Freundeskreis

Fast alle Interviewpartnerinnen haben in ihren Erzählungen ihre Freund*innen erwähnt. Viele berichten von einer oder mehreren Freund*innen, die sie eng begleiten, aber auch davon, dass sie Freundschaften verloren oder sie sich verändert haben. Marion Pfulding, deren Familienangehörigen zur Zeit der Erkrankung nicht vor Ort lebten und berufstätig waren, beschreibt es beispielsweise als „Glücksfall“, dass eine Freundin gerade Rentnerin wurde und ihr anbot, zu allen Gesprächs- und Behandlungsterminen mitzugehen. Das habe sie bis zum letzten Tag durchgezogen, erzählt sie. Auch ganz praktische Hilfsangebote wurden von unseren Erzählerinnen sehr geschätzt: Einladungen zum Essen, das zeitweise Übernehmen der Kinderbetreuung, Unterstützung im Haushalt und vieles mehr. Immer wieder betont haben unsere Interviewpartnerinnen, wie viel Kraft es ihnen gab, wenn sie von ihren Freund*innen besucht und beschenkt wurden und Anteilnahme erfuhren. Die meisten unserer Erzählerinnen erhoffen sich, dass der Umgang mit den Freund*innen „normal“ bleibt, in einem ausgewogenen Verhältnis von Sorge und Fürsorge.

Gudrun Altmann kann ihre Freund*innen auch nachts anrufen und freut sich über liebe Aufmerksamkeiten.

Brigitte Rose wünscht sich von ihren Freund*innen ein normales Verhalten: weder zu viel Sorge noch zu wenig Interesse.

Dieser ausgewogene Umgang miteinander scheint allerdings nicht einfach zu sein: Sehr viele unserer Erzählerinnen berichten, dass sie seit der Diagnose gemieden werden, Freund*innen sich nicht mehr melden. (Auseinandersetzung mit Ablehnung, Kränkungen, Schuld- und Schamgefühlen) Sie vermuten, dass dies aus Angst geschieht oder aus Unsicherheit, wie man auf das Thema Krebs reagieren solle. Der Freundeskreis sortiert sich folglich aus. Katrin Oppelner beschreibt es so, dass sich die Spreu vom Weizen trenne. Die meisten der Frauen sagen, dass sie durch ihre Erkrankung gelernt hätten, wer „die richtigen“ Freund*innen sind.

Für Nicole Bissinger war es das Schlimmste neben der Krankheit, dass sie angebliche Freund*innen verloren hat.

Petra Schulers Freundeskreis hat sich neu sortiert, das ist für sie eine gute Erfahrung.

Jasmin Nussing beschreibt, was für sie „richtige“ Freund*innen sind.

Wie in den Zitaten eben deutlich wurde, ziehen sich unsere Interviewpartnerinnen auch aktiv von einigen Menschen zurück, weil sie merken, dass die Kontakte ihnen zu oberflächlich sind und ihnen nicht gut tun. Manche unserer Erzählerinnen beschreiben dies als Schnitt, den sie vollzogen haben. Einige der Erzählerinnen meinen, dass sie sich selbst verändert und dadurch manche Freundschaften an Wert verloren hätten. Dies kann den Weg öffnen, neue Freund*innen zu finden.

Helga Dietrich veränderte sich und fand neue Freund*innen.

Über ihre Ängste spricht Carolin Zenning nur mit sehr wenigen Freundinnen und mit ihrer Psychoonkologin.

Einige Interviewpartnerinnen berichten davon, dass sie es als sehr hilfreich empfanden, eine Freundin zu haben, die auch an Brustkrebs erkrankt war oder ist, weil nicht Betroffene die existentiellen Ängste nicht in demselben Maße nachfühlen und deshalb meist keineTipps geben können. „Mit Dir kann ich am besten reden, weil Du weißt, von was ich rede“, sagt die ebenso betroffene Freundin von Nicole Bissinger zu ihr. Manche waren froh, dass die selbst erkrankte Freundin mit den Kindern über die Diagnose sprach und Ängste nahm (Kinder). Einige der Erzählerinnen haben während der Chemotherapie eine andere Patientin kennengelernt und durchliefen dann mehr oder weniger gemeinsam die Behandlungszeit. Julia Bring bezeichnet ihre neue Freundin als ihren „Krebs-Buddy“. Auch in der Reha oder Kur, in der Selbsthilfe oder in Internet-Foren werden solche Freundschaften geschlossen (Psychoonkologie, Psychotherapie, Selbsthilfe).

Marion Pfulding und ihre „Chemofreundin“ stützen sich gegenseitig.

Obwohl bei ihrer Freundin die Erkrankung ganz anders verläuft, geht Greta Tietze-Stein den Weg mit ihr.

Einige unserer Interviewpartnerinnen haben Botschaften formuliert, die sie ihren sozialen Kontakten gerne mitgeben wollen. Besonders am Anfang der Erkrankung haben sich manche unserer Frauen gefreut, wenn ihre Freund*innen sie zu Unternehmungen abholten, um sie bewusst davon abzuhalten, zu Hause im Grübeln zu versinken und um weiterhin das Gefühl zu haben, dazu zu gehören. So wünscht sich Carolin Zenning: „Bitte hört nicht auf, mich einzuladen.“ Auch viele andere formulieren, dass die Freund*innen sich nicht zurückziehen sollen. Sie sehen dabei durchaus die Nöte und Unsicherheiten ihrer Bekannten und die meisten unserer Erzählerinnen fänden es gut, wenn diese zum Thema gemacht würden. Manche hätten sich mehr Eigeninitiative aus ihrem Bekanntenkreis gewünscht, andere finden es wichtig, dass sie selbst kommunizieren können, was sie brauchen (Sprechen über Krebs).

Andrea Jesse bittet ihre Freund*innen, sich nicht zurückzuziehen und nachzufragen.

Bianca Winkler wünscht sich angstfreie, mitfühlende Freund*innen, die Hilfe anbieten.

Ulrike Blessinger findet es wichtig, dass man Freund*innen auch etwas zumutet und Aufgaben zuteilt.