Hormontherapie

Bei einigen unserer Interviewpartner wurde zur Behandlung ihres Prostatakrebses eine sogenannte antihormonelle Therapie, umgangssprachlich auch Hormontherapie genannt, durchgeführt, bei der es zu einem Hormonentzug durch eine Unterbindung der Testosteronbildung kommt. Sie berichten von Erfahrungen mit Finasterid, mit Leuprorelin, mit Bicalutamid und mit Degarelix; sowohl in Form von Depotspritzen als auch in Tablettenform. Bei metastasierendem Prostatakrebs ist seit 2013 auch Enzalutamid zugelassen, seit 2019 auch für nicht metastasierenden Prostatakrebs. Der Zeitpunkt und das Ziel der Behandlung waren dabei sehr unterschiedlich. Manche Interviewpartner konnten zwischen verschiedenen Arten der Hormonbehandlung wählen. Die Anti-Hormontherapie kann als Dauertherapie oder in Intervallen (intermittierende Therapie) durchgeführt werden.

Bei unseren Interviewpartnern wurde sie häufig nach einer Operation oder nach bzw. während einer Bestrahlung angewendet, etwa wenn der PSA-Wert wieder anstieg. Einige Männer berichten, dass sie im Rahmen der Therapie in Intervallen nach erfolgreichem Absenken des PSA-Wertes die Behandlung aussetzen konnten. Bei manchen blieb der Wert länger oder dauerhaft niedrig, andere mussten wieder mit der Behandlung beginnen.

Als Rolf Fuchs seine Anti-Hormontherapie aussetzte, ahnte er nicht, dass der Krebs so lange ruhen würde.

Immer wenn Guenther Neumanns PSA-Wert stieg, begann er eine Anti-Hormontherapie.

Andere erhielten direkt nach ihrer Krebsdiagnose eine anti-hormonelle 3-Monatsspritze von ihrem Arzt/ihrer Ärztin. Sie berichten, dass ihnen dadurch etwas mehr Zeit für weitere Untersuchungen und Therapieentscheidungen blieb, was sie als erleichternd empfanden.

Um eine ausgewogene Entscheidung treffen zu können, fand Volker Keller die Anti-Hormontherapie gerechtfertigt.

Nur wenige Interviewpartner hatten die Anti-Hormontherapie als erste Behandlungsoption, andere hatten sich zuerst einer Operation oder Bestrahlung unterzogen (Link Der Weg zur Operation und Bestrahlung). Diejenigen, die mit einer antihormonellen Therapie ihre Behandlung begannen, geben als Grund an, dass sie ihnen als einzige Therapieoption vorgestellt wurde, da ihr Krebs schon zu weit fortgeschritten war um zu operieren oder zu bestrahlen. Sie hatten daher nicht das Gefühl, eine Wahl zu haben, was von manchen auch als Entlastung empfunden wurde.

Dieter Bauer machte die Wirkung der Anti-Hormontherapie Hoffnung und zeigte, dass er richtig entschieden hatte.

Alexander Huetzing wollte keine Operation und wählte deshalb die antihormonelle Therapie.

Für die Verabreichung der 3-Monatsspritze mussten unsere Gesprächspartner ihren Urologen/ihre Urologin konsultieren. Manche unserer Interviewpartner lebten zeitweilig im Ausland und sie waren sich unsicher, ob sie immer für die Verabreichung extra nach Deutschland kommen müssen.

Alfred Brandt lebt zeitweilig im Ausland, was für seine Depotspritzentherapie aber kein Problem darstellt.

Bei einigen Interviewpartnern wurde die Therapie zeitweise ausgesetzt, da sie gut anschlug, und für manche Männer spielte es eine Rolle, ab wann sie bei einer intermittierenden Therapie wiedereinsetzten, um mögliche Nebenwirkungen so lange wie möglich hinauszuzögern.

Hans Bergmann nimmt stärkere Nebenwirkungen in Kauf und zögerte das Wiedereinsetzen der Behandlung bewusst hinaus.

