Anna Wagner hat den Eindruck, dass Ärzte eine ruhige und sachliche Beschreibung der Beschwerden bevorzugen.
Das ist eben genau ganz schwierig, den Schmerz zu vermitteln. Wobei ich da auch noch unterscheiden möchte zwischen- wenn ich mit einem Arzt darüber rede oder wenn ich jetzt mit meinen Freundinnen oder mit meinem Mann darüber rede.
Also, meine Erfahrung, wenn ich jetzt mit den Ärzten anfange, ist, dass- also, einem Arzt es vor allem lieb ist, wenn der Patient gefasst, ruhig, sachlich, knapp über seine Beschwerden redet. Möglichst sich auf das beschränkt, was unmittelbar im Zusammenhang mit den Symptomen steht und wenn er die Gefühlsebene nach Möglichkeit vermeidet. Und also, das sind nicht nur jetzt meine Erfahrungen, sondern das habe ich auch beobachtet, eben auf diesen vielen Schmerztherapiestationen, in Mehrbettzimmern. Also bei anderen Arzt-Patient-Interaktionen. Es war jedes Mal so, das Gespräch war umso kürzer, je emotionaler der Patient war und je verzweifelter er war und auch seine Ängste geäußert hat.
Also, man lernt daraus als Patient Folgendes: Dass man nämlich seine Gefühle besser nicht zeigt und dass man sich bemüht, gefasst zu wirken und dass man vor allem nicht dramatisieren und katastrophisieren darf.
Also, zum Beispiel so am Anfang habe ich versucht, meinen Schmerz mit Bildern zu umschreiben. Das war eben nicht gut, wie ich dann also schnell erfahren habe, weil es dann hieß: „Damit dramatisieren Sie ihren Schmerz und damit verstärken Sie ihn subjektiv.“ Also, ich sehe das anders, weil ich denke, über die Bildebene kann ich einem Anderen das vermitteln, weil er kennt ja meinen Schmerz nicht, aber wenn ich jetzt ein Bild wähle, dann geht derjenige auch in dieses Bild und kann versuchen, sich in diesem Bild einigermaßen zurechtzufinden, mit dieser Erfahrung. Aber das fällt in der Schmerztherapie zumindest unter Katastrophisieren und-
Gab es da eine Situation, an die Du dich erinnerst, die du so erlebt hast?
Ja, Mehrere. Also gut, ich habe es danach einfach nicht mehr getan. Also, mit einem Arzt habe ich zu dem ich dann- bei dem ich öfters war, da haben wir dann anschließend darüber diskutiert, dass ich das wirklich völlig anders sehe, dass ich auch finde, dass der Schmerztherapie damit also ein ganz wichtiges Mittel entgeht, wenn sie eben den Patienten regelrecht verbietet, in Bildern zu sprechen. Denn mit den Bildern kann man arbeiten. Die Bilder drücken sehr viel aus über die Beziehung, die der Betroffene zu seinem Schmerz hat und auch von den Ressourcen, die er hat. Und ich weiß nicht, was die Schmerztherapie gegen Bilder hat.
Das- ja, es ist die Kritik: man dramatisiert damit. Also, wenn ich zum Beispiel jetzt sagen würde: „Manchmal fühlt sich mein Schmerz im Rücken an, wie eine dicke eiserne Kugel mit so Eisennoppen herum und diese Kugel dreht sich in meinem Fleisch, so fühlt sich das an.“ Ja, das kann ich jetzt so sagen, oder das kann ich auch meinem Mann sagen, aber wenn ich das einem Schmerztherapeuten sagen würde, dann hieße das, man dramatisiert.
Aber wie soll ich den Schmerz vermitteln. Gut, man bekommt diese Skala: „Schätzen Sie Ihren Schmerz ein von 0 bis 10“, oder andere benutzen eine Skala von 0 bis 100. Dann sage ich: Sieben. Ja, was sagt uns die Sieben. Die sagt uns gar nichts. Also, er stellt sich unter einer Sieben wahrscheinlich etwas anderes vor als ich. Wir kommen nicht weiter mit der Sieben, weil die hängt ja in der Luft. Also, die ist ja ohne Bezugssystem, die Sieben. Sie ist ja nur von Relevanz im Rahmen eines Bezugssystems und deshalb- aber das Bild hat eben ein Bezugssystem und deshalb hänge ich nach wie vor daran, dass man mit Bildern besser verstehen kann zumindest, was mir der Andere sagen will.