Auseinandersetzung mit Ablehnung, Kränkungen, Schuld- und Schamgefühlen

Einige Frauen berichten in den Interviews, dass sie aufgrund ihres Brustkrebses Kränkungen im öffentlichen, beruflichen und privaten Umfeld erlebt haben und Vorurteilen ausgesetzt waren: Sie fühlten sich gemieden, ausgegrenzt oder durch unüberlegte Bemerkungen verletzt. So individuell wie unsere Interviewpartnerinnen sind, so unterschiedlich sind auch ihre Auseinandersetzungen mit den Kränkungen. Bei vielen der Erzählerinnen sind die Ablehnungen und Kränkungen Anlass, ihren Bekanntenkreis neu zu sortieren. Einige Freundschaften gehen verloren, allerdings berichten auch einige Interviewpartnerinnen, wie neue Freund*innen über die Erkrankung dazukamen (Freundeskreis).

Sonja Zeiss-Wengler denkt darüber nach, warum Leute einem aus dem Weg gehen, wenn man an Krebs erkrankt ist.

Carolin Zenning kränkt es, dass einige ihrer Freund*innen sich zurückgezogen haben aus Angst vor dem Krebs.

Elke Ferch lernte Menschen kennen, die sie wertschätzen, weil sie etwas hinter sich hat, was ihnen Angst macht.

Ebenso als kränkend wurde von einigen Interviewpartnerinnen empfunden, wenn sich Arbeitgeber*innen und Kolleg*innen in der Zeit der Behandlung nicht gemeldet haben. Sie fühlten sich herabgesetzt und von der Arbeitswelt ausgeschlossen (Auswirkungen auf den Beruf und Ausbildung).

Das Ausgegrenztsein von der Arbeit hat Marion Pfulding belastet.

Nicht nur die Ablehnung und der Rückzug von Freund*innen, Bekannten und Kolleg*innen sind kränkend für unsere Interviewpartnerinnen. Sie erzählen auch von konkreten, verletzenden Äußerungen ihres Umfeldes zu ihren körperlichen Veränderungen durch die Begleiterscheinungen der Therapien: zum Brustverlust (Brustverlust), der Glatze (Haarverlust) oder der Gewichtszuname. Auch das führt bei einigen der Erzählerinnen dazu, dass sie Freundschaften oder Kontakte beenden. Gegen Kränkungen, die im öffentlichen Bereich stattfinden, können sich die Frauen dagegen kaum wehren. Es helfe, wenn die Partner, die Familie oder die Freund*innen trotz aller körperlichen Veränderungen zu ihnen stehen und sie so annehmen, wie sie sind, berichten sie. Einige der Frauen stellten grundsätzlich fest, dass sie durch die Erkrankung empfindlicher geworden sind und sensibler auf Äußerungen aus dem Umfeld reagieren.

Als Jasmin Nussing von Freund*innen zu hören bekam, dass sie fett und hässlich sei, beendete sie den Kontakt.

Nicole Bissinger schämt sich für ihr Dicksein.

Einige unserer Interviewpartnerinnen empfinden das Gefühl von Scham, aber auch von Schuld. Sie erzählen, dass sie sich überlegten, ob sie etwas falsch gemacht hätten: die Ernährung, zu wenig Bewegung, ein spezifisches Erlebnis, das den Krebs ausgelöst haben könnte. Die damit verbundene Frage „Warum ich?“ sei für eine Weile ein „total beherrschendes Thema“, meint Bianca Winkler. Vor allem manche der Frauen, die eigentlich keine Risikofaktoren haben, treibt diese Frage um. Andere dagegen nehmen es als gegeben an, an Brustkrebs erkrankt zu sein.

Auf die Frage, warum sie erkrankt ist, gibt es für Ute Schuhmacher keine Antwort. Sie schaut nach vorne.

Für Nurguel Dogan ist die Krankheit von Gott gegeben, sie fragt nicht nach dem Warum.

Einzelne Interviewpartnerinnen dachten in diesem Zusammenhang darüber nach, ob es Krebs-Typen oder Krebs-Persönlichkeiten gäbe, die das Ausbrechen der Erkrankung begünstige. So auch Elke Ferch: Sie besuchte einen Vortrag darüber und war dann erleichtert, zu hören, dass ein Zusammenhang zwischen Persönlichkeit und der Diagnose Krebs nicht erwiesen sei.

Für Elke Ferch war es eine Erleichterung, bei einem Vortrag zu hören, dass es keine Krebs-Typen gibt.

Für manche begünstige das Gesundheitssystem durch bestimmte Kampagnen auch das Gefühl, selbst schuld zu sein am Ausbruch der Erkrankung. Denn wenn man erkranke, würde das bedeuten, dass man sich nicht richtig um seine Gesundheit gekümmert oder den falschen Lebensstil habe. Deshalb ist es einzelnen Erzählerinnen wichtig, das Thema Schuld und Scham immer wieder in der Öffentlichkeit zu diskutieren mit dem Ziel, Andere zum Nachdenken anzuregen. Viele der Interviewpartnerinnen sind auch der Meinung, dass Krebs keine Erkrankung sei, für die man sich schämen muss. Manche fordern andere Betroffene auf, offensiv damit umzugehen, damit das Thema aus der „Tabu-Ecke“ heraus käme. Auch Nicht-Betroffene sollten den Krebs nicht ausklammern, sondern über ihn sprechen, meinen einige.

Sonja Zeiss-Wengler ist heute vorsichtig mit Schuldzuweisungen und Urteilen über andere Menschen.

Sonja Zeiss-Wengler denkt darüber nach, ob Lebensstil schuld daran sein kann, zu erkranken.

Marion Pfulding findet, dass man den Krebs ansprechen soll. Es sei eine Krankheit, die alle treffen könne.