Leben mit dem Stoma

Das Leben mit dem Stoma bedarf der Gewöhnung und ist mit anfänglichen Unsicherheiten und manchen Einschränkungen verbunden. Viele berichten, dass sie nach einer Eingewöhnungsphase trotz Stoma gut und mit hoher Lebensqualität leben könnten.

Einschränkungen und Aktivitäten

Viele unserer Interviewpartner*innen können oder konnten mit dem Stoma nicht schwer heben und körperlich anstrengenden Dingen nachgehen. Dies war für viele besonders in der Zeit direkt nach der Operation sehr belastend und sie waren auf Unterstützung anderer angewiesen (siehe auch „Einschränkungen und Unterstützung im Alltag“). Einige waren dabei sehr eingeschränkt und konnten zum Beispiel keine Einkaufstüten oder Kisten tragen.

Für Klaus Wippich war es schwierig, weil er nichts tragen durfte.

Dieter Loewe muss sich zwingen, als Handwerker nicht mehr alle Dinge selbst zu machen.

Andere beschreiben, dass sie mit der Zeit auch wieder schwere Gewichte tragen konnten. So beschreibt Joachim Braun, dass er problemlos auch 25 oder 50 Kilogramm heben könne.

Eine Erzählerin, die gerade ein Kind geboren hatte, durfte anfangs gar nicht heben und konnte daher auch ihr Kind nicht versorgen.

Sarah Lemke konnte ihren kleinen Sohn nicht selbst versorgen.

Eine andere Interviewpartnerin war zunächst verunsichert, ob sie ihren Sohn auf den Schoß nehmen könne. Das Kuscheln, so sagt sie, sei aber problemlos möglich gewesen.

Viele unserer Interviewpartner*innen benutzen eine Bauchbinde oder einen Nierengurt, um das Gewebe zu schonen, wenn sie sich körperlich anstrengen oder Sport treiben. Wie viel Sport möglich ist, war bei unseren Erzähler*innen ganz unterschiedlich. Manche mussten sich sehr einschränken, andere fahren trotz Enddarmamputation auch wieder Fahrrad oder gar Motorrad. Andere Interviewpartner*innen, die sonst sehr viel Sport getrieben hatten, müssen auf Surfen, Boxen und Rudern verzichten. Ski fahren, Schwimmen und Segeln sei aber weiterhin möglich.

Iris Niebling fährt Fahrrad, kann es aber nicht tragen.

Beim Schwimmen oder beim Saunagang ist das Problem häufig, dass das Stoma nicht verdeckt werden kann und manchen unserer Interviewpartner*innen das unangenehm ist. Andere gehen damit sehr offen um. Es kam aber auch vor, dass Interviewpartner*innen angehalten wurden, das Schwimmbad nicht zu benutzen. Diejenigen Dickdarmstomaträger*innen, die die Darmspülung durchführen können (siehe „Umgang mit dem Stoma“), haben den Vorteil, dass sie zeitweise auch ohne Beutel auskommen und ein Pflaster über den Ausgang kleben können, was sonst nicht möglich ist.

Joachim Braun fragt sich, von welcher Badehose sein Arzt sprach, worunter man das Stoma nicht sehen solle.

Aus Angst, er könnte das Bad verschmutzen, wurde Dieter Loewe gebeten, ein Schwimmbad nicht zu besuchen.

Anna Rusch behilft sich mit einem Tankini, bei dem man das Stoma nicht sieht. 

Uwe Dierks stört es, dass er nicht mehr jeden Tag duschen kann.

Stomaträger*innen, deren Enddarm amputiert wurde, haben zusätzlich anfangs eine große Wundnaht am Gesäß, die das Sitzen sehr erschwert. Manche behalfen sich vorübergehend mit Gummiringen oder anderen Hilfsmitteln, auf denen sie besser sitzen konnten. Ein Interviewpartner hat mit der Wundnaht dauerhaft Komplikationen, kann aber mittlerweile gut damit umgehen.

