Nebenwirkungen der Chemotherapie
Das Spektrum der Erfahrungen unserer Interviewpartnerinnen mit den Begleiterscheinungen der Chemotherapie reicht von wenigen körperlichen Einschränkungen bis hin zum Denken ans Sterben wegen heftigstem Erbrechen oder starken Schmerzen. Einige fühlten sich durch die Behandlung nicht sehr beeinträchtigt, manche gingen nach wie vor ohne Unterbrechung arbeiten. Andere der Erzählerinnen litten sehr unter Übelkeit und Schwindel, was manchmal durch die Begleitmedikation auch nicht gelindert werden konnte. Diese Nebenwirkungen führten auch dazu, dass viele Interviewpartnerinnen ihrer Arbeit und anderen sozialen Aktivitäten nicht nachgehen konnten oder auf intensive Unterstützung aus dem sozialen Umfeld angewiesen waren. Einzelne mussten wegen der schlimmen Nebenwirkungen stationär aufgenommen werden. Manche der interviewten Frauen, die vor einigen Jahren schon einmal eine Chemotherapie verabreicht bekamen, heben allerdings auch hervor, dass die Medizin heute eine verbesserte Begleitmedikation anbieten könne als früher.
Bianca Winkler fühlte sich während der Chemotherapie leistungsfähig.
Heike Tschirner musste wegen starkem Erbrechen während der Chemotherapie in die Klinik.
Nurguel Dogan hatte starke Schmerzen während der Chemotherapie und dachte an den Tod.
Annette Huber nutzte Tropfen gegen das Schlechtsein während der Chemotherapie.
Unsere Interviewpartnerinnen nennen im Einzelnen folgende Nebenwirkungen:
• Erbrechen
• Haarverlust (Haarverlust)
• Knochenschmerzen
• Herzprobleme
• trockene Schleimhäute (Mund, Vagina)
• Ablösen der Fuß- und Fingernägel
• Taubheitsgefühle in Fuß- und Fingerenden
• Kribbeln in Fuß- und Fingerenden
• trockene Haut, rissige Fersen
• schlechtere Sehfähigkeit
• Müdigkeit (Fatigue)
• Energie- und Kraftlosigkeit
• Appetitlosigkeit
• Geschmacksveränderungen
• Geruchsempfindlichkeit
• Konzentrationsschwierigkeiten und Gedächtnislücken
• Aggressivität, Stimmungsschwankungen
Besonders auch der Verlust der Haare wurde von den meisten Betroffenen als sehr schlimm empfunden (Haarverlust). Deutlich wird im Vergleich der Interviews, dass das Ausmaß, wie die Nebenwirkungen erlebt werden, sehr individuell ist und dass jeder Körper anders auf die Gabe der Zytostatika reagieren kann. So ist auch die Dauer der Beschwerden abhängig von der jeweiligen Konstitution der Frauen. Manche berichten auch von einer „positiven“ Begleiterscheinung: Sie wurden in der Zeit der Chemotherapie nicht von Mücken gestochen.
Katrin Oppelner erzählt von ihrer Müdigkeit und den Gedächtnislücken während der Chemotherapie.
Einige unserer Interviewpartnerinnen nennen Wechseljahresbeschwerden wie Hitzewallungen und Schlafstörungen, die sie auf die Chemotherapie zurückführten. Auch hatten manche zeitweilig keine Regelblutungen oder nahmen deutlich an Gewicht zu. Einige der Frauen erzählen, dass die Gewichtszunahme durch die Begleitmedikation während der Chemotherapie verursacht werden könne, wenn sie zum Beispiel noch Cortison erhielten und sich dadurch Wasser einlagerte. Manche Interviewpartnerinnen berichten von „Fressattacken“: Sie hätten ständig Hunger gehabt. So erzählt beispielsweise Jasmin Nussing, dass sie es während der Chemotherapie aufgegeben habe, darauf zu achten, was sie isst: „Hauptsache, ich überstehe die Zeit irgendwie“, sagt sie. Wie einige andere erlebte sie negative Reaktionen auf ihre Gewichtszunahme (Auseinandersetzung mit Ablehnung, Kränkungen, Schuld- und Schamgefühlen).
Eva Manz hat sich an die Wechseljahresbeschwerden gewöhnt.
Nicole Bissinger hatte durch das Cortison ständig Hunger und nahm auch durch Wassereinlagerungen zu.
Einige der Erzählerinnen nutzen Bilder, um zu beschreiben, wie ihr Zustand während der Behandlung war. Bianca Winkler zum Beispiel habe sich „in einem Chemo-Kosmos gefangen“ gefühlt. Carolin Zenning hatte das Gefühl, dass ihre „Sinneskanäle wie verstopft, vergiftet“ waren und damit ihre Wahrnehmung eingeschränkt und ihre Emotionalität „völlig verflacht“ gewesen sei. An anderer Stelle vergleicht sie die Chemotherapie mit einem „Fog“ (Nebel), der zehn Tage angehalten habe. Dann war die Türe wieder aufgegangen und sie sei wieder da gewesen. Kirsten Seifert meint: „Da gehört einem der Körper nicht mehr“.
Carolin Zenning fühlte sich während der Chemotherapie wie eine Qualle.
Die Wirkungsweise der Chemotherapie insgesamt wird von manchen Interviewpartnerinnen auch in Bilder gefasst. Tova Goldblum nennt beispielsweise die Infusion wegen der roten Farbe „Bacardi“. Einige der Erzählerinnen finden, dass die Chemotherapie sie erst krank gemacht habe. Nicole Bissinger drückt es beispielsweise so aus, dass der Brustkrebs selbst nicht zu spüren sei, aber die brutalen Nebenwirkungen des „schlimmen Giftes“. Das mache es nicht einfach, die positive Wirkung der Chemotherapie anzunehmen, berichten manche. Sie versuchten immer wieder, sich das trotz der negativen Begleiterscheinungen bewusst zu machen.
Für die Sportlerin Gabriele Ohler war die Chemotherapie wie Doping.