Sexualleben und Partnerschaft
Für viele unserer Interviewpartnerinnen waren die Auswirkungen auf ihr Sexualleben und ihre Partnerschaft ein wichtiges Thema. Sie berichten davon, dass sich ihr Sexualleben während der Behandlungszeit zeitweilig oder auch grundlegend verändert habe.
Einige Frauen erzählen, dass sie während der Hormontherapie keine körperliche Nähe wollten, dass sie keine Berührungen ertrugen, dass das Sexualleben „ganz unten“ oder „voll auf der Strecke“ geblieben sei bzw. „hinten anstehen“ müsse. Dafür machen sie verschiedene Dinge verantwortlich. Manche unserer Interviewpartnerinnen fühlten sich unattraktiv wegen der Operationsnarben und/oder der Glatze und wollten daher keine sexuellen Kontakte. Andere hatten körperliche Leiden beim Sex durch zum Beispiel trockene Schleimhäute und anderen Nebenwirkungen der Therapien (Brustverlust, Haarverlust und Hormon- und Antikörpertherapie (Immuntherapie)). Viele der Erzählerinnen finden, dass die Partner über mögliche Auswirkungen der Brustkrebstherapien auf die Sexualität der Frauen aufgeklärt werden müssten. Bei manchen dauerte es einige Jahre, bis sie wieder zu ihrem Sexualleben zurückgefunden hatten.
Carolin Zenning hatte eine Affäre in der Zeit der Chemotherapie.
Für Miriam Sulz-Brecht war es ein langer Weg, zu ihrem Körper und ihrem Sexualleben zurückzufinden.
Tova Goldblum ist der Meinung, dass zu wenig über Sex und Intimität gesprochen wird.
Einige unserer Interviewpartnerinnen, die in festen Beziehungen leben, erzählen, dass sich die Prioritäten in ihrem Sexualleben während der Behandlungszeit verschoben hätten: Nicht der Geschlechtsverkehr stehe für sie im Mittelpunkt, sondern Kuscheln und das Gefühl von Nähe. Von ihren Partnern beziehungsweise Partnerinnen berichten einige, dass diese Hemmungen gehabt hätten, sie zu berühren, aus Sorge, ihren Frauen weh zu tun oder sie zu verletzen. Sie berichten auch, dass sie ihr Sexualleben nach den Therapien gemeinsam wieder neu entdeckten. So erleben manche auch positive Folgen auf die Intimität. Melanie Thiel meint beispielsweise, dass ihre Beziehung durch die Krebserkrankung noch mehr gewachsen sei.
Andrea Jesse ist der Meinung, dass nicht nur das Sexualleben eine Partnerschaft ausmache.
Helga Dietrich führte ihrem Mann die Hand und zeigte ihm, dass er sie streicheln kann.
Am Anfang war Monika Hechstein zurückhaltend, heute lebt sie ihr Sexualleben wie vor der Erkrankung.
Für Christiane Gertz hat das Sexualleben eine andere Note bekommen.
Die meisten Interviewpartnerinnen finden, dass sie von ärztlicher Seite nicht genügend über die Veränderungen im Sexualleben aufgeklärt wurden. Manche halten dies allerdings für eine persönliche Sache und wünschen gar keine Ratschläge von medizinischen Fachpersonen.
Brigitte Rose findet, dass das Sexuelle in jeder Partnerschaft für sich geklärt werden muss.
Unsere Interviewpartnerinnen erzählen auch von negativen Reaktionen ihrer Partner auf die Erkrankung Brustkrebs. Einzelne Frauen haben einen Partner, der fremdgegangen ist. Elke Ferch sagt heute, dass es sie mehr erschüttert habe, dass ihr Mann eine Freundin in der Zeit der Erkrankung hatte, als die Krebsdiagnose selbst. Tova Goldblum berichtet, wie sie von ihrem damaligen Freund verlassen wurde, weil er mit einer kranken Frau nichts zu tun haben wollte. Heute ist sie zu dem Punkt gekommen, dass sie nur aufgrund von Sex keinen Mann suche, der sie und die ganze Situation nicht versteht. Sie könne sich auch alleine etwas Gutes tun.
Annette Huber riss sich am Riemen trotz sexueller Lustlosigkeit.
Irmgard Hansen bekommt zu hören, dass sie mit Brustkrebs nicht mehr auf Brautschau gehen könne.
Manche der Interviewpartnerinnen haben in der Zeit der Erkrankung einen neuen Partner gefunden. Regina Ritter erzählt, dass sie es für ein Geschenk Gottes hält, dass ihr jetziger Mann nach der ersten Krebsdiagnose noch in ihr Leben gekommen war (Brustverlust). Nachdem ihre damalige Beziehung zerbrochen ist, hat Alina Schiller beim Dating meist schnell ihre Krebserkrankung thematisiert und verschiedene Reaktionen erlebt. Sie hat einen neuen Partner gefunden, der sie unterstützt und so liebt, wie sie ist.
Manche der Interviewpartnerinnen hätten sich mehr Unterstützung von ihren Partnern gewünscht. Die meisten der Teilnehmerinnen erzählen aber davon, wie sehr sie von ihren Partnern beziehungsweise Partnerinnen begleitet wurden: Sie ließen ihre Frauen nicht mehr alleine, gingen zu den Arztgesprächen mit, saßen bei der Chemotherapie daneben, hielten ihren Frauen den Rücken frei, organisierten und betreuten die Kinder, betrieben Recherchen und holten Informationen ein, machten Mut, gaben Stärke, (finanzielle) Sicherheit und Stütze und waren eine Schulter, an der sich die Betroffene ausweinen konnte. Die Frauen berichten auch von den Ängsten und Sorgen ihrer Partner: Dass sie ihre Frauen verlören, sie ihnen nicht helfen könnten, dass sie mit den Kindern alleine da stünden, finanziell nicht über die Runden kämen u.a.. Oft wurde in den Interviews erwähnt, dass die Zeit der Erkrankung beiden Partnern gezeigt hätte, wie sehr sie sich brauchen und lieben. Einzelne Paare äußerten zum Zeitpunkt des Interviews den Wunsch, zu heiraten, wenn sie alles hinter sich gebracht hätten.
Angelika Keller pflegt ihren querschnittsgelähmten Ehemann, dem die Ungewissheit große Angst machte.
Elke Ferch hätte sich ihren Ehemann häufiger an ihrer Seite gewünscht.
Andrea Jesse beschreibt, wie ihr Mann ganz viel mitgetragen und mitgelitten hat.
Die Beziehung von Melanie Thiel und ihrem Mann ist durch die Krebserkrankung noch mehr gewachsen.
Bianca Winkler hat es geholfen, zu merken, wie sehr sie und ihr Partner sich lieben.