Die Erfahrungen von Korbinian Burkhardt
Korbinian Burkhardt ist 26 Jahre alt. Mit 12 Jahren wurde bei ihm zum ersten Mal die Diagnose „ADS“ gestellt. Es wurde aber nichts weiter unternommen. Mit 22 wurde die Diagnose erneut gestellt. Neben ADS klagt Herr Burkhardt über Depressionen und eine Tic-Störung. Zum Zeitpunkt des Interviews machte er ein Praktikum als Koch. Korbinian hat einer Veröffentlichung seines Interviews in der Audioversion zugestimmt.
Der 26-jährige Korbinian hatte und hat auch jetzt noch eine ADS mit einer schwach ausgeprägten Hyperaktivität. Seine zwei Jahre ältere Schwester ist nicht betroffen. Bereits in der Schule beschreibt sich Korbinian als verhaltensauffällig: Er habe viel geweint, herumgeschrien, den Unterricht gestört, konnte nicht still sitzen und sei aggressiv gewesen. Er war fast jedes Schuljahr versetzungsgefährdet. Im Alter von 12 Jahren begann dann der Diagnoseprozess. Seine Eltern waren gegen die Einnahme von Medikamenten, da sie befürchteten, damit seinen Charaktereigenschaften zu beeinflussen. In der Pubertät waren die Auseinandersetzungen zu Hause, die sich oft um seine schulischen Leistungen drehten, so heftig, dass es entschieden wurde, dass Korbinian auf ein Internat gehen soll.
Nach dem Abitur begann er nacheinander mit verschiedenen Studiengängen, die er alle nach kurzer Zeit nicht mehr fortsetzte. In dieser Zeit bekam er eine schwere Depression, die medikamentös behandelt wurde sowie eine Tic-Störung [Unter einer Tic-Störung versteht man das wiederholte Auftreten unwillkürlicher Kontraktionen einzelner Muskeln oder Muskelgruppen (Tics) oder wiederholte, unwillkürliche vokale Äußerungen], die bis heute andauert. Im Alter von 23 Jahren begann er eine Therapie, in der auch das Thema ADS behandelt wurde, was ihm sehr geholfen hat. Seit etwas mehr als zwei Jahren nimmt er zudem Medikamente. Obwohl Korbinian auch unter Nebenwirkungen der Tabletten leidet, erlebt er die Einnahme insgesamt als positiv. So könne er sich durch die Medikamente besser konzentrieren. Absetzversuche blieben bisher erfolglos. Alternative Behandlungsversuche, wie bspw. eine Ernährungsumstellung hatten nur minimale Erfolge und seien im Alltag nur schwer einzuhalten.
In seiner Freizeit hat er früher Extremsportarten betrieben. Dies macht er heute zwar nicht mehr, beschreibt Sport jedoch noch immer als einen hilfreichen Ausgleich. Er informiert sich im Internet über ADS und Tic-Störungen. Zusätzlich liest er auch Broschüren, die er von Ärztinnen und Ärzten bekommt. Auch zum Treffen einer Selbsthilfegruppe sei er gefahren und habe sich dort mit anderen Betroffenen ausgetauscht. Diese Zusammenkunft beschreibt er als hilfreich, unterstützend und Kraft gebend. Im Freundeskreis spricht Korbinian offen über seine Diagnose, auch wenn er sich in einigen Unterhaltungen im Freundes- und Bekanntenkreis immer wieder mit Vorurteilen konfrontiert sieht. So wäre ihm zum Beispiel gesagt worden, dass AD(H)S eine Erfindung der Pharmaindustrie sei.
Aktuell macht Korbinian ein Praktikum, was ihm viel Freude bereitet. Er hofft, darüber in einen Beruf zu kommen, der zu ihm passt. Er hat sich für die Zukunft und seine Berufswahl vorgenommen, mehr auf sein Herz zu hören.
Das Interview wurde 13.04.2015 geführt.