Psychische Belastungen

Die Darmkrebserkrankung stellte für unsere Interviewpartner*innen eine große Herausforderung dar. Viele berichten von schweren psychischen Belastungen, die zu bewältigen ein mühsamer Weg war.

Einige unserer Erzähler*innen beschreiben, wie sehr die Erkrankung sie zwang, sich von der Unversehrtheit ihres Körpers zu verabschieden. Dabei erzählen einige, wie sehr dadurch auch ihr Vertrauen in sich selbst und in das Selbstbild, das sie bisher von sich hatten, erschüttert wurde. Dies begann bei vielen schon mit der Diagnosemitteilung (siehe „Diagnosemitteilung“).

Gunther Kraft hatte sich vor dem Krebs gefühlt wie Siegfried in der Sage.

Dieter Loewe fühlte sich mit dem Hereinbrechen der Krankheit wie ein gefällter Baum.

Petra Markert konnte in der Tanztherapie verarbeiten, dass sie ihren unversehrten Körper nicht zurückbekommt.

Die Dinge nicht ändern zu können, manchmal dem Gesundheitssystem oder auch anderen Menschen gegenüber körperlich hilflos und abhängig zu sein, beschreiben einige unserer Erzähler*innen als zermürbend und einschneidend in ihrem Leben. Gefühle der Unkontrollierbarkeit und Abhängigkeit schilderten vor allem viele derjenigen Interviewpartner*innen, die sich an ein Stoma gewöhnen mussten (siehe „Stomaanlage und Allgemeines zum Stoma“, „Umgang mit dem Stoma“, „Leben mit dem Stoma“). Dazu kam oft die Unsicherheit, wie sich der Gesundheitszustand weiterentwickeln würde (siehe „Leben mit der Unsicherheit“).

Matthias Mitternich fühlte sich mit seiner Krankheit aussätzig und nicht mehr als normaler Mensch der Gemeinschaft.

Sebastian Siemens fühlte sich so durcheinander, als ob Einbrecher bei ihm gewütet hätten.

Manche berichten, dass ihnen bei der Bewältigung die Selbsthilfe (siehe „Selbsthilfe“) eine große Unterstützung war, weil sie dort das Gefühl hatten, mit ihren Ängsten und auch ihren körperlichen Symptomen nicht allein zu sein. Während einige in psychisch labilen Phasen vom Mitgefühl ihrer Nächsten profitierten, beschreiben andere, dass sie sich lieber zurückzogen und es sie eher belastete, wenn andere Menschen ihnen zeigten, dass sie Anteil nahmen.

Einige unserer Erzähler*innen schildern, wie sie psychisch unter dem Druck standen, wieder funktionieren zu wollen oder zu müssen, sei dies bei der Arbeit (siehe „Arbeit und Rente“), um die finanziellen negativen Auswirkungen zu verhindern (siehe „Behörden, Kostenträger und Finanzen“), oder auch in ihrer Rolle innerhalb der Partnerschaft oder Familie, besonders wenn noch Kinder zu versorgen waren (siehe „Partnerschaft und Sexualleben“ und „Auswirkungen auf die Familie und den Freundeskreis“).
Im Zusammenhang damit beschreiben manche unserer Interviewpartner*innen, dass sowohl sie selbst als auch ihr Umfeld auf eine harte Geduldsprobe gestellt gewesen seien, da sich die Behandlungen oft sehr lange hinzogen und mit enormen körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen einhergingen (siehe u.a. „Nebenwirkungen der Chemotherapie“).

Für Gunther Kraft wurde der psychische Druck zu groß, so dass er eine schwere Depression bekam.

Nach außen versuchte Henriette Schiller stark zu sein, innerlich hatte sie jedoch Angst.

Lisa Roth hatte zeitweise das Gefühl, keine Luft mehr zum Atmen zu haben.

Gunther Kraft veränderte sich psychisch und musste in die Psychiatrie.

Wenn Petra Markert Angstanfälle und "tiefe Löcher" hatte, tat es ihr gut, wenn sie mal in den Arm genommen wurde.

Besonders die Interviewpartner*innen, die bereits einen nahestehenden Menschen an Krebs verloren hatten, berichten, dass die eigene Erkrankung bei ihnen nochmals eine tiefe Trauer ausgelöst habe, verbunden mit vielen Ängsten und bei manchen mit dem Gefühl, nun ganz alleine mit allen Belastungen fertig werden zu müssen. Manche konnten dabei von einer psychologischen Begleitung profitieren (siehe „Psychotherapie und Psychoonkologie“), andere hatten dazu nicht die Möglichkeit.

Amalia Spatz wünschte sich auch schon mal zu sterben, kam aus dem Tief aber wieder raus.

Für Anna Rusch ist es schwer, sich alleine immer wieder hochziehen zu müssen.

Nachdem seine Mutter an Darmkrebs starb, war es schwer für Leon Gerspacher mit der Unsicherheit zu leben.

Diejenigen, die an Darmkrebs erkrankten, der mit einem erhöhten familiären Risiko einher ging (siehe „Ursachen“), beschreiben außerdem, dass sie häufig mit Schuldgefühlen ihren Kindern gegenüber konfrontiert waren und sich zusätzlich zur Sorge um sich selbst auch noch große Sorgen um ihre Nächsten machten (siehe „Auswirkungen auf die Familie und den Freundeskreis“).