Botschaft an die Fachleute
Die Menschen, mit denen wir in den Interviews über ihre Schmerzerkrankung sprachen, haben meist viele Erfahrungen mit verschiedenen Behandelnden hinter sich. Sie haben während des eigenen Krankheits- und Behandlungsverlaufs im medizinischen System viele unterschiedliche sowohl positive als auch negative Erlebnisse gehabt. Daher wissen sie inzwischen oft sehr genau, was sie sich von ihren Ärzt*innen und Therapeut*innen wünschen oder gewünscht hätten und was ihnen besonders geholfen hat. Wir fragten die Erzähler und Erzählerinnen deshalb nach ihren Botschaften an die Behandelnden. In diesen Botschaften wird Kritik deutlich, aber auch immer wieder Verständnis für die schwierige Situation, in der die Behandelnden selbst sich befinden.
Für viele unsere Interviewpartnerinnen und –partner ist es entscheidend, trotz ihrer Patientenrolle von den Behandelnden als ganze Menschen wahrgenommen und mit Verständnis behandelt zu werden. Dazu gehört für sie auch, dass die Behandelnden jeweils auf die individuelle Person und Situation der Betroffenen eingehen, sie ernst nehmen und nicht alle über einen Kamm scheren.
Die Interviewten machten immer wieder deutlich, wie wichtig es in diesem Zusammenhang ist, dass die Ärztinnen und Ärzte sich bei der Behandlung Zeit nehmen und zuhören.
Lara Voigt hat Verständnis für beide Seiten im Ärzt*innen - Patient*innen Verhältnis.
Beate Schulte findet es wichtig, dass die Ärzte genau hinhören und ihre Patienten ernst nehmen.
In der schwierigen Situation, einer Schmerzsymptomatik ausgeliefert zu sein, wünschen sich viele Betroffene, alle Schritte gründlich zu besprechen. Besonders wenn die Entscheidung für oder gegen einen Eingriff getroffen werden muss, kann es wichtig sein, sowohl über Nachteile als auch über Vorteile verschiedener Behandlungsmöglichkeiten sorgfältig aufgeklärt zu werden.
Ein Interviewpartner betont aufgrund seiner eigenen schlechten Erfahrung, dass Patientinnen und Patienten nicht als Versuchskaninchen für neue Schmerzmittel oder Behandlungsformen missbraucht werden dürfen. Andere halten die Behandelnden dazu an, die Erkrankungen ernst zu nehmen und die Schmerzen nicht zu unterschätzen.
Im Hinblick auf die Behandlung haben viele unserer Interviewpartnerinnen und –partner die Erfahrung gemacht, dass es am hilfreichsten ist, wenn der Schmerz nicht isoliert betrachtet, sondern der Mensch mit seinem Körper und seiner Seele als Ganzes wahrgenommen wird.
Eine gute Kombination aus Schulmedizin und Naturheilkunde beschreibt Julia Bode als das A und O.
Eine Interviewpartnerin weist darauf hin, dass es noch andere Dinge gibt als den Schmerz, die einen Menschen ausmachen, die gestärkt und berücksichtigt werden müssen, damit man auch mit dem Schmerz besser umgehen könne.
Die Interviewten plädieren immer wieder dafür, die Schmerzbehandlung interdisziplinär und multimodal anzugehen, also auf verschiedenen Ebenen und durch verschiedene Fachrichtungen gleichzeitig. Einige unserer Gesprächspartnerinnen und –partner haben die Erfahrung gemacht, dass die Therapie erst auf diese Weise optimal gestaltet werden konnte.
Eine Erzählerin beschreibt, dass die Schmerzen Folgen in vielen Bereichen haben: sowohl körperlich, psychisch, aber auch finanziell und im sozialen Umfeld. Sie wünscht sich, dass Ärzt*innen diese Auswirkungen mitbedenken und im Bedarfsfall an weitere Hilfsangebote verweisen.
Maja Geissler wünscht sich mehr Weiterbildung und Hellhörigkeit in Bezug auf Endometriose Symptome.
In diesem Zusammenhang halten einige Interviewte die Ärztinnen und Ärzte auch dazu an, den Mut zu haben, ihre Patientinnen und Patienten an Kollegen zu verweisen, wenn sie selbst nicht mehr weiter wissen.
Tanja Werner findet es wichtig, dass Ärzte zugeben, wenn sie nicht mehr weiter wissen.
Eine Interviewpartnerin erzählt von der Schwierigkeit, dass Leid bei Schmerzpatient*innen zwar zum Leben dazugehört, jedoch häufig so behandelt wird, als sei es etwas, das es eigentlich nicht geben sollte. Sie plädiert deshalb dafür, Leid als Bestandteil des Lebens anzuerkennen, damit sich die Betroffenen nicht so im Abseits fühlen und trotz ihres vorhandenen Leids nicht aus der Welt fallen.