Die Erfahrungen von Waltraud Amann

Portrait Waltraud Amann war alleinerziehende Mutter eines 15-jährigen Sohnes, als sie 1995 an Brustkrebs erkrankte. Nach der Therapie stieg sie über das Hamburger Modell wieder in ihren technischen Beruf ein, was die heute 66-Jährige als überaus hilfreich und ablenkend im Prozess ihrer Krankheitsbewältigung empfand.

Als Waltraud Amann einen Knoten in ihrer rechten Brust ertastete, habe sie sofort etwas Bösartiges geahnt. Eine Gynäkologin bestätigte ihren Verdacht. Der Gedanke: „Da musst Du jetzt durch“ erleichterte ihr den Weg zur Operation ins Krankenhaus. Nach der Entfernung der Brust und einiger Lymphknoten, sei sie zunächst in ein schwarzes Loch gefallen. Alles sei zu überraschend abgelaufen und sie habe kaum Zeit gehabt, nachzudenken.

Zeit habe sie auch nicht für ihren Sohn gehabt, da sie sehr mit sich selbst beschäftigt war. Auch wenn ihre Schwester sich damals gelegentlich um Haushalt und Sohn kümmerte, denkt Waltraud Amann heute, es wäre besser gewesen, ihrem Sohn jemanden zur Seite zu stellen, mit dem er über Gedanken oder Sorgen hätte sprechen können. Bis heute redet er kaum mit ihr über ihre Erkrankung.

Waltraud Amann entschied sich bewusst gegen einen Brustaufbau: Für sie selbst war dies nicht wichtig und die Informationen, die sie darüber erhielt, waren für sie nicht überzeugend, erzählt sie. Auch, wenn Sie der erste Anblick ihrer operierten Brust sehr erschrocken habe, habe sie sich mittlerweile an die Prothese gewöhnt. Da sie beobachten konnte, dass Außenstehende ähnlich schockiert auf ihre fehlende Brust reagierten, verzichtet sie weitgehend auf Sauna- und Schwimmbadbesuche.

Vier Jahre nach der Behandlung mit Tamoxifen wurde ein Rezidiv in der rechten Achselhöhle festgestellt und Waltraud Amann fiel erneut in ein schwarzes Loch: Durch das Warten auf die vielen Untersuchungsergebnisse war sie psychisch am Boden zerstört, ihre Gedanken kreisten nur noch um den Krebs und Fragen nach den Folgen und dem Lebensende drängten sich in ihr Bewusstsein.

Klarheit über die eigene Situation und den kommenden Behandlungsweg zu haben und die Dinge zu regeln, war überaus wichtig für Waltraud Amann. Die Ungewissheit sei das eigentlich Schlimme. Anders als ihre Mutter, die 1993 an Unterleibkrebs starb, nimmt Waltraud Amann bewusst eine positive Einstellung ein, plant Erlebnisse, auf die sie sich freuen kann und möchte nicht die „Leidende“ mimen. Sie ist der Überzeugung, dass ihre Psyche einen positiven Einfluss auf den Verlauf der Krebserkrankung nehmen kann. „Ich hatte keine Lust, an dem Krebs zu sterben“, erzählt sie heute, 18 Jahre nach ihrer Ersterkrankung, lachend.

Das Interview wurde Anfang 2013 geführt.

 

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