Familiärer Brustkrebs
Bei einigen unserer Interviewpartnerinnen kommen in der Familie gehäuft Krebserkrankungen vor und sie machen sich Gedanken, ob eine familiäre Anfälligkeit vorliegt, beziehungsweise ob der Brustkrebs vererbbar ist. Zwei solcher vererbbaren Anlagen sind seit langem bekannt: die sogenannten Brustkrebs-Gene BRCA1 und BRCA2. Es wird angenommen, dass das Vorhandensein der veränderten Erbinformation das Brustkrebs-Erkrankungsrisiko deutlich steigere. Einige unserer Erzählerinnen bekamen von ärztlicher Seite die Empfehlung, einen Test durchführen zu lassen, ob sie Genträgerinnen sind, um eine engmaschige Kontrolle gewährleisten zu können. Andere ergriffen selbst die Initiative und führten den Test in einer humangenetischen Einrichtung durch. Wieder andere entschieden sich bewusst gegen den Test, auch wenn mehrere weibliche Verwandte Krebs hatten oder haben, weil dies nichts an ihrem Verhalten ändere und sie sowieso in guter ärztlicher Betreuung seien.
Jasmin Nussing hat das BRCA1-Gen, ihre Schwester nicht.
Ist eines der bekannten Brustkrebs-Gene vorhanden, können für die betroffenen Frauen bestimmte Entscheidungen anstehen, zum Beispiel ob sie eine vorbeugende Brustabnahme und Eierstockentfernung durchführen lassen, um das Risiko einer Wiedererkrankung zu senken. Den betroffenen jungen Interviewpartnerinnen wurde von ärztlicher Seite meist empfohlen, sich mit 40 Jahren die Gebärmutter und die Eierstöcke entfernen zu lassen, da als Genträgerinnen auch ein vermehrtes Risiko für Gebärmutterhalskrebs oder Eierstockkrebs bestünde. Auch die Frage einer möglichen Schwangerschaft ist für die jüngeren Erzählerinnen nicht leicht zu entscheiden, da sie das Gen weitertragen könnten.
Anke Schwartz muss sich als Genträgerin noch klar werden, ob sie sich beide Brüste abnehmen lässt.
Jasmin Nussing entschied sich trotz des BRCA1-Gen für eine brusterhaltende Operation.
Die Erzählerinnen mit Kindern machen sich Sorgen, ob sie das Gen weitervererbt haben, manche ließen sich deswegen testen, um ihre Kinder im Falle eines positiven Ergebnisses möglichst früh in einem Vorsorgeprogramm untersuchen lassen zu können. Die Reaktionen der Töchter fielen in den Erzählungen unserer Interviewpartnerinnen dann unterschiedlich aus: Sie berichten, dass manche der jungen Frauen es ganz bewusst ablehnten, sich selbst testen zu lassen. Die meisten hätten aber einen Vermerk bei ihrer Frauenärztin hinterlassen, dass ihre Mutter und gegebenenfalls Großmutter beziehungsweise weitere weibliche Verwandte von Brustkrebs betroffen sind.
Helga Dietrichs Tochter will nicht wissen, ob sie selbst Brustkrebs-Genträgerin ist.
Tanja Auers Tochter möchte wissen, ob sie auch Brustkrebs-Genträgerin ist.
Dass auch Männer und damit die Söhne das Gen weitervererben können, war für einige unserer Frauen eine unerwartete Information.
Claudia Kressmann beschäftigt es, dass ihr Sohn auch Brustkrebs-Genträger sein könnte.
Jasmin Nussings Onkel ist auch Brustkrebs-Genträger und spricht mit seinen Kindern.
Es gibt in unseren Erzählungen auch die andere Generationen-Reihenfolge: Sabine Buck erkrankte zuerst, danach ihre Mutter. Nun denkt Sabine Buck darüber nach, ob sie einen Gentest machen soll, um gewappnet zu sein, falls der Krebs wiederkomme und um öfters zur Früherkennung gehen zu können.
Alle Interviewpartnerinnen, die Genträgerinnen sind, sorgen sich auch um die erweiterte Familie: An wen sollen sie die Informationen weitergeben? Angelika Keller hat direkt mit ihren Schwestern gesprochen, die daraufhin beide zur Untersuchung gegangen sind. Einzelne machen die Erfahrung, dass die Nachricht nicht überall auf Interesse stößt.
Petra Schuler gibt alle ihre Unterlagen an ihre Großfamilie weiter, dass sie das BRCA1-Gen hat.