Joachim Braun konnte nach der Operation durch die Naht nicht sitzen.

Besonders bei einigen Interviewpartner*innen mit Dünndarmstoma ist es wichtig, dass sie möglichst eine Toilette in der Nähe haben, für den Fall, dass sie den Beutel wechseln müssen. Das ist in der Öffentlichkeit manchmal nicht so einfach (siehe auch „Stomaanlage und Allgemeines zum Stoma“).

Jutta Groß macht sich immer Gedanken, wo die nächste Toilette ist.

Wer ein Stoma hat, hat einen Anspruch auf einen gewissen Grad der Behinderung sowie darauf, einen Schlüssel für öffentliche Behindertentoiletten zu bekommen (weitere Informationen bei www.ilco.de, siehe auch „Infos und Links“). Einige unserer Interviewpartner*innen mussten auch schon erklären, warum sie diesen Zugang haben, da man ihnen nicht ansieht, warum sie behindert sind.

Henriette Schiller musste schon manchmal ihren Behindertenausweis vorlegen.

Reisen ist für manche unserer Interviewpartner*innen daher ein schwieriges Thema. Manche unserer Erzähler*innen können aber selbst längere Flugreisen problemlos bewältigen, während für andere das nicht möglich ist (siehe auch „Unterwegs sein und Reisen“).

Dieter Loewe hatte auf Reisen schon mehrere Erlebnisse mit Zöllner*innen und Kontrolleur*innen.

Arbeiten

Manche unserer Erzähler*innen gehen mit ihrem Stoma zur Arbeit. Dabei machten sie die Erfahrung, dass sie oft nicht geschont wurden. Für manche waren der häufige Toilettengang, Durchfallprobleme oder die lange Zeit bei der morgendlichen Stomapflege, wie zum Beispiel der Darmspülung, eine Beeinträchtigung bei der Berufstätigkeit (siehe auch „Arbeit und Rente“).

Probleme und Komplikationen

Alle unsere Stomaträger*innen berichten, dass bei ihnen zumindest am Anfang ein „Malheur“ passierte, dass der Beutel nicht hielt oder undicht war und sie mit dem Stuhlgang auf dem Bauch, an Körper und Kleidung zu kämpfen hatten. Einige zogen sich deshalb zumindest zeitweise von ihrer Umwelt zurück.

Undichte Beutel, Unfälle, Hautirritationen

Manche unser Interviewpartner*innen waren anfangs überfordert und gewöhnten sich nur langsam an den Umgang und das neue Gefühl. Am Anfang war es häufig schwer, mit undichten Beuteln und „Unfällen“ umzugehen.

Am Anfang erlebte Jutta Groß Rückschläge.

Henriette Schiller war es peinlich, um Hilfe zu bitten.

Wenn nicht eine Toilette in der Nähe ist, kann dies auch unangenehm werden und die Unfälle passieren an unpassenden Orten und führen zu sichtbaren oder riechenden Unannehmlichkeiten.

Weil Sylvia Herrmann nicht auf ein Dixi-Klo geht, kam es auch schon mal zu einer unangenehmen Situation.

Besonders unangenehm fanden einige unserer Interviewpartner*innen, wenn die Unfälle nachts passierten.

Bei Jutta Groß spielen Ernährung, die Psyche und Stress eine Rolle, wenn sie nachts raus muss.

Gerlinde Zeigert benutzt Inkontinenzunterlagen und stellt sich jede Nacht den Wecker.

Karl Bergmann muss jede Nacht aufstehen, weil er den Beutel entlüften muss.

Manchmal führt eine undichte Versorgung auch zu Hautproblemen oder Irritationen, wofür unsere Erzähler*innen erst nach geeigneten Cremes und Salben suchten. Oft halfen da Stomatherapeut*innen besser weiter als Ärzt*innen, weil erstere sich am besten auskennen.

