Anna Wagner wurden unterschiedliche Empfehlungen gegeben, und sie musste sich selbst entscheiden.
Es lief dann am Ende nämlich darauf hinaus, dass ein Teil der Ärzte mir dazu riet, eine elektrische Rückenmarksstimulation zu implantieren oder eine Schmerzpumpe, also die Medikamentenpumpe zu implantieren, durch die dann Morphin in den Wirbelkanal geleitet wird. Die andere Gruppe Ärzte riet mir aber von eben diesen beiden Dingen ganz vehement ab. Also die eine Gruppe sagte, ich müsse es unbedingt tun, weil also sonst hätte ich keinerlei Lebensqualität mehr. Die andere Gruppe Ärzte sagte, das dürfe ich auf keinen Fall tun. Das seien an sich gute Methoden, nur aber bei der Arachnopathie [seltene Form der Narbenwucherung] eben kontraindiziert, weil wenn man da einen Fremdkörper in den Wirbelkanal implantieren würde, würde das eben zu weiterer Reizung der Verwachsung führen. Und das würde bedeuten, dass es mir vielleicht eine kleine Zeit am Anfang ein bisschen besser gehen würde, aber dann würde auch noch der Spinalkanal zunarben und, ja, das würde unter Umständen sogar bedeuten: eine verkürzte Lebenszeit. […]
Da hattest du auch beschrieben, dass die Ärzte so unterschiedliche Sachen empfohlen haben. Da gab es ja wie so zwei unterschiedliche Ärztegruppen. Wie kamst du da zu der Entscheidung, was- welche Ärztegruppe sozusagen?
Das war dann ganz einfach oder ist ja immer noch: meine eigene Auffassung. Also diese Kontroverse besteht ja nach wie vor, dass es immer noch Ärzte gibt, die fest überzeugt sind, mir würde also einfach eine Medikamentenpumpe sehr helfen. Und dieses andere Argument, dass dadurch aber wahrscheinlich auch der Spinalkanal zunarben würde, das leuchtet mir irgendwie – einfach physiologisch gesehen – irgendwie leuchtet mit das ein. Und solange mir das kein anderer Arzt jetzt irgendwie so widerlegen kann – ja. Nur, das ist natürlich für einen Patienten, also das gehört mit zu den schlimmsten Situationen, wenn ein Arzt sagt: „Sie müssen das machen. Unbedingt. Wenn sie das nicht machen, haben sie überhaupt keine Lebensqualität mehr und das Ganze ist dann überhaupt ein einziger Graus.“ Und der andere Arzt sagt: „Um Gottes Willen. Das verkürzt ihr Leben. Das nun gar nicht.“ Also das ist schon ziemlich schwierig für den Patienten, muss ich-. Also das waren so die schrecklichsten Situationen dann.
Gab es da etwas, was dir geholfen hat zu wissen, wie du dich verhalten sollst, wie es weitergehen soll?
Ja, mir hilft in solchen Situationen immer mich außerhalb zu stellen, also mir so vorzustellen, ich sehe das Ganze jetzt wie in einem Film. Also ich gucke mir einen Film an, und da widerfährt eben der Hauptdarstellerin dieses Schicksal. Und wenn ich das jetzt so als Zuschauer betrachte, und dann sehe ich also die einen Ärzte sagen so, die anderen Ärzte sagen so, und dann – ich sehe das als Zuschauer – dann weiß ich als Zuschauer: Nein, also- so. Entscheide so. Also praktisch diesen Abstand zu gewinnen, raus zu treten aus der Situation und es von außen zu betrachten.