Auseinandersetzung mit Sterben und Tod
Für viele unserer Interviewpartnerinnen war die Diagnose Brustkrebs Anlass, sich mit den Themen Sterben und Tod auseinanderzusetzen. (Diagnoseschock und Leben mit Rezidiv oder Metastasen) Manche der Erzählerinnen sagen, dass ihnen in diesem Moment bewusst wurde, dass das Leben endlich ist. Sie beschreiben, dass sie sich „näher am Tod“ fühlen und sich überlegen, wann und wie sie vielleicht sterben werden. Auch würden sich die Fragen, „Wie viel Zeit hast Du noch?“, „Bin ich die Nächste?“ oder „Was kann ich noch machen?“ aufdrängen. Einige betonen auch, dass die Erkrankung Brustkrebs kein Todesurteil sein muss, weil sie gut behandelbar ist. Deshalb würden sie nicht unmittelbar ans eigene Sterben denken. Manche der Frauen wollen den Tod ganz bewusst nicht zum Thema machen, um sich auf die Gestaltung des Lebens zu konzentrieren. Sie nahmen sich vor, das „Hier und Jetzt“ zu genießen.
Für Carolin Zenning ist der Tod wie zum Anfassen geworden.
Ute Schuhmacher erzählt von der Unsicherheit, wie lange sie noch leben wird.
Die Hoffnung stirbt zuletzt, sagt Andrea Jesse, sie will nicht ans Sterben denken.
Ulrike Blessinger sieht die Endlichkeit als Auftrag, das Leben bewusst zu genießen.
Silke Winter setzt sich intensiv mit der Frage auseinander, was wichtig ist.
Für die meisten der interviewten Frauen sind diese Gedanken schwer und sie suchen nach Möglichkeiten, diese zu ertragen. Einige stellen fest, dass sie nicht gut auf die Auseinandersetzung mit Sterben und Tod vorbereitet sind. Andere haben schon früher über die Endlichkeit nachgedacht und finden Halt in ihrem Glauben oder in ihrer Weltanschauung. Der Tod gehöre für sie zum Leben.
Tova Goldblum hat keine Angst vor dem Tod und glaubt, dass jede*r seine Zeit auf der Erde bekommt.
Einige unserer Interviewpartnerinnen bringen sehr deutlich ihre Angst vor dem Sterben zum Ausdruck. Manchen gelingt durch die fortdauernde Auseinandersetzung mit dem möglichen Tod, mit der Angst umzugehen. Vor allem nach der Behandlungszeit werde die Angst weniger, sagen einige der Frauen. Andere erzählen davon, dass ihre Angst immer bleiben würde, weil man keine Garantie habe und es nicht jede schaffe. Petra Schuler rät, sich professionelle Hilfe zu suchen, wenn die Angst einen jeden Tag beherrscht. (Psychoonkologie, Psychotherapie, Selbsthilfe) Sie erzählt: „Die Angst hat mich nach vorne geprügelt, immer mehr für mich zu tun, was mir gut tut“. Auch andere berichten, dass sich die Sicht auf die Dinge durch die Angst vor dem Sterben verändere. Man lebe wesentlich intensiver als vorher, weil man die Endlichkeit des Daseins vor Augen habe.
Iris Ludwig berichtet, wie sie versucht, ihre Angst vor dem Sterben zu tolerieren.
Durch die Auseinandersetzung mit dem Sterben hat Nicole Bissinger Frieden mit dem Tod geschlossen.
Einige erzählten auch, dass die Angst vor dem Sterben sich besonders dann zuspitzte, wenn andere an Brustkrebs erkrankte Frauen aus dem Leben scheiden. Ebenso berichten einige Erzählerinnen, dass sie sich vermehrt mit dem eigenen Tod beschäftigten, als bei ihnen ein Rezidiv (Wiederauftreten des Krebses) oder Metastasen (Streuungen des Krebses) festgestellt wurden. (Leben mit Rezidiv oder Metastasen) Hier erzählen einzelne Interviewpartnerinnen von einer gewissen Gewöhnung an den Gedanken des Sterbens. Silke Winters Angst vor dem Tod habe sich wiederum durch die Beschäftigung mit der Endlichkeit im Rahmen der Erkrankung verringert. Das Thema Tod und Sterben gehöre zum Leben dazu und dürfe in der Gesellschaft nicht tabuisiert werden.
Für die junge Alina Schiller ist das Thema Tod und Sterben präsenter geworden.
Einige der Erzählerinnen berichten, dass sie mit ihren Angehörigen das Gespräch über ihr Lebensende suchen. Manche erstellten ein Testament, eine Vorsorgevollmacht oder eine Patientenverfügung. Wichtig ist ihnen dabei, rechtzeitig mitzubestimmen, wie sie später einmal sterben möchten. Besonders den Älteren unter unseren Interviewpartnerinnen ist es ein Anliegen, die Dinge geordnet zu wissen, damit die Familie hinterher keine „Lauferei“ habe. Gerda Martin hat sogar schon ihre Beerdigungskosten bezahlt. Vielen fällt es allerdings besonders schwer, mit ihren Kindern darüber zu sprechen. „Weil man ihnen die Last aufbürdet, darüber nachzudenken“, sagt Anke Schwartz. (Kinder) Einige suchen bei einer Psychoonkologin oder anderen professionellen Gesprächspartner*innen Rat, wie sie Vorsorge für ihr Lebensende treffen können. (Psychoonkologie, Psychotherapie, Selbsthilfe)
Silke Winter ist Autonomie besonders wichtig.
Auch über die Fragen, was beim Sterben und nach dem Tod passieren wird, denken einzelne der Frauen nach. Manche finden Halt im Glauben, andere führen naturwissenschaftliche Erklärungsversuche an. Alina Schiller möchte ihren Körper beispielsweise Wissenschaft und Forschung zur Verfügung gestellt wird.
Heike Tschirner ist auch ein wenig gespannt darauf, was biochemisch beim Sterben passieren wird.