Durchfall

Bei Durchfall, der auch mit dem Stoma auftreten kann, sei es oft so, dass dieser in „ungünstigen“ oder „stressigen“ Situationen auftrete. Eine lange Zeit auf der Toilette sei dann unvermeidlich, weil der flüssige Stuhlgang unkontrolliert austrete. Jedoch hielt dies bei unseren Erzähler*innen in der Regel nicht länger als einen Tag an. Eine Erzählerin berichtet jedoch, dass Durchfall für sie gefährlich werden könne, weil der Flüssigkeitsverlust so schnell von statten geht, dass sie diesen auf natürlichem Wege mit Trinken nicht ausgleichen könne.

Blähungen und Geruch

Manche unserer Interviewpartner*innen hatten immer wieder Bedenken, sie könnten aufgrund des Beutels oder eines vollen Beutels unangenehm riechen und ihre Umwelt könne das merken. Meist passierte das aber nur, wenn ein Beutel undicht war. Die meisten Beutel haben mittlerweile einen Filter eingearbeitet, der Geruch zurückhält. Dies ist besonders bei Blähungen ein Thema (siehe auch „Ernährung mit Stoma“).

Holger Pfleger konnte die Gasentladungen im Italienisch-Kurs nicht unterdrücken. 

Laura Filip lässt sich häufig von unangenehmen Gerüchen verunsichern.

Umgang mit anderen - Sprechen über das Stoma

Das Sprechen über das Stoma ist für viele unserer Interviewpartner*innen nicht einfach. Sie schildern, dass es ihnen manchmal peinlich sei oder dass sie verunsichert seien, wie ihre Umwelt reagiert. Viele raten zu einem offenen Umgang damit, um Irritationen zu vermeiden.

Klaus Wippich dachte oft, dass die Leute sich nicht trauten, ihn auf sein Stoma anzusprechen.

Leon Gerspacher spricht lieber offen über sein Stoma und nimmt es mit Humor, auch in seiner Pfadfindergruppe.

Einbezug des Partners/der Partnerin

Unsere Erzähler*innen haben unterschiedliche Erfahrungen gemacht, wie ihr Partner/ihre Partnerin mit der neuen Situation umging (siehe auch „Partnerschaft und Sexualleben“).

Einige der Männer berichten, dass es ihnen wichtig gewesen sei, ihre Frau nicht mit der Pflege zu belästigen. Dieter Loewe beschäftigt sich zum Beispiel mit seiner Stomapflege, wenn seine Frau gar nicht zuhause ist. Anderen war es hingegen wichtig, ihre Partnerin/ihren Partner mit einzubeziehen, um ihnen die Scheu zu nehmen. Auch war es entlastend, wenn der Partner/die Partnerin sich für das Stoma interessierte.

Joachim Braun zeigte seiner Frau die Stomaversorgung, um ihr die Verunsicherung zu nehmen.

Petra Thomas half es, dass ihr Mann sich für ihr Stoma interessierte und es bei der Rückverlegung verabschiedete.

Einige unserer Interviewpartner*innen berichten auch, wie ihre Partner*innen sie bei der Versorgung unterstützten, besonders am Anfang, als alles noch ungewohnt war.

Ingrid Weis' Ehemann musste ihr am Anfang helfen, hatte aber keine Probleme damit.

Während die meisten unserer Erzähler*innen berichten, dass der Partner/die Partnerin gut mit dem Stoma und dem veränderten Körper umgehen und dies so akzeptieren könne, wurde Clara Ott aufgrund dessen von ihrem Mann verlassen, was für sie damals enorm belastend war.

Unterschiedlich war für die Stomaträger*innen unter unseren Interviewpartner*innen auch der Umgang mit dem Sexualleben. Manche berichteten, dass sie ihr Sexualleben nicht mehr spontan leben konnten, womit sie sich arrangierten. Andere konnten sich nicht vorstellen, in der Zeit mit dem Stoma Sex zu haben oder hatten Probleme, Intimität und Nähe zuzulassen (siehe „Partnerschaft und Sexualleben“).

Matthias Mitternich hat sich teilweise aussätzig gefühlt.