Theodor Wuttke beschreibt sehr anschaulich, wie es ist, ADHS zu haben.

ADS hat ja die schöne Eigenschaft, dass sich das individuell an die Person aneignet. Und zwar aus der einen Sicht ist es ja so im Grunde nur, dass die Krankheit selber dafür sorgt, dass Informationen ungefiltert ins Hirn gelangen – so hat man mir zumindest das erzählt. Irgendwo zwischen den Nerven bis zum Gehirn, irgendwo ist da ein Defekt, der dafür sorgt, dass die Informationen, die gesammelt wurden, ungefiltert ans Hirn kommt. Das bedeutet zum einen, dass das Kind viel mehr wahrnimmt. Zum anderen aber auch, dass bei ihm selber die emotionale Lage instabiler ist – das der dann halt eben, wenn da ein Streit ist, das viel verstärkter wahrnimmt, als bei den meisten anderen. Das heißt, die Situation ist dann halt eben die, es entstehen mehr Emotionen, die dafür sorgen, dass man halt eben doch nicht wirklich weiß wohin damit. Und dementsprechend war das bei mir so, dass ich sehr, sehr häufig dann halt eben wirklich den Leuten ins Gesicht gesprungen bin und öfters mal verletzt habe, obwohl ich das eigentlich alles gar nicht wollte, obwohl man mir selber gesagt hat, du sollst ruhig bleiben, du sollst den Leuten helfen und für die Anderen da sein. Also im Grunde den großen Bruder spielen für die anderen Mitkinder, Mitbeteiligten what ever.

Das, was viele nicht wissen, ist, das ein ADSler – also zumindest so habe ich es empfunden – nicht richtig abschalten kann. Während in den Pausen die meisten normalen Menschen abschalten, ist das beim ADSler nicht so. Er kann das nicht. Es funktioniert nicht. Einfach aus dem Grunde, das er immer weiter aufnimmt, bis zum Erbrechen aufnimmt und das einfach nicht stoppen kann. Während der normale Mensch halt eben in der Pausen wirklich das Hirn auf Standby setzt – wie man das so gerne sagt – und dann hat er sich auf ein Level eingekriegt und dann kann er wieder aufnehmen. Der ADSler kann den Standby-Modus nicht einschalten. Den gibt es nicht. Der existiert nicht. Es gibt zwar ein paar Tricks, womit man so einen ähnlichen Standby-Modus schaffen kann, wie zum Beispiel die Augen zu machen. Das man dann halt eben, wenn man zu viel hat, nur noch über die Ohren aufnimmt. Oder das man halt eben versucht irgendwie von den Leuten wegzukommen, wenn man merkt: okay, das ist zu viel. Dann gehe ich halt eben kurz aufs Klo oder so. Schwierig wird es halt eben wirklich im Unterricht. Also komischerweise ist es, wenn ich in Konzerten unterwegs bin, nur halb so schlimm wie im Unterricht. Einfach aus dem Grund, weil man sich im Unterricht auf eine Lehrkraft konzentrieren muss, während im Festival konzentriert man sich auf gar nix, auf alles eigentlich, ein bisschen auf die Musik, ein bisschen auf die Leute um einen herum, aber man hat keinen wirklichen Fokus, den man setzen muss. Dementsprechend sind auf dem Konzert die Kopfschmerzen, die ich habe, erträglich. Also nur ein bisschen im Hinterkopf, aber nicht so, dass das wirklich anfängt bohrend zu werden – so richtig zu schmerzen. Was kann ich denn da noch erzählen?