Kinderwunsch, Schwangerschaft und Muttersein
Die jüngeren unserer Interviewpartnerinnen mussten sich angesichts der Nebenwirkungen der Behandlungen mit der Frage der Familienplanung aktiv auseinandersetzen. Sie machen sich zum Beispiel Sorgen, dass sie vor allem durch die Chemotherapie unfruchtbar werden könnten, bzw. haben Bedenken wegen der längerfristigen Folgen. Manche von ihnen wurden von den Ärzt*innen darauf angesprochen, dass durch die Therapien die Periode ausbleiben könne und die Wahrscheinlichkeit, auf natürlichem Wege schwanger zu werden, je nach Alter der Frau geringer sei. Einige unserer Erzählerinnen informierten sich selbst darüber, welche Konsequenzen die Behandlungen auf eine mögliche Schwangerschaft haben könnten.
Eva Manz überlegte, dass es in ihrem Alter von 38 Jahren sein kann, dass sie nach der Chemotherapie in den Wechseljahren verbleibt und suchte ein Kinderwunschzentrum auf, um sich beraten zu lassen. Was kann man tun, um Vorsorge zu treffen? Sie entschied sich dafür, befruchtete Eizellen einfrieren zu lassen. Die erste Chemotherapie-Gabe erlebte sie dann als die schlimmste: Sie vermutet, dass durch die Eizellenentnahme der ganze Unterbauch so gereizt war, dass der Körper heftig rebellierte. Miriam Sulz-Brecht nutzte die Möglichkeit, Eierstockgewebe zu entnehmen. Die Kosten einer Kryokonservierung werden seit dem 01. Juli 2021 für gesetzlich Versicherte von den Krankenkassen übernommen. Einige der Erzählerinnen, die schon ein oder mehrere Kinder haben, argumentieren, dass sie nicht unbedingt weiteren Nachwuchs bekommen wollen und gehen nicht zu einer Beratung. Auch einzelne der kinderlosen Frauen treffen keine Maßnahme. Wenn sie nicht mehr schwanger werden könne, dann sei es eben so, meint Jasmin Nussing. Annette Huber ist sich ganz sicher, keinen Kinderwunsch mehr zu haben und lässt sich vor den Behandlungen sterilisieren.
Die Genträgerinnen unter unseren jungen Interviewpartnerinnen haben sich bewusst dagegen entschieden, Kinder zu bekommen: Sie hatten Angst, den Krebs zu vererben. Obwohl Carolin Zenning keine BRCA 1- oder BRCA 2-Trägerin ist, sorgt sie sich, den Brustkrebs weiterzugeben, denn es sei ja noch nicht alles erforscht, meint sie. Julia Bring findet es hilfreich, sich mit gleichaltrigen Betroffenen darüber auszutauschen und die Traurigkeit zu teilen, keinen Nachwuchs zu haben.
Die meisten unserer jungen Erzählerinnen waren sehr froh, als sie nach den Behandlungen ihre Tage wieder bekamen. Sie deuteten es als ein gutes Zeichen, dass der Körper wieder „normal“ funktioniere und diejenigen mit Kinderwunsch können dadurch hoffen, auf natürlichem Wege schwanger zu werden. Unsere Interviewpartnerinnen machen sich grundsätzlich Gedanken darüber, wann der geeignete Zeitpunkt dafür sein kann. Eva Manz ist noch mitten in der Hormontherapie, überlegt aber, sie früher als nach den vorgesehenen fünf Jahren zu beenden, um nicht zu alt für eine Schwangerschaft zu sein. Ihr Onkologe bot ihr und ihrem Partner Unterstützung an, eine Entscheidung zu treffen, indem sie alle Fakten zusammentragen und gemeinsam diskutieren. Die Frage nach dem Risiko für Mutter und Kind nach der Brustkrebserkrankung beschäftigt auch Miriam Sulz-Brecht. Aus Angst vor Schädigungen verhütet sie während der Tamoxifen-Therapie. Das findet sie schwer, da sie sich eigentlich wünscht, schwanger zu werden. Sie ist froh, dass nicht alle aus ihrem sozialen Umfeld ihr grundsätzlich abraten, an ein weiteres Kind zu denken, eine Freundin macht ihr Mut. Das brauche man, erzählt Miriam Sulz-Brecht. Sie will auch mit ihrer Psychoonkologin über den Kinderwunsch sprechen.
Einen Monat nach der Bestrahlung bekam Melanie Thiel ihre Tage wieder.
Eva Manzs Onkologe bot an, alle Fakten zum Kinderwunsch zu diskutieren und gemeinsam zu entscheiden.
Miriam Sulz-Brecht will sich vor dem „Projekt Schwangerschaft“ erst komplett durchchecken lassen.
Zwei unserer Interviewpartnerinnen wurden nach den Therapien auf natürlichem Wege schwanger. Sie machten sich davor Sorgen, ob das Ungeborene einen Schaden nehmen könnte und ob die Schwangerschaft erneut Brustkrebs auslöse. Beide informierten sich und suchten Ärzt*innen auf, um sich medizinischen Rat zu holen. Ihre Kinder kamen gesund zur Welt. Melanie Thiel berichtet davon, wie sie ihren Sohn mit der nicht operierten Brust stillt. Während der Schwangerschaft machte ihr Arzt zwei Mal einen Ultraschall der Brüste und nach dem Abstillen eine Magnetresonanz-Tomographie (MRT), um eine Neuerkrankung auszuschließen.
Fünf Jahre nach ihrer Erkrankung bekommt Iris Ludwig eine Tochter.
Melanie Thiel stillte ihr Baby mit der gesunden Brust.
In einer besonderen Situation war Miriam Sulz-Brecht: Die Diagnose Brustkrebs erhielt sie an einem Freitag am Ende ihrer Schwangerschaft in der 34. Woche. Gemeinsam mit den Ärzt*innen und der Hebamme entschied sie, mit der Therapie nicht sofort zu beginnen, obwohl sie einen schnell wachsenden Tumor hatte. Am folgenden Mittwoch wurde sie dann brusterhaltend operiert, eineinhalb Wochen später leiteten die medizinischen Fachpersonen die Geburt ein. Am Vorabend war sie noch einmal mit ihrem Mann bei einer Veranstaltung: Sie hätten den letzten Abend zu zweit genießen können, den Krebs ausblenden und an ihr Kind denken, erzählt sie. Wie sie oben berichtet, ließ sie sich vorsorglich Eierstockgewebe entnehmen, da sie sich ein zweites Kind wünscht. Es folgten eine Chemotherapie und Bestrahlungen, die sie mit dem Neugeborenen erlebt. Das Kind habe ihre Therapien positiv beeinflusst, meint sie. Ähnliches berichten einige andere Interviewpartnerinnen, die zum Zeitpunkt der Diagnose schon Mütter waren (Kinder).