Brustverlust
Je nachdem, wie groß der Tumor bei der Diagnose war, haben einige unserer Interviewpartnerinnen einen Teil ihrer Brust oder die ganze Brust, beziehungsweise beide Brüste entfernt bekommen (Mastektomie), andere hatten nur wenig Gewebe bei der OP verloren. Einige Frauen entschieden sich selbst für die Brustabnahme, obwohl ihnen eine brusterhaltende Operation vorgeschlagen wurde. Auch gibt es Frauen unter unseren Interviewpartnerinnen, die aus prophylaktischen Gründen eine Mastektomie durchführen ließen. Je nach Beweggründen, Lebenssituation und Persönlichkeit der Frauen wird dann auch der Umgang damit sehr unterschiedlich erlebt: Die Erzählerinnen beschreiben die Gefühle von „ganz schlimm“ bis „nicht schlimm“. Manche, wie Kirsten Seifert, argumentieren, dass die Brustamputation für den Körper nicht so heftig sei wie zum Beispiel eine Bauchoperation. Für die Psyche sei das allerdings etwas anderes.
Das Schreckliche war für Eva Manz nicht der Krebs, sondern der Verlust der Brust.
Die Auseinandersetzung mit dem Brustverlust ist für nahezu alle unserer Interviewpartnerinnen auch eine Auseinandersetzung mit ihrer Weiblichkeit: Sie fragen sich, ob sie nach dem Brustverlust noch eine vollwertige Frau sind, beziehungsweise als solche angesehen werden. Einige stören sich daran, dass Weiblichkeit und Brust gleichsetzt werden. Ebenso stellen manche Frauen ihr Frausein nicht in Frage und zeigen öffentlich ihre Einseitigkeit. Andere Interviewpartnerinnen überlegen, einen Brustaufbau machen zu lassen (Brustaufbau, Prothese). Wieder andere erlebten ihre Weiblichkeit ohne Brust ganz neu.
Heike Tschirner zeigt sich bewusst einseitig und trägt auf der amputierten Seite ein Tattoo.
Ute Schuhmacher denkt über einen Brustaufbau nach, um sich wieder wie eine Frau zu fühlen.
Viele unserer Interviewpartnerinnen machen sich Gedanken, ob der Brustverlust von außen sichtbar ist und wie sie damit umgehen wollen. Manche sind froh, dass sie ihn mit entsprechender Kleidung und Hilfsmitteln (Brustaufbau, Prothese) verdecken können, besonders wenn sie bei Geschäftsterminen nicht auffallen möchten. Andere zeigen sich mit abgenommener Brust, denn sie wollen bewusst ihre Kleiderwahl und ihr Verhalten nicht verändern. Viele der Frauen erzählen, dass gerade die Situation im Schwimmbad, in öffentlichen Duschen oder in der Sauna eine besondere Herausforderung darstelle. Einigen ist es ein Anliegen, Menschen nicht zu erschrecken, die nicht auf den Anblick einer abgenommenen Brust vorbereitet sind.
Für Kirsten Seifert ist es eine Beruhigung, dass man den Brustverlust von außen nicht sieht.
Elke Ferch sonnte sich oben ohne im Strandkorb und wurde von einem Mann angesprochen.
Gerda Martin verschränkt die Arme über der Brust in der Sauna.
Waltraud Amann will Andere mit dem Anblick der Brustabnahme nicht erschrecken.
Auch in der Partnerschaft muss ein Umgang mit dem Brustverlust gefunden werden. Manchen der Erzählerinnen tat es gut, mit ihrem Partner gemeinsam trauern zu können. Einige machten die Erfahrung, dass ihre Männer Schwierigkeiten hatten, die Körperstelle der Brustoperation zu berühren. Auch machten sich einige der Interviewpartnerinnen Sorgen, dass sich ihre Partner vor der operierten Körperstelle ekeln würden. Viele beschreiben, dass die Annäherung an die operierte Körperstelle für alle Beteiligten Zeit brauchte (Sexualleben und Partnerschaft).
Claudia Kressmanns Mann fasste die Stelle der abgenommenen Brust nicht an.
Die Frauen, die zum Zeitpunkt des Interviews alleinstehend sind, machen sich Gedanken, ob und wie sie einem potentiell neuen Partner gegenübertreten sollen. Manche können sich während der Zeit der Behandlungen nicht vorstellen, sich jemandem zu nähern, während andere ihren Partner währenddessen kennengelernt und als Unterstützung erlebt haben. So lernt zum Beispiel Iris Ludwig ihren jetzigen Ehemann in der Anfangszeit der Zweiterkrankung kennen und berichtet, dass das ihrer Genesung gut tat.
Regina Ritter erzählte ihrem jetzigen Mann beim ersten Date von ihrer Erkrankung.
Manche Interviewpartnerinnen haben die Brust aufgrund des Tumors in gewisser Weise als Feind oder Fremdkörper betrachtet. Dies traf sowohl auf Frauen zu, denen die Brust entfernt wurde, als auch auf eine Interviewpartnerin, die eine brusterhaltende OP hatte.
Alina Schiller hat widersprüchlich dazu, dass die Brust ihr „Feind“ war, ein Faible entwickelt.
Susanne Ricke hat gebraucht, bis sie ihre Brust wieder als Teil ihres Körpers akzeptieren konnte.