Begleiterscheinungen

Unsere Interviewpartner beschrieben verschiedene Veränderungen des Befindens während der antihormonellen Therapie. Die Bandbreite an Erfahrungen reichte von sehr wenigen bis zu sehr starken negativen Begleiterscheinungen. Sie berichten beispielsweise von plötzlichen Hitzewallungen und Schweißausbrüchen, die sie als unangenehm, lästig oder gar „absolut grauselig“ beschreiben. Bei den meisten dauerte es eine Weile, bis sie sich mit den Auswirkungen arrangieren konnten. Helmut Wurm schildert die Therapie als „absolutes Chaos“, da die ständige Müdigkeit seine Leistungsfähigkeit im Beruf beeinflusste.

Curt Scholz wird nachts alle 2-3 Stunden wach und hat Hitzewallungen, die zu jederzeit auftreten können.

Jörg Runde stimmt seine Tabletteneinnahme mit den Nebenwirkungen ab.

Weitere erwähnte unerwünschte Wirkungen waren Mundtrockenheit, Kribbeln in den Gliedmaßen, Müdigkeit, ein Ermattungsgefühl bzw. Schwäche sowie ein Flirren im Kopf. Einige erlebten auch eine spürbare Gewichtszunahme und berichten von Muskel- und später Knochenschwund.

Gerhard Haas nahm Hitzewallungen, Müdigkeit und Muskelschwäche in Kauf.

Für Volker Keller fühlte sich die antihormonelle Therapie wie ein Burnout an.

Einige gaben an, dass ihre Brust gewachsen sei und sie einen Juckreiz verspürten. Außerdem wurde ihre Brust empfindlicher, was bei Berührung mit Schmerzen verbunden sein konnte, so dass sich einige Betroffene gegen das Brustwachstum bestrahlen ließen oder gegen die Schmerzen Medikamente nahmen.

Helmut Wurm musste zwischen den Nebenwirkungen Brustwachstum und Hitzewallungen abwägen.

Auch den Verlust der Libido erlebten einige unserer Interviewpartner während der antihormonellen Therapie. Frank Moll spricht davon, dass das Sexualleben, das ihm früher wichtig war, zur Nebensache wurde, wenngleich die innige Zuneigung gegenüber seiner Partnerin erhalten blieb (Link Partnerschaft und Sexualleben). Nicht alle aber führen das auf die Hormontherapie zurück. Dieter Bauer meint, dass schon vorangegangene Behandlungen sein Desinteresse an Sex ausgelöst hätten.

Alexander Huetzing verspürt kein sexuelles Verlangen mehr, empfindet dies aber auch als praktisch.

Manche Männer beschreiben Veränderungen ihrer Persönlichkeit, die sie auf die Hormonbehandlung zurückführen, wie gesteigerte Ungeduld und depressive Verstimmungen. Einige suchten deshalb eine*n Psychotherapeut*in auf, nahmen Medikamente gegen Depressionen oder lernten, einen Ausgleich durch Sport zu finden. Nicht alle Interviewpartner waren jedoch mit dem Erfolg dieser Maßnahmen zufrieden, so dass sie zum Teil die antihormonelle Therapie auch vorzeitig beendeten.

Die bei Hans Bergmann auftretenden Begleiterscheinungen bewogen ihn dazu, die Behandlung abzubrechen.

Bei Gerhard Haas schlägt die Hormontherapie gut an, er kennt allerdings einige Männer, bei denen eine Hormonresistenz auftrat.

Unsere Gesprächspartner berichten, dass ein sich verändernder PSA-Wert zu starken Verunsicherungen führen und die Befürchtung wecken kann, dass der Tumor hormonresistent geworden sei und damit die Anti-Hormontherapie als weitere Behandlungsoption wegfallen könnte (Link Nachsorge).

Dieter Bauer befürchtete nach einem PSA-Anstieg, dass ihm eine Chemotherapie bevorstehen könnte.