurde, da die Betroffenen das Gefühl hatten, mit ihren Schmerzen nicht ernst genommen und in eine Ecke abgeschoben zu werden. (siehe auch „Erfahrungen mit Ärzten“). 

Viele Erzähler*innen beschreiben selbst einen psychischen Anteil an den Schmerzen, sie wehren sich jedoch dagegen, diese als ausschließlich psychisch bedingt zu sehen. Manche schildern, dass mit der psychiatrischen Diagnose unterstellt werde, sie selbst hätten ihren Schmerz verschuldet. Es gibt jedoch auch Erzähler*innen, für die sich eine psychiatrische Diagnose als hilfreich und stimmig erwiesen hat.

Für Richard Schäfer war die Diagnose Depression nach anfänglicher Verwunderung stimmig.

Die Diagnose chronische Schmerzstörung fasste für Svenja Neuhaus alles zusammen.

Für Lara Voigt ist jede Diagnose ein wichtiger Beweis dafür, dass sie sich die Schmerzen nicht eingebildet hat.