Diagnosestellung

In den Erzählungen der Frauen wird immer wieder deutlich, dass es nicht „den“ Moment der Diagnose gibt. Vielmehr handelt es sich um einen längeren Zeitraum, über den sich die Diagnosestellung erstreckt. In diesem Prozess wird zuerst ein Verdacht auf eine Brustkrebserkrankung geäußert, der bereits mehr oder weniger sicher ist. Es folgen eine Reihe von Untersuchungen, die manchmal mehrere Wochen andauern können. Die meisten unserer Interviewpartnerinnen hatten im Vorfeld körperliche Veränderungen bemerkt (Erste Anzeichen), die sie ärztlich kontrolliert haben wollten. Ihren Weg ins Gesundheitssystem fanden sie dabei meist über eine Gynäkologin oder einen Gynäkologen, vereinzelt auch über die Hausärztin oder den Hausarzt. Diese tasteten die Brust ab und veranlassten dann gegebenenfalls weitere Untersuchungen wie einen Ultraschall oder eine Mammographie.

Bei mehreren unserer Interviewpartnerinnen stand zunächst die Diagnose Fibroadenom (gutartige Geschwülste/Tumore der Brust) im Raum, bei einzelnen auch die Vermutung einer Zyste, einer Mastopathie (gutartige Veränderungen des Brust-Drüsengewebes), einer verkapselten Milchdrüse, einer Verhärtung eines Milchkanals, eines Ekzems, eines Hämatoms, von Fettablagerungen oder von Verkalkungen. Es wurden weitere Abklärungen notwendig.

Nach dem Ultraschall stand bei Melanie Thiel zunächst der Verdacht Fibroadenom im Raum.

Manchmal wurden auch in diesen ersten Untersuchungen keinerlei Auffälligkeiten festgestellt beziehungsweise die Ärzt*innen blieben bei ihrer vergleichsweise harmlosen Verdachtsdiagnose. Erst durch das Insistieren der Interviewpartnerin ordneten sie dann weitere diagnostische Maßnahmen an.

Silvia Litsching bestand trotz unauffälliger Mammographie auf weitere Abklärung.

Manche unserer Interviewpartnerinnen wurden aufgrund einer regulär von den Gynäkolog*innen oder Radiolog*innen durchgeführten Früherkennungsuntersuchung auf eine Brustveränderung hingewiesen und zur Abklärung durch weitere diagnostische Verfahren aufgefordert.

Bei Ulrike Blessinger wurde bei der Mammographie eine deutliche Verdichtung erkannt.

Schließlich gibt es Interviewpartnerinnen, die über das bundesweite Mammographie-Screening-Programm in die Diagnosephase eintraten. Zum Zeitpunkt der Interviewerhebung werden Frauen zwischen 50 - 69 Jahren alle zwei Jahre eingeladen, daran teilzunehmen. Zum 1. Juli 2024 haben auch Frauen zwischen 70 und 75 Jahren Anspruch auf eine Untersuchung zur Früherkennung von Brustkrebs.

Monika Hechstein erhielt per Post eine Einladung zum Mammographie-Screening.

Wenn diese Untersuchungen den Verdacht einer bösartigen Veränderung erhärten, wird meist ein Biopsie-Termin vereinbart. Viele unserer Interviewpartnerinnen gingen dafür in ein Krankenhaus, andere ließen diese in einer niedergelassenen Praxis durchführen. Manche Erzählerinnen waren zunächst unsicher, ob sie überhaupt eine Biopsie durchführen lassen wollten. Nicht immer ist allerdings eine eindeutige Diagnosestellung durch eine Biopsie möglich, wie die Erzählung von Bianca Winkler zeigt. Das Verfahren selbst wurde von manchen der Frauen als unangenehm empfunden, besonders das Geräusch der Apparatur. Viele haben dabei aber kaum etwas gespürt.

Sonja Zeiss-Wengler war sich nicht sicher, ob sie eine Biopsie machen lassen will.

Dagmar Schiffer beschreibt den Ablauf einer Stanzbiopsie.

Bei Bianca Winkler brachte die Biopsie keine Klarheit.

Dieser Prozess der Untersuchungsauswertungen war für viele unserer Interviewpartnerinnen nur schwer auszuhalten. Das Warten auf die endgültige Diagnose wurde unterschiedlich überbrückt: Einige Frauen nahmen sich frei von der Arbeit, andere gingen wie gewohnt ihrem Beruf nach, um sich abzulenken. Viele beschreiben diese Zeit der Ungewissheit als sehr schlimm, andere Frauen nahmen es gelassen.

Nicht die Biopsie, nicht das Ergebnis, sondern das Warten war für Katrin Oppelner das Schlimmste.

Katrin Oppelner ließ sich bei der Diagnose sofort krankschreiben.

Sabine Buck lenkte sich bewusst durch Arbeit bis zum Operations-Termin ab.

Dagmar Schiffer ist der Meinung, dass Panik die endgültige Diagnose nicht ändere und das Leben weiter gehe.

Meistens erfahren Betroffene nach der Biopsie von den behandelnden Ärzt*innen, ob sich der Verdacht auf Brustkrebs bestätigt hat und ob weitere Untersuchungen notwendig werden, um einen medizinischen Therapieplan erstellen zu können (Erstellen eines Behandlungsplans). Unsere Interviewpartnerinnen haben sehr unterschiedliche Erfahrungen mit der Diagnose-Mitteilung gemacht: Sie reichen von „auf dem Flur nachrufen“ bis zu einfühlsamen Gesprächen. Ebenso beschreiben die Frauen sehr unterschiedliche Bedürfnisse, wie sie von den Ärzt*innen behandelt werden wollen: Für manche Frauen ist es wichtig, direkt die Fakten genannt zu bekommen, andere wünschen sich mehr Sensibilität und Rücksichtnahme. Manche reagierten mit einem Schock auf die Diagnose (Diagnoseschock).

Sabine Buck ist es lieber, die Diagnose direkt ins Gesicht gesagt zu bekommen.

Carolin Zenning empfand die Mitteilung der Diagnose wie Schläge ins Gesicht.

Sonja Zeiss-Wengler wünscht sich von den ÄrztInnen Wachsamkeit bei der Diagnosemitteilung.

Ist die Zeit der Diagnosestellung vorbei, treten die Frauen in der Regel in die Phase der Behandlung ein. Gerne können Sie unter diesem Stichwort mehr dazu erfahren.