Britta Kern beschreibt wie sie als Teilnehmerin zur Leiterin einer Selbsthilfegruppe wurde
Ganz doll. Also ich muss sagen, ich weiß nicht wo ich gelandet wäre ohne Selbsthilfe. Na das muss ich wirklich heute so wenn ich zurückblicke sagen, weil der Vorteil von solchen Selbsthilfegruppen ist ja, dass man erstmal merkt: ich bin nicht alleine. Man denkt ja immer nur: Wieso ich, wieso ich? Ja? Und das habe ich mich ja immer gefragt. Und da auf einmal hört man: der das, der das, der das, oh Gott, der ist ja viel schlimmer noch betroffen! Und so weiter, also man merkt erstmal es sind viel mehr, wir sind eine gemeinsame Gruppe, die das alle haben, jeder auf eine andere Art und Weise, jeder nimmt es anders wahr, jeder- Wir sind eben Menschen und keine Maschinen, ja? Jeder hat andere Emotionen, jeder stuft den Schmerz anders ein, es gibt ja Menschen, die die gleiche Schmerzstärke viel stärker einschätzen oder schwächer, dass einer, wie ich habe ich immer gesagt habe „Kriege ich schon hin, Pille Palle.“ Ich habe das immer runtergespielt, andere haben natürlich, wenn sie weniger Schmerzen- das sage ich jetzt mal- als jemand anderes hatten, gesagt „Boah ich habe Schmerzen!“ ja? Also jeder nimmt das auch anders wahr, geht anders damit um. Aber wenn ich die Selbsthilfe nicht gehabt hätte, hätte ich nicht gewusst wo ich lande, weil das hat mir so viel Kraft gegeben, dass ich erstmal merke: Ich bin nicht alleine, wir kämpfen zusammen, wir sind gemeinsam stark, wir können was bewegen, ja? Und: Wir können auch gemeinsam was unternehmen, weil jeder weiß der andere hat auch diesen Schmerz und wir haben uns ja da vorgestellt: Was hast du und wie gehst du damit um? Und so weiter. Also jeder wusste ja auch, wie er den anderen zu nehmen hat. Also ich habe zum Beispiel mal gesagt: Ich bin furchtbar nah am Wasser gebaut und wenn mich einer verletzt, dann bin ich total verletzt! Ich bin so ein Sensibelchen, obwohl ich nicht so rüberkomme. Aber ich habe immer gesagt: mit mir kann man aber reden. Sagt wenn euch irgendwas nicht passt. Ja, ich habe nämlich dann nach ein paar Jahren eine eigene Selbsthilfegruppe gegründet, das wollten meine Leute so, also ich war ja wie gesagt Schriftführer in der großen Gruppe und wir waren eine ziemlich große Gruppe, und da war sehr oft das Fernsehen präsent, die Zeitung präsent, es waren immer öffentliche Sachen. Also ich weiß wie das ist. Und das hat vielen nicht gefallen, weil es sind ja chronische Schmerzpatienten, da rollt auch mal eine Träne oder da will man auch mal was sagen, solche Sätze wie „Ach, mein Mann versteht mich nicht, ich habe heute wieder gesagt das und das und er hat das so lapidar abgetan“ oder umgedreht „Der klebt mir immer am Bein! (lacht) Ich will aber auch mal für mich und ich brauche mal meine Ruhe“ oder so. Solche Dinge sagt man da mal in der Selbsthilfegruppe und das möchte man natürlich, dass das nicht nach außen getragen wird, weil das ist ein Kriterium. Beschäftigen Sie sich mit Selbsthilfe? Ja! Das ist ja ein Kriterium in der Selbsthilfegruppe, also das sage ich immer, wenn einer neu kommt „Das, was hier drinnen gesprochen wird, das bleibt hier in dem Raum! Das wird nicht mit rausgenommen. Und schon gar nicht mit Namen und Adresse oder so. Wenn dann anonym!“ Man kann ja mal sagen, „Der eine hat mal das gehabt!“, das natürlich, das ist nicht verboten. Aber so, ich sag mal intime Sachen, wie wenn ich jetzt sage „Ich kann meinem Mann erzählen was ich will, der versteht das nicht.“, das muss natürlich im Raum bleiben und dabei hat mir die Selbsthilfe unheimlich gut getan auch. Ich habe mich gefreut auf unsere Treffen und dann wurden wir eben immer größer, immer größer und wir kamen gar nicht mehr so zu Wort. Diejenigen die sich nicht so gemeldet haben, die kamen gar nicht mehr zu Wort. Oder es war immer nur entscheidend, dass wir was Öffentliches machen und so. Und das hat vielen nicht gefallen in der Gruppe und da sind zwei an mich herangetreten und haben gesagt „Du sag mal, du kannst das doch auch!“ Ich sage „Nein, ich will das nicht. Ich will nicht Leiter dieser Gruppe-“ „Nein nicht diese Gruppe, wir gründen eine eigene.“