Zuhause
Die Isolation wurde von den regionalen Gesundheitsämtern verordnet. Die Mehrheit unserer Interviewpartner*innen berichtete aber, dass sich ihre zuständigen Gesundheitsämter oftmals erst verspätet ein paar Tage oder Wochen nach Erhalt ihres positiven Testergebnisses bei ihnen meldeten und die Isolation anordnete. Andere meldeten ihre Infektion selbst dem Gesundheitsamt. Daher erzählte der Großteil unserer Interviewpartner*innen, dass sie sich zuhause bereits bei den ersten Anzeichen einer COVID-19 Infektion oder bei Kontakt zu einer positiv getesteten Person freiwillig isolierten. Spätestens nach Erhalt des positiven Corona-Testergebnisses begaben sie sich alle in Isolation. Wie sie diese Zeit der Isolation erlebten und damit umgegangen sind, war dabei ganz unterschiedlich.
Dass die Gesundheitsämter oftmals schwer zu erreichen waren, konnten viele unserer Interviewpartner*innen, auf der einen Seite wegen der Überforderung der Behörden im Allgemeinen zwar verstehen, aber sie benötigten auf der anderen Seite auch Unterstützung oder Hilfe, um z.B. Fragen zur Isolation oder zum Testen zu klären. Daher fühlten sich viele während der Zeit der Isolation nur wenig von dem Gesundheitsamt betreut. Das Internet diente vielen Interviewpartner*innen als Informationsquelle, um aktuelle Regelungen und Angebote zu finden. Auch wie sie Schutzmaßnahmen zu Hause umsetzen konnten, war eine wichtige Frage für unsere Interviewpartner*innen.
Ab und an erzählten Interviewpartner*innen, dass Mitarbeiter*innen des Ordnungs- oder Gesundheitsamts bei ihnen vorbeikamen und überprüften, ob sie sich während der Isolation zuhause aufhielten. Manche fühlten sich dadurch kontrolliert, andere nicht. So erzählte Tobias Egger, dass der Mitarbeiter vom Ordnungsamt ihm und seiner Familie noch zusätzliche Unterstützung angeboten hatte, was er als sehr positiv empfand. Auch erkundigte sich das Gesundheitsamt telefonisch nach dem Befinden einzelner Interviewpartner*innen.
Viele unserer Interviewpartner*innen versuchten von Beginn an, sich auch innerhalb ihres Wohnbereichs von anderen zu isolieren. Dabei ging es ihnen darum, ihre Familienangehörigen oder Mitbewohner*innen vor einer Infektion zu schützen. Wie sie diese Isolation umsetzten, hing stark von den Wohnverhältnissen ab. Wenn es ihre Wohnung oder ihr Haus erlaubte, wurden die Wohnbereiche komplett getrennt. Vielen unserer Interviewpartner*innen fiel es schwer, sich von ihren Liebsten in ihrem gemeinsamen Zuhause zu distanzieren und es belastete sie sehr. Manche sprachen auch noch viele Monate später von den Auswirkungen dieser Separierung. Außerdem beschrieben unsere Interviewpartner*innen, wie sie weitere Maßnahmen zum Schutz ihrer Familienmitglieder sowie Mitbewohner*innen zuhause einführten. So trugen viele in ihrem Zuhause einen Mund-Nasen-Schutz, nutzten Gemeinschaftsräume zu unterschiedlichen Zeiten, desinfizierten vermehrt ihre Hände sowie Oberflächen in Gemeinschaftsräumen und/oder lüfteten viel.
Für andere war eine Trennung von der Familie oder Mitbewohner*innen und/oder Schutzmaßnahmen in ihrem Zuhause aus verschiedenen Gründen nicht umsetzbar. So beschrieb Klara Augustin, dass sie in den ersten drei Tagen der Isolation eine FFP2-Maske im Umgang mit ihrer zweijährigen Tochter trug. Da ihre Tochter dies nicht verstand und auch auf die Nähe ihrer Mutter angewiesen war, verzichtete Klara Augustin im weiteren Verlauf der Isolation auf das Tragen einer Maske. Juliane Böhm erzählte, dass ihre Mitbewohnerin sich nicht von ihr distanzieren wollte, bevor nicht ein positiver Covid-19 Test vorlag. Linus Sander und seine Freundin beschlossen bereits vor ihrer Infektion, die Isolationszeit als Paar zusammen in einer ihrer Wohnungen verbringen zu wollen, so dass sich keiner von ihnen allein fühlen musste.
Klara Augustin beschrieb, wie sie sich dazu entschloss, die Maske zuhause abzulegen.
Linus Sander und seine Freundin verabredeten, dass sie die Isolationszeit gemeinsam verbringen.
