Sprechen über Krebs
Mit dem Sprechen über die Erkrankung Brustkrebs machten unsere Interviewpartnerinnen verschiedene Erfahrungen. Manche der Frauen zogen sich zunächst zurück und redeten erst einmal nicht mit Anderen über ihre Erkrankung. Einzelne Betroffene konnten auch erst nach den ganzen Therapien über das Erlebte kommunizieren. Andere gingen vom ersten Moment an offensiv vor und teilten ihrem Umfeld mit, was passierte und wie sie sich fühlten.
Wenn man über den Krebs spricht, sei er leichter zu verkraften, findet Rosemarie Berthel.
Viele unserer Erzählerinnen sind der Meinung, dass sie mehr Rücksicht erhalten, wenn sie mitteilen, wie es ihnen geht und warum sie manche Arbeiten nicht mehr verrichten können. Das Umfeld hätte es dann leichter, das zu verstehen. Manche wollen auch verhindern, dass hinter ihrem Rücken über sie geredet wird und sprachen deshalb von sich aus ihre Erkrankung an. Der Krebs sei auch nicht zu verheimlichen, weil man sich ja auch für alle sichtbar verändere, meinen einige. Viele der Interviewpartnerinnen befürchten, dass in ihrem Umfeld Krebs mit Sterben und Tod gleichgesetzt werde und hinterfragen deshalb das offene Sprechen über die Erkrankung (Auseinandersetzung mit Sterben und Tod). Das verstärke Ängste, finden manche. Und das könne auch dazu führen, dass man die Anderen trösten, beruhigen oder auffangen müsse, obwohl es doch anders herum sein sollte. Andere finden, dass das Umfeld genauso lernen muss, mit der Krankheit umzugehen und derartige Themen nicht Tabu sein sollten.
Christiane Gertz überlegt, ob es falsch ist, offen über den Krebs zu sprechen. Für sie war es gut.
Petra Schuler erzählt, dass ihre Nachbarin mit ihr sprach, als müsse sie bald sterben.
Sehr viele unserer Erzählerinnen irritiert es, wenn sie gar nicht auf ihre Erkrankung und auf Befürchtungen angesprochen werden. Dann hätten sie lieber Nachfragen, um reagieren zu können, beziehungsweise dann könnten sie selbst entscheiden, worüber sie reden wollen und worüber nicht. Silke Winter ist zum Beispiel generell erst einmal offen mit ihrer Krebserkrankung, aber macht es von ihrem Gegenüber abhängig, wie viel sie preisgibt. Sind Personen ihr gegenüber sehr belehrend oder blocken die Themen Krankheit und Tod ab, bricht sie Gespräche ab.
Julia Bring erzählt, dass man sie angehalten habe, nicht über das Sterben zu sprechen.
Das Nicht-Sprechen über den Krebs findet Bianca Winkler schlimmer, als den falschen Ton zu treffen.
Viele unserer Interviewpartnerinnen berichten von Sprüchen, die sie immer wieder aus dem Umfeld zu hören bekommen. Die Aussagen „Das wird schon wieder“ und „Du schaffst das schon“ werden von manchen der Frauen als schlimm empfunden, weil sie darin ein „Bitte werde schnell wieder gesund, aber lass mich damit in Ruhe“ hören. Für sie sind das Sätze, die Abwehr ausdrücken. Auch die Zuschreibung von anderen, „Du bist stark“, lässt einige Erzählerinnen unglücklich werden, da sie ja keine andere Wahl hätten, anders mit der Erkrankung umzugehen. Anderen dagegen macht das Zusprechen von Stärke Mut.
Manuela Weber wünscht sich, dass keiner zu ihr sagt, „Du schaffst das schon“.
Elke Ferch findet, dass starke Menschen eine starke Herausforderung bräuchten.
Ebenso berichten viele der Erzählerinnen von Kommentaren zu ihrem Äußeren während und nach den Behandlungen (Brustverlust und Haarverlust). Grundsätzlich finden es viele Frauen gut, auf ihr verändertes Aussehen angesprochen zu werden, weil sie dann darauf reagieren können.
Tanja Auer geht mit kurzen Haaren raus und wird angesprochen. Das findet sie gut.
Manche der Interviewpartnerinnen wählen sehr bewusst ihr Vokabular aus, wie sie über das Erleben der Erkrankung sprechen. Vor allem während der Therapien nutzten einige das Wort „Kampf“, um zum Ausdruck zu bringen, dass sie nicht aufgeben wollen. Andere Erzählerinnen stehen dieser Wortwahl kritisch gegenüber: Sie überlegen, was es bedeuten kann, wenn der Kampf nicht zu gewinnen ist. Einige der Frauen haben in der Behandlungszeit Leitsätze, die sie tragen, wie zum Beispiel: „Ich will leben“. Nach den Therapien sagen auch manche ganz bewusst: „Ich hatte Krebs“, weil sie davon ausgehen, jetzt gesund zu sein.
Julia Bring gibt ohne Kampf nicht auf.