Die Erfahrungen von Kyra Dressel
Kyra Dressel ist 25 Jahre alt. Im Alter von circa 10 Jahren wurde bei ihr ADHS diagnostiziert. Sie lebte mit ihrer Familie in Dänemark und zog erst nach Deutschland, nachdem sie auf einem Reiterhof eine Stelle fand. Bereits als Kind verbrachte sie alle ihre Ferien auf einem Reiterhof. Kyra Dressel hat einer Veröffentlichung ihres Interviews in der Videoversion zugestimmt.
Kyra Dressel kommt aus einer, wie sie es nennt, ADHS-Familie. Die Familie wohnte zunächst auf dem Land in Dänemark – die Kinder konnten immer draußen spielen und fielen dort nicht weiter auf. Nur die Mutter fand die Kinder manchmal etwas „nervig“. Später dann hat Kyra oft ihre Mitschülerinnen und Mitschüler „genervt“, wurde daher auf den Flur geschickt oder bekam Bücher und Lernstoff für die höheren Klassen, weil sie schneller war als andere und dann störte. Besonders schlimm wurde es, nachdem Kyras Vater gestorben war.
Die Kinder sind erst nach einer längeren Zeit von einem Psychiater richtig diagnostiziert worden. Bei ihrem Bruder war die Störung am schlimmsten, aber auch ihre Schwester und Mutter leiden unter ADHS. Eine anfängliche Verhaltenstherapie mit Musik hat nicht viel geholfen. Einige Maßnahmen, insbesondere von den Psychiatern empfohlen, haben sich dann aber als hilfreich herausgestellt. Zum Beispiel ein spezielles Wort, ein vereinbartes „AUS-Wort“, wenn es absolut nicht mehr weitergeht. In Kyras Fall war es „Pfirsich“. Wenn sie „Pfirsich“ sagte, durfte sie z.B. die Schulkasse verlassen, bis sie sich wieder beruhigt hatte. Eine weitere Hilfe war ein Flyer, den Kyra anderen zum Lesen geben konnte und auf dem die Störung kurz beschrieben war. Auf solchen für Dänemark typischen Flyern machen die jeweils behandelnden Psychiater auch das Angebot, bei ihnen anzurufen, wenn man etwas über das Kind und AD(H)S erfahren will. Und schließlich waren es vor allem die Medikamente – in diesem Fall Ritalin –, die Kyra stark geholfen hatten. Hilfreich war auch, dass sie z.B. bei schriftlichen Prüfungen ihre eigene Musik über einen IPod hören durfte.
Kyra Dressel musste sehr lange warten, bis sie zum ersten Mal Medikamente erhielt. Ihre Mutter suchte erst einmal Alternativen, um das Kind „nicht unter Drogen zu setzen“. Auch jetzt als Erwachsene nimmt Kyra immer noch Medikamente, findet aber in Deutschland nur schwer Ärzte, die Erwachsenen diese Medikamente verschreiben. Deshalb erhält sie manchmal Medikamente von der Familie aus Dänemark. Besonders wenn viele Personen um sie herum sind, fühlt sie sich auf Medikamente angewiesen, weil sie sich sonst nicht konzentrieren kann.
Am hilfreichsten war für Kyra die Entscheidung, beruflich mit Pferden zu arbeiten. Das hat schon in ihrer Kindheit bei den Großeltern wunderbar geklappt. Und auch jetzt helfen ihr die Pferde; „es gibt nichts Anderes“.
Sie kann jederzeit offen über ihre Störung reden. Früher hat sie es nicht gemacht – aber nicht aus Angst vor Mobbing, sondern weil es niemand verstanden hätte. Wenn überhaupt, sei sie gemobbt worden: als Mädchen vom Lande mit langen blonden Haaren und einem Pferd – da muss man, sagt sie mit einem Lachen, einfach gemobbt werden!
Das Interview wurde 01.08.2014 geführt.