Interviewpartner*innen, die Fieber oder andere Erkältungsanzeichen wie Kopfschmerzen hatten, erzählten meist, dass sie mit ihrer Genesung beschäftigt waren und sich während der Isolation auskurierten. Sie ruhten sich viel aus und schliefen. Wie die Interviewpartner*innen mit der akuten Erkrankung umgingen, wird unter was bei der akuten Erkrankung half genauer beschrieben.
Vereinzelt kümmerten sich unsere Interviewpartner*innen während ihrer eigenen Erkrankung um ihre kleinen Kinder in der Zeit der Isolation. Sie beschrieben, wie schwer ihnen das fiel. Zum einen, da sie sich kaum körperlich dazu in der Lage fühlten und zum anderen wussten sie nicht, wie sie ihren kleinen Kindern begreiflich machen konnten, dass sie ihre Wohnung nicht verlassen konnten, um z.B. einen Spielplatz aufzusuchen. Dies empfanden sie als sehr belastend und es strengte sie auf Dauer sehr an.
Manche Interviewpartner*innen lebten nicht mit ihren Kindern in einem Haushalt, als sie sich in Isolation begeben mussten. Sie erzählten in den Interviews, für wie belastend sie es empfanden, so lange von ihren Kindern getrennt gewesen zu sein. Stephan Bergmann hatte seine Kinder auch schon vor seiner eigenen Isolation längere Zeit nicht gesehen und vermisste seine Kinder sehr. Sie nicht sehen zu können, vor allem als es ihm immer schlechter ging, war sehr belastend für ihn.
Stephan Bergmann vermisste seine Kinder während seiner Isolation.
Die Isolationszeit wurde bei einzelnen Interviewpartner*innen aufgrund von Symptomen oder positiven Coronatests verlängert. Manche Interviewpartner*innen befanden sich mehr als 20 Tage in Isolation und empfanden dies oft als sehr anstrengend und nur schwer aushaltbar. So beschrieb Lea Anton, dass ihr die ersten zehn Tage in Isolation nur wenig ausmachten, da sie sich nicht gut fühlte. Als ihre Isolation dann nochmal um zehn Tage verlängert wurde, empfand sie dies als strapaziös.
Einzelne Interviewpartner*innen erlebten, dass andere Familienmitglieder oder Partner*innen ebenfalls erkrankten und aufgrund der Schwere ihrer Symptome im Krankenhaus behandelt werden mussten, während sie sich weiterhin zuhause in Isolation befanden und sie nicht besuchen konnten. So schilderte Ilona Bergmann, dass ihr Ehemann intensivmedizinisch versorgt und später auch ins künstliche Koma versetzt werden musste. Dass sie ihn in dieser Zeit nicht besuchen konnte, war sehr schwer für Ilona Bergmann. In dieser Zeit halfen ihr die Gespräche mit den Ärzt*innen oder Krankenpfleger*innen ihres Mannes und mit einer Verwandten, die beruflich einen medizinischen Hintergrund hatte.
Ab und an versuchten die Interviewpartner*innen, die Erkrankung vor Anderen, wie beispielsweise Nachbarn im Mehrfamilienhaus, zu verheimlichen, da sie sich schämten.
Interviewpartner*innen, die wenig Symptome und Einschränkungen durch die COVID-19-Infektion spürten, empfanden die Isolation meist entspannend und nur vereinzelt nach einigen Tagen als belastend. So beschrieb Nils Ziegler, dass ihm die Isolation nach ein paar Tagen sehr zusetzte. Ihm, wie auch anderen Interviewpartner*innen, halfen dann vor allem Gespräche mit Freund*innen und Familie. In den Interviews erzählten sie auch von verschiedenen Strategien, wie sie die Zeit der Isolation bewältigten. So versuchten viele, ihren Tagesablauf zu strukturieren und/oder die Zeit zu nutzen, um Dinge zu tun, die sie lange aufgeschoben hatten. Interviewpartner*innen, die einen Garten oder Balkon besaßen, nutzten diese Möglichkeit, um frische Luft zu schnappen. Da es vereinzelt Interviewpartner*innen schwerfiel, sich nur in ihrer Wohnung aufzuhalten, schlichen sie sich nachts mit Schutzmasken aus ihren Wohnungen.
Mila Blecher fand die Zeit der Isolation furchtbar, weil sie nicht raus durfte.
Jana Frisch entwickelte eine Tagesstruktur und nutzte die Zeit, um Bewerbungen zu schreiben.
Insgesamt konnten einige Interviewpartner*innen der Zeit Isolation auch etwas Positives abgewinnen. Manche erzählten, dass ihnen diese Zeit mit der Familie wieder näherbrachte und andere genossen diese Auszeit vom normalen Alltagsstress.
Klara Augustin sagte, dass die Zeit der Isolation sie und ihren Partner nähergebracht hat.